Dunkel
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Kein Freund und Helfer

25. Januar 2022
in 4 min lesen

Von Marton Mechtl

Seitdem ich drei Jahre alt bin, wohne ich in einer oberbayrischen Provinzstadt. Das Leben verlief bei uns immer ruhig. Zum ersten Mal war ich mit 17 auf einer Demonstration. Damals marschierte die Partei Die Rechte in unserer Stadt auf und ich habe die breit aufgestellte Gegendemonstration mit über 1.000 Menschen mitorgansiert.

Hier sah ich zum ersten Mal Bereitschaftspolizisten, Linksextreme und Rechtsradikale Angesicht zu Angesicht. Die Beamten schirmten uns von den Rechten ab, einige Demonstranten machten sogar Fotos mit den Polizisten; sie waren da, um auf uns aufzupassen. Dann war es eine ganze Zeit lang wieder ruhig.

Dein Freund und Helfer

Mit der Polizei bin ich seitdem einige Male in Berührung gekommen und egal, ob ich die Beamten am Rande eines Volksfestes angesprochen habe und wir uns kurz unterhalten haben, oder sie mich im Rahmen einer Kontrolle aus dem Verkehr gewunken haben, immer waren die Polizisten freundlich, respektvoll und hilfsbereit.

Einmal, nach dem ein Video einer Festnahme einer schwarzen Person in unserem Bahnhof viral gegangen war und der örtlichen Polizei Rassismus unterstellt wurde, sah ich mich eines Abends auf dem Weg nach Hause gezwungen, zwei Bundespolizisten anzusprechen und innen meine Solidarität zu versichern. „Es gibt noch Leute, die stehen auf eurer Seite“.

Wie sich später herausstellte, war der Vorfall mit Nichten rassistisch motiviert, der besagte Mann hatte sich schlichtweg der Festnahme widersetzt. Das hätte man sich eigentlich von Anfang an denken können, denn man muss nur Muster erkennen können. Und wollen. Kurz gesagt: Ich hatte Respekt vor der Arbeit der Beamten und vor den Menschen in der Uniform, da sie tagtäglich ihre eigene Gesundheit für meine Sicherheit riskieren. Die Polizei als Freund und Helfer- dieses Klischee schien bei uns in der Provinz noch der Wahrheit zu entsprechen.

Gestörtes Verhältnis

Jetzt, sieben Jahre später, bin ich wieder auf der Straße. Zusammen mit tausenden von anderen Menschen aus der Region. Zum ersten Mal erlebt unser Städtchen, so wie die gesamte Bundesrepublik, echten, bürgerlichen Protest. Lehrer, Ätzte, Handwerker und Studenten- sie alle spazieren für ihre Freiheit und körperliche Selbstbestimmung. Zwei Grundrechte, die in einer Demokratie eigentlich selbstverständlich sein sollten.

Doch etwas hat sich grundlegend geändert: Nicht nur schweigt die lokale Presse zu den Demonstrationen, außer sie bewirbt die „Gegendemonstration“ der örtlichen Juso-Gruppe unter dem Motto „Gegen Verschwörungsfantasien und demokratiefeindliches Gedankengut“. Die Demonstration damals, gegen Die Rechte wurde medial noch breit gefeiert.

Auch fühlt es sich nicht mehr so an, als würde ich einfach nur das machen, was mir in einer Demokratie zu steht: Nämlich meine Meinung, meine Sorgen und meinen Protest auf die Straße zu tragen. Der Hauptgrund hierfür ist nicht die Verleumdung unserer Sache als rechts, verschwörungsideologisch oder antisemitisch. Es ist vor Allem das Auftreten der bayrischen Bereitschaftspolizei.

Schlagstock frei

Der Aufzug zum Dreikönigstag mit 4.000 Teilnehmern war, zwar mit mehreren Metern Abstand zwischen den einzelnen Beamten, aber durchgehend von Polizisten flankiert. Die Demonstration fühlte sich nicht nach dem stolzen Warnehmen meiner demokratischen Grundrechte an, viel mehr war es ein Spießrutenlauf. Wenn ein Teilnehmer mal kurz die Maske auf seinem Gesicht verrückte, kam schon prompt von Links oder Rechts der Hinweis, die Maske solle unverzüglich wieder korrekt angelegt werden.

Wenn man zu nah an jemand kam, wurde man befohlen, 1,5 Meter Abstand zu halten. Wurde dem nicht sofort Folge geleistet, wurden auch schon die Personalien festgestellt. So werden keine Staatsbürger behandelt. So geht man mit Untertanen um. Und das macht wütend. Als kurze Zeit später eine Dame von acht Beamten festgenommen wurde, konnte ich nicht widerstehen, einen jungen Kollegen in einem etwas lautem Ton zu fragen, ob er wirklich dafür Polizist geworden ist. Um Leuten die Wahrnehmung ihrer elementarsten Grundrechte so unangenehm wie möglich zu machen. Natürlich hat er professionell geschwiegen.

Aber so weit ist es gekommen: Nun bin ich schon einer von denen, die Polizisten auf Demonstrationen anschreien. Das hätte ich vor zwei Jahren niemanden geglaubt. Doch die Polizei ist nicht mehr mein Freund und Helfer. Ich weiß nicht, ob sie es jemals war, oder ob ich früher einfach naiv war. Aber sie ist es nicht mehr, spätestens seit letztem Sommer, als die Polizei absolut unverhältnismäßig auf Corona-Demonstranten eingeprügelt hatte.

Die Bundesregierung schweigt indes beharrlich zu den Vorfällen, obwohl sich selbst der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, „besorgt“ gezeigt hatte. Ganz zu schweigen von den mittlerweile hunderten Demonstrationszügen, die bundesweit durch Polizisten gestoppt und aufgelöst wurden. Das Vertrauen ist weg. Und das nicht nur bei mir.

Für wen macht ihr das?

„Es gibt noch Leute, die stehen auf eurer Seite“. Bloß wer noch? Diejenigen, die jetzt ein besonders hartes Auftreten der Polizei fordern, Mitglieder und Anhänger Parteien des linken Spektrums, wettern normalerweise am lautesten gegen die Polizei. Und das ist schon verharmlosend ausgedrückt, denken wir beispielsweise an die Ausschreitungen rund um das G-20-Treffen in Hamburg.

Nun aber droht ein viel größerer Teil der Bevölkerung der Polizei den Rücken zu zuwenden. Konservative, Bürgerliche und die Beamten der Polizei pflegten in Deutschland seit jeher immer guten Beziehungen, die auf gegenseitigen Respekt und Vertrauen beruhte. Das droht sich nun zu ändern. Viele aus dem konservativen Lager sind geschockt vom Auftreten der Polizei. Sie glaubten viel zu lange, dass man als rechtschaffender Bürger nichts von den Männern und Frauen in Blau zu befürchten hätte.

Nun sind sie damit konfrontiert, dass die gleichen Polizisten, die ein großer Teil der Bürgerlichen als „Teil von uns“ angesehen haben, ohne zu zögern bereit sind, den Willen der Obrigkeit auch gegen die Interessen der Bürger auf der Straße durchzusetzen, sprich: Wenn es sein muss, mit Schlagstöcken, Pfefferspray und Einkesselungen die Ausübung demokratischer Grundrechte zu unterbinden.

Und diese Entwicklung wird unser Land im selben Maße negativ beeinflussen, wie die viel diskutierte Spaltung der Gesellschaft, gewissermaßen ist sie Produkt und Katalysator dieser Spaltung. Eine Gesellschaft, in der kein Vertrauen zwischen Beamten und Bürgern mehr besteht, kann auf Dauer nicht bestehen. Die Polizei ist, ob sie es will oder nicht, der Repräsentant des Staates gegenüber seinen Bürgern.

Die Beziehung zwischen Bürger und Beamten definiert auch die Beziehung zwischen Bürger und Staat, sie macht den Unterschied zwischen einer Demokratie und einer Autokratie mit demokratischem Anstrich aus.

Gastautor

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