Letzte Woche war der l\u00e4ngste Tag des Jahres. Am 20. Juni schien die Sonne circa 17 Stunden lang \u00fcber Deutschland und k\u00fcndigte damit den Beginn des astronomischen Sommers an. Den europ\u00e4ischen V\u00f6lkern der vorchristlichen Zeit galt die Sonnenwende als ein wichtiger Anlass f\u00fcr religi\u00f6se Feiern und Br\u00e4uche, deren lebendigstes Erbe wohl das schwedische Midsommarfest ist. Es gilt den Schweden als das zweitwichtigste Fest nach Weihnachten und wurde, anders als die restlichen heidnischen Feiertage, nie christlich \u00fcberformt und hat damit keine theologische Bedeutung.<\/p>\n\n\n\n
So gibt es den Brauch der \u201eMidsommarstange\u201c, die stark an den deutschen Maibaum erinnert: Es wird ein geschm\u00fcckter Baum aufgestellt, anschlie\u00dfend formen die Teilnehmer des Festes einen Kreis und tanzen um den Baum herum. Und da die Natur in Schweden (ebenso wie im Rest Nord- und auch Mitteleuropas) um die Sonnenwende herum noch immer ihren fr\u00fchlingshaften und sprie\u00dfenden Charakter bewahrt hat und die ermattende Hochsommerhitze noch auf sich warten l\u00e4sst, galt sie den Menschen gerade um Ende Juni herum als quasi mystisch \u2013 Elfen, Trolle und andere magische Wesen sollen da zum Vorschein gekommen sein.<\/p>\n\n\n\n
Dort, wo die katholischen Missionare im Fr\u00fchmittelalter erfolgreicher waren, gibt es immer noch Relikte der heidnischen Sonnenwendfeste: So ist es beispielsweise kein Zufall, dass der Gedenktag an Johannes den T\u00e4ufer auf den 24. Juni gelegt wurde \u2013 an diesem Tag wurde nach dem julianischen Kalender die Sommersonnenwende gefeiert. In einigen Teilen Europas wird an diesem Tag das sogenannte Johannisfeuer entz\u00fcndet, dessen Ursprung wohl offensichtlich nicht viel mit dem T\u00e4ufer Jesu Christi zu tun hat.<\/p>\n\n\n\n
Nun, auch in Deutschland gibt es Sonnenwendfeiern, die hier allerdings keinen Teil des allgemeinen Brauchtums darstellen, sondern dem neuheidnischen Milieu zuzuordnen sind. Eine dieser Feiern hat in der vergangenen Woche ganz besonders die Runde gemacht und f\u00fcr ordentlich Wirbel und Rummel bei den Medien gesorgt: \u201eNeonazis feiern Sonnenwende: Hitlerjugend reloaded\u201c<\/em> titelte die linksextreme \u201etaz\u201c, etwas neutraler formulierte es der \u00f6ffentlich-rechtliche NDR (\u201e\u201aJunge Nationalisten\u2018 feiern Sommersonnenwende in Eschede\u201c<\/em>). Richtig: Die Sommersonnenwendefeier der Jugendorganisation der \u201eHeimat\u201c-Partei in Niedersachsen war der Ausl\u00f6ser des ganzen Medienrummels. Es ist wirklich erstaunlich, wie sehr man sich dar\u00fcber echauffiert hat. Die linken Journalisten haben mithilfe eines Krans in das Veranstaltungsgel\u00e4nde filmen und so Aufnahmen von den maskierten Teilnehmern des neuheidnischen Mittsommerspa\u00dfes machen k\u00f6nnen. Da sind sie nun aufmarschiert, diese b\u00f6sen Menschen (die \u201etaz\u201c betonte: Die M\u00e4nner haben Hemden, die Frauen R\u00f6cke (!!) getragen!), mit ihren Trommeln, ihren Fackeln und Runen! Die Frage ist nur: Warum? Warum die M\u00fche, warum die Emp\u00f6rung?<\/p>\n\n\n\n Ich selbst schere mich nicht darum. Erstens, da mir als Christ Sonnenwendefeiern recht egal sind, zweitens, weil ich mit der JN nichts am Hut habe. Und davon mal abgesehen haben diese Leute \u00fcberhaupt keine Relevanz: Die Heimat ist eine Kleinstpartei, ihr stehen keinerlei Machtmittel zur Verf\u00fcgung, egal in welcher Form, und ihr \u00e4sthetischer Anspruch hatte ja schon immer gewisse M\u00e4ngel aufgewiesen. Da haben also irgendwo in der nieders\u00e4chsischen Pampa nicht einmal 100 Altrechte eine Sonnenwendefeier im vermeintlich altgermanischen Stil organisiert (vermutlich haben die christlichen Johannisfeuer mehr mit den germanischen Br\u00e4uchen gemein als das NS-Kitschfest der JN), und schon steht das Vierte Reich vor der T\u00fcr. Es reicht auf jeden Fall aus, um mit Kamerakr\u00e4nen den Kram zu filmen (wie viel der Spa\u00df wohl gekostet haben muss…), ihn zu einem bedrohlichen Filmchen zu verarbeiten und anschlie\u00dfend so zu tun, als sei es die wichtigste Meldung der letzten Monate. Als Sahneh\u00e4ubchen regt man sich in \u00fcblich perfider Journo-Manier dar\u00fcber auf, dass die JNler Sturmhauben trugen \u2013 die sie ja \u00fcberhaupt erst tragen mussten, weil die Journos, die sich dar\u00fcber aufregen, am liebsten ihr Leben zerst\u00f6ren w\u00fcrden.<\/p>\n\n\n\n Der Grund daf\u00fcr ist naheliegend: Ablenkung. Ablenkung von all dem, was tats\u00e4chlich schiefl\u00e4uft in diesem Land. Von den migrantischen Jugendgangs, die auf autochthone Kinder einpr\u00fcgeln oder sie gleich totschlagen (man schaue nach Gera oder Bad Oeynhausen), von den t\u00e4glichen Messerangriffen, von den allgemeinen Spannungen, die in der Luft liegen. Da muss man eben den alten Nazimythos heraufbeschw\u00f6ren, auf den der Bundesb\u00fcrger so gut konditioniert wurde. Da kann man ein unbedeutendes Treffen einer altrechten Kleinstpartei zum Vorspiel des Vierten Reiches aufspielen \u2013 und der Normie da drau\u00dfen kauft es. Fragt sich eben nur noch, wie lange. Bis dahin hoffe ich, lieber Leser, dass Sie Ihre Sommersonnenwende in guter Gesellschaft verbracht haben \u2013 egal, ob dabei das Johannisfeuer oder eine Rune gebrannt hat oder ob Sie diesen l\u00e4ngsten Tag des Jahres auf v\u00f6llig andere Weise zelebriert haben.<\/p>\n\n\n\n Letzte Woche war der l\u00e4ngste Tag des Jahres. Am 20. Juni schien die Sonne circa 17 Stunden lang \u00fcber Deutschland und k\u00fcndigte damit den Beginn des astronomischen Sommers an. Den europ\u00e4ischen V\u00f6lkern der vorchristlichen Zeit galt die Sonnenwende als ein wichtiger Anlass f\u00fcr religi\u00f6se Feiern und Br\u00e4uche, deren lebendigstes Erbe wohl das schwedische Midsommarfest ist. Es gilt den Schweden als das zweitwichtigste Fest nach Weihnachten und wurde, anders als die restlichen heidnischen Feiertage, nie christlich \u00fcberformt und hat damit keine theologische Bedeutung. So gibt es den Brauch der \u201eMidsommarstange\u201c, die stark an den deutschen Maibaum erinnert: Es wird ein geschm\u00fcckter<\/p>\n","protected":false},"author":12,"featured_media":20249,"comment_status":"open","ping_status":"closed","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"footnotes":""},"categories":[37,33],"tags":[],"class_list":["post-20239","post","type-post","status-publish","format-standard","has-post-thumbnail","hentry","category-kolumne","category-politik"],"_links":{"self":[{"href":"https:\/\/kraut-zone.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/20239"}],"collection":[{"href":"https:\/\/kraut-zone.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts"}],"about":[{"href":"https:\/\/kraut-zone.de\/wp-json\/wp\/v2\/types\/post"}],"author":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/kraut-zone.de\/wp-json\/wp\/v2\/users\/12"}],"replies":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/kraut-zone.de\/wp-json\/wp\/v2\/comments?post=20239"}],"version-history":[{"count":7,"href":"https:\/\/kraut-zone.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/20239\/revisions"}],"predecessor-version":[{"id":20254,"href":"https:\/\/kraut-zone.de\/wp-json\/wp\/v2\/posts\/20239\/revisions\/20254"}],"wp:featuredmedia":[{"embeddable":true,"href":"https:\/\/kraut-zone.de\/wp-json\/wp\/v2\/media\/20249"}],"wp:attachment":[{"href":"https:\/\/kraut-zone.de\/wp-json\/wp\/v2\/media?parent=20239"}],"wp:term":[{"taxonomy":"category","embeddable":true,"href":"https:\/\/kraut-zone.de\/wp-json\/wp\/v2\/categories?post=20239"},{"taxonomy":"post_tag","embeddable":true,"href":"https:\/\/kraut-zone.de\/wp-json\/wp\/v2\/tags?post=20239"}],"curies":[{"name":"wp","href":"https:\/\/api.w.org\/{rel}","templated":true}]}}