{"id":2442,"date":"2021-09-10T10:03:35","date_gmt":"2021-09-10T10:03:35","guid":{"rendered":"https:\/\/krautzone.rf.gd\/?p=2442"},"modified":"2022-02-20T07:40:29","modified_gmt":"2022-02-20T07:40:29","slug":"die-koenigin-der-instrumente","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/kraut-zone.de\/die-koenigin-der-instrumente\/","title":{"rendered":"Die K\u00f6nigin der Instrumente"},"content":{"rendered":"

Es wird mal wieder Zeit f\u00fcr ein bisschen Musik. Wie in der vorletzten Kolumne angek\u00fcndigt, soll es diesmal um die \u201eK\u00f6nigin der Instrumente\u201c gehen: die Orgel. Dieses Instrument existierte zwar schon in der Antike, das Abendland aber sollte es zu seinem kulturellen H\u00f6hepunkt f\u00fchren. Geistig best\u00e4tigt f\u00fchlte ich mich, da ich ja selbst Orgel spiele, als Oswald Spengler in seinem Hauptwerk beschrieb, dass die Orgel mit ihrem den scheinbar unendlichen Raum des gotischen Domes ausf\u00fcllenden Klang das Instrument des \u201efaustischen Geistes\u201c sei.<\/p>\n

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\u201eFaustisch\u201c ist dabei nicht untertrieben: Der Aufwand, die Orgel zum Klingen zu bringen \u2013 vom groben Aufbau an sich, \u00fcber die Klangerzeugung und das \u201eInnenleben\u201c des Instruments, bis hin zu den Klangfarben und schlie\u00dflich zur richtigen Spielweise \u2013 ist wohl bei keinem anderen Instrument auf der Welt so gro\u00df wie bei diesem. Man kann sie zurecht als Instrument der Superlative bezeichnen; wenn man bedenkt, dass in der gr\u00f6\u00dften Domorgel der Welt, die im St. Stephansdom im bayrischen Passau steht, \u00fcber 17.000 (!) Pfeifen stehen.<\/p>\n

Im Laufe der abendl\u00e4ndischen Geschichte wandelte sich der Klangstil der Orgel immer wieder \u2013 eine romantische Orgel klingt (nat\u00fcrlich) anders als eine aus der Renaissancezeit \u2013, aber um die Sache so kurz wie m\u00f6glich zu halten, konzentriere ich mich auf die Orgel des Barock; in dieser Zeit erlebte die Orgelkultur ihren ersten H\u00f6hepunkt.<\/p>\n

Wenn man in eine Kirche eintritt, so blickt man erst in Richtung Altar. Erst wenn man sich im Kirchenschiff umdreht, sieht man auf die auf der Westempore thronende Orgel. Oder eher gesagt: Man sieht den Orgelprospekt<\/em> mit den Prospektpfeifen<\/em>. Im Barock war der Prospekt meisten sehr stark ornamentiert, wie man z. B. an der Orgel von 1734 im schw\u00e4bischen Ochsenfurt sehen kann:<\/p>\n

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Vieles spielt sich jedoch hinter dem Prospekt, also innerhalb der Orgel ab \u2013 so sind die meisten Pfeifen dahinter versteckt. Allein die Lufterzeugung \u2013 die Luft, die die Pfeifen zum Klingen bringt, wird im Orgelbau Wind<\/em> genannt \u2013 ist ein gro\u00dfer Aufwand.<\/p>\n

Bevor Elektromotoren den Wind in das Instrument bliesen, wurde diese Aufgabe von Kalkanten<\/em> \u00fcbernommen: Meist junge M\u00e4nner, die dazu verpflichtet wurden, die Blaseb\u00e4lge<\/em> der Orgel zu bedienen. Je gr\u00f6\u00dfer die Orgel ist, desto mehr Wind braucht sie und desto mehr Kalkanten mussten ihren Dienst verrichten \u2013 bei sehr gro\u00dfen Instrumenten waren es bis zu zehn.<\/p>\n

Eine harte Arbeit war dies, nicht wegen der k\u00f6rperlichen Anstrengung, sondern auch dadurch, dass der Winddruck<\/em> \u2013 quasi die St\u00e4rke, mit der die Luft sp\u00e4ter durch die Pfeifen gehen wird \u2013 stets gleichm\u00e4\u00dfig sein musste, da sich sonst die Intonation und die Tonh\u00f6he und damit der Orgelklang ver\u00e4ndern w\u00fcrde (\u00e4hnlich wie bei einer angefangenen Glasflasche, bei der man den Ton je nach St\u00e4rke des Blasens ver\u00e4ndern kann). Ein Kalkant verrichtet seinen Dienst:<\/p>\n

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Der nun erzeugte Wind erreicht \u00fcber das Windwerk<\/em> \u2013Holzrohre, in denen der Wind \u201etransportiert\u201c wird \u2013 die Windladen<\/em>. \u00dcber diese \u201eHolzbahnen\u201c gelangt der Wind zu Pfeife. Meist werden mehrere Pfeifenreihen \u2013 sogenannte Register<\/em>, dazu aber gleich mehr \u2013 \u00fcber eine Windlade angesteuert. Dr\u00fcckt der Spieler eine Taste, so wird ein Ventil innerhalb der Windlade ge\u00f6ffnet, und der Wind gelangt vom Windwerk \u00fcber die Lade in die angesteuerte Pfeife.<\/p>\n

Um zu verhindern, dass mehrere Register gleichzeitig erklingen, werden die Pfeifenreihen in den meisten Orgeln \u2013 so auch im Barock \u2013 mit einer Schleiflade<\/em> abgedichtet. Erst wenn der Spieler einen Registerzug <\/em>bedient, werden die Schleifladen verschoben, so dass sich nun die offenen L\u00f6cher der Schleiflade unter der Pfeife befinden \u2013 der Wind kann durchstr\u00f6men.<\/p>\n

Hier eine schlichte Darstellung der Orgelmechanik. \u00dcber das Windwerk (gr\u00fcnbraun) gelangt der Wind zu den Windladen (hellgr\u00fcn). Das Ventil (rot, in der Windlade) \u00f6ffnet sich beim Spielen einer Taste, der Wind gelangt bei ge\u00f6ffneten Schleifladen (orange) in die Pfeife. Quelle: https:\/\/commons.wikimedia.org\/wiki\/File:Querschnittorgel.svg<\/a><\/p>\n

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Zum Innenleben der Orgel geh\u00f6rt auch die Traktur (im Bild oben rot dargestellt). Dr\u00fcckt der Spiele eine Taste, so wird \u00fcber eine komplexe Hebelmechanik das Ventil in der Windlade bedient.<\/p>\n

Die unterschiedliche Gr\u00f6\u00dfe der Pfeifen erkl\u00e4rt sich durch die verschiedenen Register: Meist erklingt n\u00e4mlich nicht nur eine Tonh\u00f6he gleichzeitig, sondern gleich mehrere. So wird eine Pfeife mit \u201enormaler\u201c Tonh\u00f6he \u2013 also die, die man beim Dr\u00fccken derselben Taste auf dem Klavier ebenfalls h\u00f6rt \u2013 im Jargon als 8′ <\/em>(sprich: \u201e8-Fu\u00df\u201c, nach der L\u00e4nge der gr\u00f6\u00dften Pfeife) bezeichnet. Es gibt aber auch Pfeifen, die klingen eine Oktave h\u00f6her und sind entsprechend halb so lang \u2013 also 4\u2018-Pfeifen. Ebenso gibt es 16\u2018-Pfeifen, die eine Oktave tiefer klingen und doppelt so gro\u00df sind usw. Diese unterschiedlichen Pfeifen erzeugen beim Zusammenspiel den typisch vollen Orgelklang. Nat\u00fcrlich gibt es noch weitere Varianten und Arten von Pfeifen, deren Darstellung den Rahmen aber deutlich sprengen w\u00fcrde.<\/p>\n

Angesteuert werden, wie oben schon erw\u00e4hnt, diese verschiedenen Pfeifenreihen \u00fcber die Registerz\u00fcge, die sich links und rechts neben dem Organisten am Spieltisch<\/em> befinden. H\u00e4ufig kann dieser die Registerz\u00fcge w\u00e4hrend des Spiels nicht bedienen: er ben\u00f6tigt Registranten<\/em>, die diese Aufgabe f\u00fcr ihn \u00fcbernehmen. Am Spieltisch findet der Spieler h\u00e4ufig mehrere Klaviaturen vor sich: Einmal das Manual<\/em>, welches mit den H\u00e4nden gespielt wird und dem entspricht, was man vom Klavier kennt.<\/p>\n

Bei gr\u00f6\u00dferen Orgeln findet man auch zwei, drei, oder gar vier Manuale vor, die jeweils alle unterschiedliche Pfeifenst\u00f6cke, sogenannte Werke<\/em> ansteuern. So gibt es das Hauptwerk<\/em>, welches die meisten Pfeifen und Register hat und quasi \u201eam lautesten\u201c ist, dann ein etwas kleineres Oberwerk<\/em>, und manchmal auch ein R\u00fcckpositiv<\/em>, ein Pfeifenstock, der, wie der Name es suggeriert, sich hinter dem Organisten befindet (auf dem Foto der Orgel in Ochsenhausen ist es deutlich zwischen dem Emporengel\u00e4nder zu erkennen).<\/p>\n

Die verschiedenen Manuale k\u00f6nnen auch gekoppelt <\/em>werden, was nichts anderes bedeutet, dass beim Bedienen der Koppel<\/em> mehrere Manuale von einem Manual aus angesteuert werden k\u00f6nnen. Des Weiteren gibt es auch noch ein Pedalwerk<\/em>, das mit den F\u00fc\u00dfen bedient wird und das h\u00e4ufig das Bassfundament der Orgel darstellt. Auch dies kann mit den Manualen gekoppelt werden.<\/p>\n

Zu guter Letzt gibt es noch etwas auf die Ohren: Als erstes ein Werk eines Meister der \u201eNorddeutschen Orgelschule\u201c, Dieterich Buxtehude. Gespielt wird es passenderweise auf einer Orgel von Arp Schnitger (einem der ber\u00fchmtesten Orgelbaumeister des Barock) in Stade bei Hamburg. Deutlich zu erkennen sind die Registerz\u00fcge am Spieltisch, die von zwei Registranten bedient werden m\u00fcssen. Ebenfalls gut beobachtbar sind die Wechsel zwischen den Manualen sowie die Arbeit mit den F\u00fc\u00dfen:<\/p>\n

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Arbeit mit den F\u00fc\u00dfen:<\/p>\n<\/div>\n<\/div>\n

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