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Wenn die Realität die Satire überholt

4. Oktober 2019
in 2 min lesen

Unsere beiden Chefredakteure haben ein Interview mit dem berühmten Satiriker Klaus-Jürgen Valentin vereinbart. Sein Zufluchtsort inmitten der pommerschen Pampa hält derweil einige unerwartete Überraschungen parat. Das harte Leben eines Satirikers im Jahre 2019… Von Hannes Plenge


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Mitten auf der Wiese sehen wir ein abgemagertes Reh durch den beinahe knietiefen Schnee stapfen. Vorsichtig tastet sich das junge Tier vorwärts, während es immer wieder mit der Nasenspitze den Schnee durchwühlt. Die Böden sind seit über einer Woche gefroren und die Aussicht auf Nahrung eher gering. Das Profil der Winterreifen unseres alten Krautzone-Passats fräst sich langsam durch die Spurrillen im Schnee. Zum Glück hat es seit einigen Tagen nicht mehr geschneit, ansonsten wäre unser Unterfangen in etwa so aussichtsreich wie eine Kanzlerkandidatur von Andrea Nahles.

Seit über zwei Stunden kurven wir mittlerweile durch die pommersche Pampa auf der Suche nach der Bleibe von Klaus-Jürgen Valentin. Wir wissen, dass er mittlerweile abgelegen in der Nähe der polnischen Grenze in einer kleinen Holzhütte als Einsiedler lebt. Valentin ist in der DDR aufgewachsen, studierte nach dem Mauerfall in Westdeutschland Philosophie und Literatur und wurde schnell zu einem der bekanntesten Satiriker des Landes. Seine spitzfindigen Überzeichnungen der Politkaste der 90er-Jahre-BRD sind noch immer legendär. Als wir eine verwaiste Hütte mit der Aufschrift „Mutti ist Reichsbürger“ entdecken, wissen wir, dass wir endlich angekommen sind. An der Hauswand stapelt sich altes Brennholz, der Eingang wurde wohl schon länger nicht mehr freigeschaufelt.  Wenig deutet darauf hin, dass wir von irgendjemandem erwartet werden. Wir klopfen an die Haustür, nichts passiert. Nachdem wir ein paarmal um das Haus gewandert sind und selbst durch die Fenster niemanden ausfindig machen, hat Florian einen Geistesblitz und drückt die Türklinke runter. Die Tür ist offen. Auf dem Boden liegen ein paar Skizzen durcheinander, die Töpfe türmen sich neben dem Herd, ansonsten gähnende Leere. Wir betreten die Wohnung und unser Blick fällt auf ein Schriftstück, auf dem in großen, roten Buchstaben der Schriftzug „Abschiedsbrief“ prangt. Ich beginne zu lesen:

„Lieber Florian, lieber Hannes, wenn ihr das liest, sitze ich bereits im Flieger in ein Land, in dem man als Satiriker noch ein würdevolles Dasein fristen kann. Nachdem mir das Foto von Heiko Maas in Lederkajake zugetragen wurde und ich durch Zufall auf einen Ausschnitt der Heute Show gestoßen bin, habe ich beschlossen Deutschland endgültig zu verlassen. Wie soll man als Satiriker in diesem Land noch wahrgenommen, geschweige denn erstgenommen werden, wenn die Realität jede Form der Satire übertrifft?? Als ich Heiko Maas das erste Mal als SPD-Spitzenkandidaten im Saarland-Wahlkampf gesehen habe, in dem er für die SPD das schlechteste Ergebnis aller Zeiten erzielte, habe ich darüber Witze gemacht wie es wohl wäre, wenn diese Person in der Politik eine hohe Position bekleiden würde. Die Leute haben nach Luft geschnappt, so heftig waren ihre Lachkrämpfe! Jetzt soll dieser „Mann“ auf einmal Außenminister sein? Und eine Beziehung mit Natalia Wörner haben?? DER Natalia Wörner, die sich vor einigen Jahren für den Playboy ausgezogen hat und zu der ich mir so oft einen…!?! Mir wird schlecht. Ich kann mich noch erinnern wie ich in den 90ern einmal Merkel als zukünftige Kanzlerin parodiert habe. Diese Vorstellung war für die Leute damals jenseits von Gut und Böse – der Saal hat getobt! Vor einigen Tagen bin ich schließlich auf einen Ausschnitt der „Satiresendung“ Heute Show gestoßen, die mir von einem alten Weggefährten zugespielt wurde. Was soll daran witzig sein, wenn ein Zwerg sein Publikum anschreit? Wie muss es um die geistige Beschaffenheit der Zuschauer bestellt sein, wenn dergleichen als Humor aufgefasst wird? Außerdem wurde mir fünfmal mitgeteilt, dass Björn Höcke in Wahrheit Bernd heißt. Ha.Ha.Ha. Ich ertrage dieses Land nicht mehr und kann unseren für heute geplanten Termin nun leider nicht mehr wahrnehmen. Ich hoffe, ihr habt Verständnis dafür, wenn ein alter weißer Mann die Segel streicht und das sinkende Schiff verlässt. Die beste Satire in Deutschland heißt Realität, weshalb dieses Land keinen Hafen mehr für einen Satiriker wie mich offenhält. Lebt wohl.

PS: Der Playboy mit der Wörner liegt hinten beim Fernseher unter der Ablage. Bitte verbrennt diese Ausgabe, damit niemand zu Schaden kommt.“

Hannes Plenge

Hannes, geborener Hannoveraner und mittlerweile stolzer Lüneburger, bereut es jeden Tag aufs Neue, nicht vor Jahren seine Kohle in Bitcoins gesteckt zu haben. Jetzt muss er mit Mitte 30 noch immer einem Beruf nachgehen – auch „Wirecard“ half dem Frugalisten in spe nicht wirklich weiter. Der nicht immer kaltblütige Norddeutsche verfügt über ein stolzes Punktekonto in Flensburg, da er es sich als anständiger Libertärer zur Aufgabe gemacht hat, gegen staatlich festgelegte Geschwindigkeitsbeschränkungen anzukämpfen.

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