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Das Leben als rechter Normie – währende Fragen und ein Hoffnungsschimmer

20. August 2020
in 3 min lesen

Von Michael Anfang
Ja, ich bin rechts! Echt jetzt…? Oder…? Zumindest machen mich das meine mehr oder weniger entfernten Altersgenossen und Kollegen, die Hauptstrommedien und (ganz wichtig) Twitter denken. Naja und wenn das keine Indikatoren sind, dann wohl die Tatsache, dass ich im besten Deutschland aller Zeiten, in dem wir gut und gerne leben, das Veröffentlichen unter Pseudonym vorziehen und auf der Arbeit jeden politischen Kommentar unter teils schmerzhaftem Zusammenbeißen der Zähne für mich behalten muss.

Das hat, neben den zu befürchtenden privaten Folgen, nicht zuletzt auch eine ökonomische Bewandtnis, da die meisten Arbeitgeber wenig gerne zu hören bekommen, dass ihre Mitarbeiter eine Null-Toleranz Politik in der Asylfrage, Reduktion auf Sachleistung für ausländische Sozialfälle oder die Abschiebung von straffälligen Wirtschaftsflüchtlingen fordern.

Wow, habe ich das gerade tatsächlich zu Papier gebracht? Schon fast befremdlich den eigenen Standpunkt derart direkt auszuformulieren, halte ich mir vor Augen, wie meine Privatperson ansonsten in der Öffentlichkeit agiert. Aber woher die Verwunderung?

Nun, als relativ neu eingestiegener Mitarbeiter des Personalwesens in einem Weltunternehmen (unter den Top 10 der globalen Fortune 500), knapp am Ende seiner 20er, der sich noch lebhaft daran erinnern kann, das Kreuzchen schon einmal bei der Linken gesetzt zu haben, entstehen in der alltäglichen Auseinandersetzung mit Politik doch ab und zu noch, wie sie so schön im Neudeutschen heißen, bruh moments. Leute meines Alters nennen es wohl normalerweise Aha-Momente (oder so ähnlich), oftmals zurückzuführen auf kognitive Dissonanzen im Begriff sich aufzulösen oder aber das schiere Unverständnis der offenkundigen Geistesstörung der übrigen Diskussionspartner gegenüber.

Und dennoch, so schön Selbsterkenntnis auch ist, „das normale Leben“ wird im politischen Kontext dadurch nicht wirklich vereinfacht, was in der Nische der Krautzone wahrscheinlich besser nachvollzogen werden kann als beim gemeinen Spiegelleser. Von der taz Mal ganz zu schweigen…

Worin aber liegt denn nun die Krux des Ganzen und was bewegt mich zum Verfassen dieses Ergusses? Es ist das namensgebende Normie-Leben, auf das meine bisherige Vita ausgerichtet war, welches nun mit ausgereifteren reaktionären Ideen kollidiert. In der hochoffiziellen und ebenfalls als Repräsentant der Firma fungierenden Position, die ich in einem Unternehmen einnehme, das von oberster Hierarchieebene aus weltweite Identitätspolitik betreibt, ist der innere Konflikt unvermeidbar.

Ich bin gezwungen anzuerkennen, dass, wegen Black Lives Matter, alle Mitarbeiter am 19. Juni (Juneteenth) wenn möglich Besprechungen absagen sollten um in Deutschland (!), der Sklaverei in den vereinigten Staaten des 19. Jhrd. zu gedenken und systemischer Rassismus noch heute allgegenwärtig ist. Geschlechter sind frei zu wählen und Pronomen in der Ansprache entsprechend anzupassen. Schwulsein gilt es bedingungslos abzufeiern und vorauseilende Toleranzbekundung kann mittels LGBTQ/BLM-Fähnchen im internen Mitarbeiterprofil hinterlegt werden. Eigentlich bin ich zum Arbeiten in den Laden gekommen und jetzt sowas.

Aber… bin ich wirklich gezwungen derartige Zustände zu akzeptieren? Nach diesen impliziten Regeln zu agieren? Bleibt mir tatsächlich nichts anderes als zu Manowars „Fighting the World“ auf die Arbeit ins Großraumbüro zu fahren und das ungehobelte Trump-/AfD-/Rääächts-Bashing zur Mittagspause zu dulden? Gibt es keine Alternative zum stillen Beiwohnen, während der Vorgesetzte vom Vorgesetzten unverhältnismäßige Vorteile für migrantische Mitarbeiter schafft, damit diese den Familiennachzug beschleunigen können?

Im Sportstudio Dampf ablassen zu finnischem Folk-Metal führt zu kurzfristiger Entlastung, bietet aber nur bedingt Antwort auf diese steten Fragen, die mich fast täglich begleiten. Ein wohliges Gefühl entsteht, wann man die Medien ähnlichgesinnter Menschen konsumiert, sich rechte Podcasts während des Pendelns anhören kann und am Wochenende entsprechende Zeitschriften liest. Ab und an beschleicht mich allerdings auch damit das Gefühl aufgegeben zu haben. Der Mainstream kann ausgeblendet werden und die Auseinandersetzung mit geistig intakten Köpfen macht halt auch mehr Spaß.

Aber an Tagen wie dem heutigen glaube ich, dass es um mehr dabei geht, ja, dass es auch mehr ist, als nur das Konsumieren. Im Kern nehmen wir ebenfalls durch die Unterstützung unserer Medienschaffenden am Kampf teil. Gemeint ist damit nicht weniger als der andauernde Kulturkampf. Die steuerfinanzierte mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) stimmt mir dabei zu, auch wenn sie uns perfide Strategien bei der Umsetzung vorwirft.

Denke ich dabei zurück an die Vorkommnisse im Arbeitsalltag, wird aber erneut klar, weshalb die Normalität eines Normies so aussieht, wie sie es nun mal derzeit tut. Kultur beschreibt im Grunde alles Menschengemachte, wobei 2020 die Medien in dieser Hinsicht natürlich einen besonderen Stellenwert innehaben. Würde nun aber nicht mehr nur ausschließlich die heute show wöchentlich über die Mattscheiben flimmern und mit prestigeträchtigen Auszeichnungen bedacht; wäre fest & flauschig nicht mehr einer der meistgehörten Podcasts in Deutschland und Jan Böhmermann weniger relevant auf Twitter; gäbe es ein ebenbürtiges Gegengewicht und Sendungen, die sich trauen auch wieder wahrhaftig lustig zu sein…

Ja, lieber Leser, was wäre dann? Es ist schwer vorstellbar, aber dann wäre der öffentliche wie private Diskurs in unserem Land vielleicht wieder möglich, sogar interessant. Dem nächsten „Bernd Höcke“-Comedygenie könnte im Büro eine entsprechende Riposte geboten werden und man wäre mit höherer Wahrscheinlichkeit nicht alleine damit, wenn man seinen Unmut über die letzte grotesk abwegige interne Unternehmenskommunikation kundtut.

Mit diesem Ziel im Blick und der stillen Hoffnung auch im Laufe seines stinknormalen Lebens ein integrer Mensch mit Rückgrat bleiben zu können endet der Ausflug in die Welt eines rechten Angestellten. Nicht jeder kann Aktivist sein, aber jeder (Rechte) muss politisch aktiv sein. In diesem Sinne ist auch klar was nun zu tun ist: Natürlich Krautzone-Abo verlängern und weitere rechten Medienmacher unterstützen!

Gastautor

Hier schreiben unsere Gastautoren, bis sie sich in unserer klebrigen Mischung aus Hass und Hetze verfangen, und schließlich als regelmäßige Autoren ein eigenes Profil bekommen.

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