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Fall von Afghanistan – Ist die NATO am Ende?

20. August 2021
in 3 min lesen

Von Ferdinand Vogel

Die Geschwindigkeit, mit der die Afghanische Armee und Polizei kollabierten, konnte eigentlich nur Berufspolitiker, Elfenbeinturmbewohner, Spiegel-Leser und Freunde des Feuilleton der ZEIT ernsthaft überraschen. Oder all jene Staatsdiener, die zu lange in den Büroräumen staubiger Ministerien verbracht haben und mehr Interesse am Fortschritt ihrer eigenen Karriere, als an der Realität „on the ground“ haben.

Im Kreise altgedienter Veteranen des Afghanistankrieges überraschte der Zusammenbruch des Staatskonstruktes in Afghanistan eigentlich niemanden. Nicht einmal die Geschwindigkeit ist sonderlich erstaunlich. Bereits nach dem Fall von Masar-e-Scharif, wo die Bundeswehr gut 20 Jahre stationiert war, hätte vielen klar sein müssen, dass der Widerstand der ANA und ANP quasi nicht vorhanden ist.

Der Islam auf dem Vormarsch, der Westen am Boden

In Herat und anderen Städten ereignete sich nahezu zeitgleich das selbe Schauspiel. Einige gut informierte Journalisten und Ex-Soldaten, die das Land akribisch beobachten, weil sie von ihrem Traum nicht loslassen können, haben schnell erkannt, dass die Taliban einfach nur mit Mopeds und Toyotas von Stadt zu Stadt fahren, die Fahne des siegreichen Islam schwenken und größtenteils verlassene Posten der Verteidiger vorfinden, in die die internationale Gemeinschaft der NATO und Co. Geld, Blut und Zeit investiert hat. Und davon nicht zu wenig.

Die lange in der Luft hängenden Warnungen von Journalisten wie Peter Scholl Latour und etlichen anderen, die das Land kennen, wurden von der auf „Nation-Building“ ausgerichteten Westallianz, bestehend aus NATO und Anhängseln, in den Wind geschlagen. Der Friedhof der Imperien, wie Afghanistan auch genannt wird, macht seinem Namen erneut alle Ehre und könnte auch zum Friedhof der USA und NATO werden. Denn die Nachwirkungen dieser epochalen Niederlage, die sehr an Vietnam erinnert, werden die nächsten Jahrzehnte der Weltpolitik prägen. Man sollte nicht dem Trugschluss erliegen, dass es sich hier um ein kleines Scharmützel am Hindukusch handelt.

Afghanistan ist einer von vielen Versuchen gewesen das US-amerikanische Wertemodell, inspiriert von UN-Chartas und europäischen Wertehumanismus, zu exportieren und Nationen von Grund auf neu zu errichten. Was im Irak bereits ähnlich desaströs endete und den Aufstieg des IS beflügelte, wird nun auch in Afghanistan eine neue Ära einläuten. Der Mythos der Unbesiegbaren Taliban, des unbezähmbaren Afghanistans und der gedemütigten USA, wird Konfliktherde auf der ganzen Welt neu entbrennen lassen.

Die Tage im August 2021 sind Tage des Sieges für den globalen, politischen Islam, der nun neuen Aufwind bekommen wird. Auch China und Russland als Großmächte im Konflikt mit dem Westen, werden geopolitische Nutznießer dieser Niederlage der NATO sein, die vielleicht ein Sargnagel für das Atlantikbündnis sein könnte.

Auch im Osten sieht man jetzt: Auf die NATO ist kein Verlass

Wie Reuters berichtet, äußerte sich der Präsident Tschechiens nach der Flucht aus Kabul sehr negativ über die NATO und zog ihre Existenzberechtigung offiziell in Zweifel: „The distrust towards NATO from a number of member countries will grow after this experience, because they will say – if you failed in Afghanistan, where is a guarantee that you won’t fail in any other critical situation?“

Zeman said in an interview published by www.parlamentnilisty.cz on Tuesday, a website favoured by the president for airing his views. „Now that investing in NATO is kind of wasting money, our defence spending should focus on national defence, on national (military) procurement,“ Zeman said.

Zeman spricht aus, was viele Strategen und Politiker vor allem in Osteuropa befürchten. Denn wenn die NATO derart schlecht bei einem nur sehr lokalen Kleinkrieg im Nirgendwo abschneidet, könnte die gesamte Strategie Polens und der baltischen Länder auf tönernen Füßen stehen. Diese haben begründete Angst vor einer Eskalation mit der Russischen Föderation nach dem Muster Ukraine.

Vor allem für die Balten mit ihren vielen russischen Einwohnern in den eigenen Staatsgebieten, ist die Gefahr einer fünften Kolonnen einigermaßen real. In den letzten Jahren hat man die Nähe zur NATO gesucht und das Bündnis gestärkt, um gegen etwaige mögliche russischen Expansionsversuche gewappnet zu sein. Dass diese kommen könnten, auch am anderen Ende der Welt im südchinesischen Meer beispielsweise, dürfte nicht von der Hand zu weisen sein. Denn ein verwundeter Büffel zieht die Tiger an, wie es dort in der Region heißt.

Bilder mit Sprengkraft

Die Schwäche der NATO und der atlantisch-europäischen Restzivilisation im Westen wird zu großen Verwerfungen führen. Sollte die NATO bei einem etwaigen Grenzkonflikt in Osteuropa erneut eine schlechte Figur abgeben, würde es die Allianz wohl endgültig beerdigen. Die Osteuropäer würden sich neue Verbündete suchen müssen.

In deutschen Redaktionsstübchen schreibt man nun gegen den Abgesang auf die US-Hegemonie und für eine noch stärkeres Bekenntnis zur NATO. Aber die inneren Konflikte in den USA und Westeuropa, die ethnischen Unruhen, islamische Unterwanderung und immer größere soziale Ungleichheit, zermahlen die Fundamente eines Machtblocks, der wahrscheinlich noch in dieser Jahrhunderthälfte zerbröseln wird. Ein freiheitlicher, europäischer Nordwesten (auf der Erdkugel) ist dennoch möglich. Schließlich bringt jeder Zusammenbruch auch neue Chancen.

Gastautor

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