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Anschlag auf Nord Stream – Jetzt also die Ukrainer

11. März 2023
in 3 min lesen

Von Karl-Heinz Stiegler

Mancher mag schon verdrängt haben, dass am 26. September des vergangenen Jahres drei von vier Leitungen der Nord Stream-Pipelines gesprengt wurden. Denn schon kurz danach entwich das Thema so deutlich sichtbar aus den offiziösen Medien, wie das Gas aus den sabotierten Röhren. Allein, recht bald war klar, dass es kein Unfall war. Die Schweden fanden Spuren von Sprengstoffen. Hier war jemand am Werke, der nicht will, dass Deutschland mit russischem Gas versorgt wird. Die USA zum Beispiel. Aber man tat so, als wäre kein Elefant im Raum. Als dann doch einer auf den Elefanten hinwies, erklärte man den Pulitzer-Preisträger und Aufdecker des My Lai-Massakers, Seymour Hersh, kurzerhand zum Spinner. Denn diese Woche kamen endlich die tatsächlichen Täter ans Licht: die Ukrainer waren’s!

Das wollen US-Geheimdienste herausgefunden haben. Man beschuldigt zwar nicht die offizielleukrainische Seite Selenskyjs, aber immerhin eine „pro-ukrainische“ Gruppe. Man könnte anbringen, die USA und deren Geheimdienste, die den Fall jetzt aufgeklärt haben wollen, wären selbst so eine „pro-ukrainische Gruppe“. Wären da nicht die gefälschten Reisepässe, die man gefunden hat, und die was nochmal belegen? Sie erinnern eher an die „Funde“ nach dem 11. September 2001 als an einen Beweis für irgendwas. Und das Segelboot, dass die Saboteure gechartert haben, um ihren kühnen Plan durchzuführen. An Bord: ein Kapitän, vier Mann Besatzung für die Tauchgänge und eine Ärztin. Ein Husarenstück aber auch, dass diese mit allen Wassern gewaschene Crew direkt vor der Nase des amerikanischen Flottenverbandes, der kurz vor den Explosionen in dem Gebiet kreuzte, herumschipperten. Überhaupt erinnert die Geschichte von ukrainischen Freischärlern, die auf eigene Faust Weltpolitik machen, irgendwie an Exilkubaner in der Schweinebucht 1961.

Die deutsche Generalbundesanwaltschaft hat dieses Boot nun durchsuchen lassen. Man erkennt, dass die Crew aus Amateuren bestanden haben muss. Dem verlautbarten Narrativ zufolge wurde das Mietboot ungereinigt an den Vermieter zurückgegeben – mit der Folge, dass darin jetzt Sprengstoffreste gefunden wurden! Der Fall ist also bald geklärt.

Wie genau er geklärt wird, dass zeigt sich erst noch. Dass die USA auch offiziell als diejenige „pro-ukrainische Gruppe“ identifiziert werden ist unrealistisch. Es sind ihre Geheimdienste, die das Gegennarrativ stricken. Für Deutschland wäre es zu unbequem, sich gegen den großen Bruder aufzulehnen. Sonst hätten wir es bisher schon tun können. Eine andere Möglichkeit wäre, dass das Thema gleich wieder im Sande verläuft. Hershs Meinung steht seit heute eine offizielle Geschichte gegenüber und damit ist es gut. Bleiben noch zwei wesentliche Möglichkeiten, warum die Geschichte erneut aufgewärmt wird.


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Zum einen könnte der Fall so weitererzählt werden, dass unser westlich-liberaler Waffenbruder, die Ukraine, zusehends ihre hohe Stellung verliert. Dass sie die kritische Infrastruktur ihres Freundes und Waffenlieferanten Deutschland angreift geht dann doch zu weit. Langsam könnte sich so ein Narrativwechsel entwickeln, gepaart mit weiteren Geschichten, die das strahlende Heldentum im Kampf gegen den Erbfeind Russland schmälern. Sollte sich die Erzählung derart entwickeln, dann spräche das für eine Wiederannäherung Deutschlands an Russland unter Preisgabe der Ukraine. Europa würde sich von den USA lösen und ohne die einstige Schutzmacht zu beleidigen, sich einer neuen zuwenden. Oder gar eigenständiger werden. Da dieses Szenario aber den strategischen Interessen der USA entgegenläuft, ist es unwahrscheinlich. Durch die Sabotage einen Fakt zu schaffen, sich dann aber dessen Interpretation aus der Hand schlagen zu lassen, wäre stümperhaft und zur bisher geleisteten Weltführung unpassend.

Die zweite Möglichkeit währe eher eine passende Fortschreibung der bisherigen Geschichte. Dass die Ukraine nun der Bombenleger war, wäre zwar ein Vertrauensbruch, irgendwo aber auch ein Lob. Im Krieg und in der Liebe ist schließlich alles erlaubt. Und man braucht schon Männer mit Willenskraft und Kampfgeist, um so eine Operation durchzuführen. Das ist eine Leistung, die nicht jeder liefern kann. Außerdem wollten wir ohnehin kein Gas mehr beim Russen kaufen, da interessiert uns diese Pipeline nicht mehr. Im Gegenteil, wir sollten dankbar sein, dass diese Option jetzt auch für unsere ewigen Nörgler im Inland wegfällt. Die Streitigkeiten mit den USA über die Inbetriebnahme von North Stream II sind zudem aus der Welt. Daraus könnte sich weiters eine Erzählung gegen Russland entwickeln: Wenn die Ukraine in der Lage war die Pipeline zu sprengen, dann kann sie ähnliche Aktionen überall und immer wieder durchführen, auch in Russland selbst! Wird dieses künftige Narrativ weiter befördert, dann spräche das dafür, dass die EU zusammen mit, bzw. unter den USA weiterhin die Ukraine unterstützen und die unipolare Welt aufrecht erhalten.

Es ist kaum zu glauben, dass die Russen diese Geschichte schlucken, und sich Angst vor ukrainischer Sabotage im Mutterland machen lassen. Das müssen sie auch gar nicht. Der Westen und der Osten leben heute schon unterschiedliche Sichtweisen zu verschiedenen Dingen, besonders zu Wertvorstellungen. Nur wir selbst müssen diesen Brocken schlucken, um den wiederaufgewärmten Erzählbrei zu verdauen. Wichtig bleibt deswegen, den Fall jetzt nicht geistig abzuschließen. Wir kennen seit dieser Woche lediglich die Selbstdarstellung des bis heute wahrscheinlichsten Sprengmeisters.

Gastautor

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