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Böllerverbot – Lasst es krachen!

7. Januar 2023
in 2 min lesen

Ich habe das letzte Mal als Kind Böller gekauft und finde es albern, an Silvester haufenweise Geld in die Luft zu jagen, aber dass jetzt nach einem allgemeinen Böllerverbot geschrien wird, weil die „Event- und Partyszene“ in Berlin wieder über die Stränge geschlagen hat, ist eine Frechheit. Und nicht nur das. Es ist nach allem, was dem Rechtsstaat während der Corona-Hysterie zugemutet wurde, ein weiterer Schritt zu dessen Abschaffung. Was (manchen) nicht gefällt, soll ganz einfach verboten werden. Totalitarismus in Reinkultur. Gerechtfertigt wird so ein absurder „Vorstoß“ – wie immer – mit Sicherheitsbedenken. Weil sich ein armer Tropf im Jahr mit einem in der Bundesrepublik Deutschland ohnehin illegalen „Polen-Böller“ beide Unterarme wegsprengt, sollen über achtzig Millionen Menschen ans Gängelband genommen werden.

Nachdem Christian Hensen vom Qualitätsmedium Stern noch an Neujahr in einer ergreifenden Jeremiade ein Verbot jedweder privaten Pyrotechnik zu Silvester gefordert und seine kompromisslose Haltung unter anderem damit begründet hatte, dass Kracher nervig seien, gingen bei dem Magazin zahlreiche Zuschriften aufgebrachter Leser ein. „Viele Einsendungen hatten einen rassistischen Hintergrund“ und wurden deshalb nicht veröffentlicht, aber unter den veröffentlichten Zuschriften sind nicht wenige, deren Verfasser den richtigen Ton treffen. So etwa Lutz R., der schreibt: „Es ist an der Zeit diese ständigen Gängeleien sein zu lassen. ‚Das muss her‘. Nur weil einmal im Jahr das alte Jahr vertrieben wird und Platz für ein neues Jahr gemacht wird, muss überhaupt nichts verboten werden. Mit dem gleichen Recht könnten Sie das Autofahren abschaffen und auch Spaziergänge im Wald können gefährlich sein. Kurz wir müssen das Leben an sich abschaffen damit keiner mehr zu schaden kommen kann. Was für ein Unsinn, dem Sie hier Tür und Tor öffnen wollen.“

Ebenso besonnen ist die Zuschrift eines Uwe M., der fragt, wo die Grenze gezogen werden solle, wenn alles verboten werde, was andere Leute störe. Er spricht sich für mehr Toleranz aus. Und Thomas T. konstatiert bissig: „Sie sind genervt von der Böllerei? Ich bin genervt von dauernd bellenden Hunden, von Hundekot in Kinderspielplätzen; ich bin genervt vom Drogenhandel rund um Bahnhöfe in Deutschland. Silvester ist einmal im Jahr.“



Aber es gibt offenbar auch Leser, die ein Böllerverbot begrüßen würden. Cornelia S. schreibt beispielsweise: „Ich stimme Ihnen in vollem Umfang zu. Auch in Anbetracht des Krieges in der Ukraine finde ich dieses Feuerwerkgeknalle unverantwortlich. Vielleicht könnte der Stern eine Unterschriftensammlung starten und sie unserer Regierung übergeben. Ich kenne niemanden mehr, der diese unkontrollierte Knallerei befürwortet.“

In was für einer Blase lebt diese Cornelia? Inwiefern es „unverantwortlich“ sein soll, an Silvester zu böllern, während in der Ukraine Krieg herrscht, erschließt sich mir nicht. Einen kausalen Zusammenhang mit einem negativen künftigen Ereignis, das auf diese postulierte „Unverantwortlichkeit“ zurückzuführen sein wird, zeigt sie nicht auf. Interessant ist, dass die sieben veröffentlichten Contra-Verbots-Leserbriefe allesamt von Männern verfasst wurden, während die drei Pro-Verbots-Zuschriften sämtlich von Frauen stammen. Ich hege den naheliegenden Verdacht, es habe nicht viel mehr als diese drei zustimmenden Zuschriften gegeben. Weshalb hätte sich sonst ein Redakteur dazu entschieden, mehr als doppelt so viele Leserbriefe von Personen zu veröffentlichen, die seine Meinung nicht teilen, statt ganz einfach Parität walten zu lassen?

Die ganze Verbotsdebatte ist eine Farce – und sie wird von den üblichen Verdächtigen aufgeführt. Statt diejenigen, die Feuerwehrleute und Sicherheitskräfte angegriffen haben, mit der vollen Härte des Gesetzes zu bestrafen, sollen unbescholtene Bürger mit einem weiteren Verbot belegt werden. Kollektivbestrafungen sind nur beim Militär sinnvoll und selbst dort sind sie mittlerweile in vielen Ländern – jedenfalls offiziell – nicht mehr gebräuchlich. Sollte das Böllerverbot tatsächlich kommen, werde ich vielleicht erstmals nach zwei Jahrzehnten wieder böllern.

Gesetze sind dafür da, um die Freiheitsrechte der Bürger zu garantieren, solange sie durch das Wahrnehmen dieser Rechte niemandem bewusst Schaden zufügen. So oder so ähnlich hätte es wohl der große Liberale Frédéric Bastiat ausgedrückt. Oder John Stuart Mill. Wo das Gesetz missbraucht und in sein Gegenteil pervertiert wird, fühle ich mich nicht mehr daran gebunden. In diesem Sinne: Lasst es krachen!

Jonathan Stumpf

Jonathan, dem der Libertarismus als geborenem Ami eigentlich in die Wiege gelegt wurde, benötigte dennoch einige Umwege und einen Auslandsaufenthalt an der Universiteit Leiden, um sich diese politische Philosophie nachhaltig zu eigen zu machen. Zuvor hatte er bereits im Bachelor auf Staatskosten zwei Semester in Rumänien zugebracht. Wie jeder Geistes- oder Kulturwissenschaftler mit Masterabschluss, der etwas auf sich hält, bewegt Jonathan etwas in unserem Land. In seinem Fall sind es Container. Er hat im Sommer 2021 als Decksmann auf einem Containerschiff angeheuert.

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