Der Sinn von Trumps Zollpolitik

7. April 2025
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Am 2. April 2025 sorgte Donald Trump für weltweites Aufsehen: Er kündigte einen pauschalen Zoll von mindestens 10 % auf alle Importe an. Für Waren aus der Europäischen Union soll ein spezifischer Zollsatz von 20 % gelten, was eine deutliche Steigerung gegenüber dem bisherigen Durchschnitt von 3,5 % darstellt. In Deutschland rief diese Ankündigung Schock und Empörung hervor. Altmedien, Politiker der Kartellparteien und Hofökonomen brandmarkten Trumps protektionistischen Kurs als irrational und stellten gar seine geistige Gesundheit infrage. Doch ein genauer Blick auf die Zahlen und die strategischen Ziele zeigt: Trumps Zollpolitik ist kein Wahnsinn, sondern ein kalkulierter Schachzug, um Handelsungleichgewichte zu korrigieren und die amerikanische Vorherrschaft im 21. Jahrhundert zu sichern.

Die Reaktionen in Deutschland waren vorhersehbar hysterisch. Politiker und Kommentatoren warnen vor einem wirtschaftlichen Desaster und sehen den globalen Handel bedroht. Doch haben sie recht, oder übersehen sie das größere Bild? Trumps Team argumentiert, die USA seien im Handel mit der EU seit Langem benachteiligt. Der Handelsbilanzdefizit mit der EU, obwohl seit 2020 geschrumpft – vermutlich durch wachsende amerikanische Digitalexporte und den industriellen Rückgang Deutschlands –, bleibt signifikant und schadet der US-Industrie. Ursachen seien strengere EU-Handelsbarrieren und ein unterbewerteter Euro, der europäischen Exporteuren einen künstlichen Vorteil verschafft.

Schauen wir auf die Daten: Die USA verzeichnen ein anhaltendes Leistungsbilanzdefizit mit der EU. Trumps Berater verweisen in der mittlerweile berühmt gewordenen Zoll-Tabelle, die Trump am 2. April 2025 im Rosengarten des Weißen Hauses hochhielt, und die behaupten, dass EU-seitige Kosten für US-Waren bis zu 39 % betragen – eine Rechtfertigung für den 20 %-Zoll als moderate Gegenmaßnahme. Wie genau diese Zahl zustande kommt, bleibt unklar. Der Durchschnittszoll liegt bei 4 % in der EU und 3,5 % in den USA – scheinbar ähnlich. Doch in Schlüsselbranchen wie Autos (10 % EU vs. 2,5 % USA), Lebensmitteln und Chemikalien klafft eine Lücke von 3 bis 3,5 Prozentpunkten.

Hinzu kommt die Währungsfrage. Laut Kaufkraftparitätsanalyse ist der US-Dollar gegenüber dem Euro um etwa 15 % überbewertet, was amerikanische Exporte in der Eurozone verteuert. Der unterbewertete Euro macht europäische Waren in den USA dagegen 13 % günstiger – ein klarer Handelsvorteil für die EU. Doch der wahre Knackpunkt sind nichttarifäre Handelshemmnisse (NTBs): Quoten, Subventionen, strenge Vorschriften und Bürokratie – heutzutage insbesondere durch die in der EU zunehmend strengen Sorgfaltspflichten im Bereich unternehmerischer Sozialverantwortung, „grüner“ Nachhaltigkeit und Klimaschutz. Trumps Team schätzt wohl, dass NTBs die Kosten für US-Waren in der EU um 20 % steigern. Studien wie die von wiiw-Ökonom Mahdi Ghodsi beziffern NTBs zwar nur bei 2,8 %, doch selbst mit 4 % Zoll und 15 % Währungseffekt ergibt sich eine Gesamtbelastung von etwa 21 % – mehr als die neuen US-Zölle auf EU-Waren.

Für europäische Exporteure in die USA liegen die NTBs bei nur 1,8 %, kombiniert mit einem 3,5 %-Zoll und dem 13 %-Währungsvorteil ergibt sich eine Belastung von 4 % oder gar ein Vorteil von -8 %. Selbst mit dem neuen 20 %-Zoll bleibt die EU-Belastung bei 9 bis 20 % – immer noch unter den 21 %, die US-Exporteure in der EU tragen. Aus Sicht eines fairen Spielfelds erscheint Trumps „Zollhammer“ also durchaus begründet.

Trumps Zollpolitik verfolgt drei klare Ziele:

  1. Reindustrialisierung: Durch Anreize für heimische Produktion und Rückverlagerung von Lieferketten will Trump die US-Industrie beleben. Historisch war Protektionismus – von Alexander Hamilton bis zum Industrieboom des 19. Jahrhunderts – ein Erfolgsrezept der USA. Und mit nur 25 % Außenhandel am BIP (Deutschland: 83 %) können die USA Retorsionszölle leichter verkraften.
  2. Steuersenkungen: Trump versprach, den Einkommenssteuersatz zu kürzen und die Körperschaftssteuer von 21 % auf 15 % zu senken – nach der Reduktion von 35 % im Jahr 2018. Statt amerikanische Firmen zu belasten, setzt er auf Zolleinnahmen von ausländischen Akteuren – im Gegensatz zu Deutschlands 30 %-Unternehmensbesteuerung.
  3. Haushaltsreform: Mit einer Staatsverschuldung von 127 % des BIP (36 Billionen USD) sollen die höheren Zölle bis zu 600 Milliarden USD jährlich einbringen – ein Sprung von 79 Milliarden im Jahr 2024. Doch selbst das deckt nicht die Ausgaben für Verteidigung (841 Milliarden) und Zinszahlungen (882 Milliarden). Trump fordert von Verbündeten daher 5 % des BIP für Verteidigung – weit über dem bisherigen NATO-Ziel von 2 %.

Die geplanten Steuersenkungen verschärfen jedoch das Problem der Staatsverschuldung. Am Ende wird selbst Trump diese durch neue Schulden finanzieren müssen, was die Verschuldung auf geschätzte 143 % des BIP treiben wird. Die Zinszahlungen, die bereits den drittgrößten Anteil des Bundeshaushalts verschlingen und inzwischen sogar höher ausfallen als die Verteidigungsausgaben der USA, erfordern dringend Strategien, um die durchschnittlichen Zinsen auf die Schulden zu senken. Dazu sollen neue ultra-langfristige US-Staatsanleihen ausgegeben und die Nachfrage globaler Investoren gesteigert werden. Fast ein Viertel der US-Schulden wird von ausländischen Akteuren gehalten, etwa Deutschland mit knapp 100 Milliarden USD. Trumps Team muss diese Investoren überzeugen, ihre Bestände zu erhöhen, um die Finanzierungskosten zu stabilisieren und eine Schuldenkrise zu vermeiden.

Ein Anstieg der Nachfrage nach US-Staatsanleihen würde jedoch den Dollar stärken, da globale Investoren mehr Dollar kaufen müssten. Ein teurerer Dollar verteuert US-Exporte, was Trumps Reindustrialisierungsziel untergräbt, während Importe aus Ländern wie China oder der EU günstiger würden. Das Handelsdefizit könnte wachsen, und die Schutzwirkung der Zölle würde geschwächt – ein Dilemma, das eine kreative Lösung erfordert.

Ein Kernproblem ist der überbewertete US-Dollar. Als Weltreservewährung ermöglicht er den USA günstigere Staatsverschuldung, den Export von Inflation und globale Machtprojektion durch exterritoriale Finanzsanktionen, doch er verteuert US-Exporte und schwächt die amerikanische Industrie. Trumps Berater Stephen Miran, der die Idee im November 2024 bei Hudson Bay Capital vorschlug, sieht im „Mar-a-Lago Accord“ die Antwort. Dieser erinnert an den Plaza Accord von 1985 und verfolgt drei zentrale Ziele: die Schaffung günstigerer Bedingungen für die US-Staatsverschuldung, die Reduktion der Dollar-Überbewertung sowie eine Senkung der amerikanischen Verteidigungskosten. Miran argumentiert, dass die Überbewertung des Dollars den industriellen Niedergang beschleunigt, während die Vorteile des Dollar-Reserve-Status – wie günstigere Verschuldung und globale Machtprojektion über Sanktionen – zunehmend ins Hintertreffen geraten.

Der Mechanismus des Accords sieht vor, ausländische Gläubiger dazu zu drängen, US-Staatsanleihen in ultralangfristige „Jahrhundertanleihen“ (100 Jahre) mit minimalen Zinsen umzuwandeln, wodurch die Refinanzierungskosten gesenkt, die Nachfrage nach kurzfristigen Dollaranleihen gedämpft, der Dollar geschwächt und die Exportwettbewerbsfähigkeit der USA gestärkt wird. Zudem könnte Washington eine künstliche Euro-Aufwertung erzwingen, etwa durch eine Koordination der Zentralbanken. Neben den drastisch angehobenen Zöllen baut Trump auch mit der Drohung, den US-Militärschutz abzuziehen, seine Verhandlungsmasse auf.

Im Gegenzug – also für den Kauf langfristiger US-Staatsanleihen, die künstliche Aufwertung eigener Währungen und höhere Verteidigungsausgaben zugunsten der Pax Americana – stellt Trump eine Absenkung der US-Zölle in Aussicht.

Trumps Team verkauft dieses Packet als „gerechtere Lastenverteilung“. Es ist jedoch eine kalkulierte und perfide Strategie, um die fortwährende globale US-Führung zu festigen und „Verbündete“ – insbesondere Deutschland und Europa – tiefer in finanzielle Abhängigkeit und transatlantische Vasallität zu drängen. Europa wird gezwungen, einen höheren wirtschaftlichen Tribut zu leisten, indem es nicht nur die US-Staatsverschuldung finanziert, sondern auch mehr Verantwortung für Verteidigung übernimmt, um das Überleben des schwindenden US-Imperiums zu verlängern.

Weit davon, ein Irrer oder Dummer zu sein, ist Trump ein strategisches Genie, das mit wirtschaftlichen, finanziellen und geopolitischen Mitteln entschlossen die US-Interessen vorantreibt, wobei seine Politik – insbesondere in Handel, Steuern und industrieller Wiederbelebung – kompromisslos im „America First“-Dogma verwurzelt ist und amerikanischen Wohlstand sowie Macht über alles stellt.

Für deutsche Patrioten, etwa jene der AfD, ist Trump zwar ein potenzieller Verbündeter im kulturellen Kampf gegen globalistische Ideologien wie Wokismus, doch kein Partner bei der Verteidigung deutscher wirtschaftlicher oder politischer Souveränität, da er finanzielle Lasten auf Verbündete abwälzt und unter dem Deckmantel fairer Lastenteilung wirtschaftliche Zugeständnisse erzwingt. Deutsche Patrioten sollten daher die Illusion vermeiden, dass eine Allianz mit Trump automatisch deutschen Interessen dient – das tut sie nicht. Stattdessen muss Deutschland seinen eigenen Weg gehen, um nationale Souveränität wiederherzustellen, industrielle Kapazitäten aufzubauen und Abhängigkeiten – sei es von Brüssel oder Washington – zu überwinden. Langfristig erfordert dies strategisches Denken, Eigenständigkeit und den politischen Willen, „Deutschland zuerst“ zu setzen – inspiriert von Trumps Ansatz, jedoch unabhängig in Inhalt und Umsetzung.

Jurij Kofner

Als Russlanddeutscher aus München hat Kofner nicht nur den Vorteil, zwei Kulturen zu verstehen, sondern auch nach seinem Wirtschaftsstudium zwischen deutschen, österreichischen und russischen Forschungsinstituten gewandelt zu haben. Geopolitisch träumt er von einem souveränen Deutschland, das zwischen Lissabon und Wladiwostok wirtschaftlich brilliert, während er ideologisch den libertären Rechts-Populismus aus Amerika abfeiert.

2 Comments Schreibe einen Kommentar

  1. Sehr schöner Artikel, der Trumps Kalküle, aber auch die Zielkonflikte erhellt, die in jeder Wirtschaftspolitik liegen. Es bleibt natürlich ein Ritt auf der Rasierklinge, weil keinesfalls sicher ist, dass die Rechnung am Ende aufgeht.

    Und die Trump-Kultisten im patriotischen Lager seien an das Zitat von Egon Bahr erinnert: „In der internationalen Politik geht es… um die Interessen von Staaten.“ Oder (vermutlich) Charles de Gaulle: „Staaten haben keine Freunde, nur Interessen.“

    Einsichten aus dem letzten Jahrhundert, die heute kaum noch erreicht werden.

  2. Man sollte nicht übersehen, dass die Amis sich über die Einfuhr-Umsatzsteuer monieren, die letztendlich alle in der EU zahlen. Die Amis versuchen diese Steuer wie eine Zollbeschränkung aussehen zu lassen, um in der EU einen Vorteil zu haben.

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