Die Freiheit, die ich meine

4. Mai 2025
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Freiheit ist die Abwesenheit von Zwang. Diese knappe Definition ist vollkommen ausreichend, und alle Versuche, dieser „negativen Freiheit“ eine „positive Freiheit“ gegenüberzustellen und zu behaupten, diese sei der ersteren vorzuziehen, müssen im Ergebnis eine Abschaffung von Freiheit zur Folge haben. „Positive Freiheit“ gibt es nur als Zwillingsschwester der Unfreiheit. Während der klassische Liberalismus nur ein Menschenrecht (und alle logisch aus diesem ableitbaren Rechte) kennt, nämlich das Recht darauf, in Ruhe gelassen zu werden, haben sogenannte Linksliberale eine ganze Reihe weiterer „Rechte“ oder „Freiheiten“ konstruiert, für deren Durchsetzung das Recht darauf, in Ruhe gelassen zu werden, unentwegt missachtet wird.

Liberale oder Libertäre wissen, dass die Ungleichheit der Preis der Freiheit ist, „Linksliberale“ möchten Gleichheit um jeden Preis. Anna Schneider, eine der angenehmsten Kolumnistinnen der deutschen Presselandschaft, schreibt deshalb in ihrem Buch „Freiheit beginnt beim Ich“:

„Allein das Wort ‚linksliberal‘ beschreibt eine Unmöglichkeit – wer liberal ist, ist nicht links, und wer links ist, ist nicht liberal.“

Bissig fügt sie noch hinzu, niemand brauche „gelbe Sozialdemokraten“. Zwar bin ich ebenfalls der Auffassung, Umverteilung gehe grundsätzlich mit Zwang einher, und würde es begrüßen, wenn sich der Staat mehr auf seine Kernkompetenzen Verteidigung, Innere Sicherheit und Infrastruktur beschränken würde, statt immer mehr Ver- und Gebotsgesetze zu produzieren, aber einer uneingeschränkten Herrschaft des Marktes rede ich nicht das Wort. Wo dem Staat nicht gestattet wird, in Ausnahmesituationen in das freie Spiel der Kräfte einzugreifen – etwa um die Bildung von Kartellen und Monopolen zu verhindern –, führt der Weg geradewegs in eine totale Herrschaft der multinationalen Konzerne und somit potenziell in eine neue Form der Unfreiheit. Auf ein Kartellamt sollte daher auch ein libertäres Gemeinwesen nicht verzichten. Nationalstaaten sind die einzigen Akteure, die der Macht von Konzernriesen heute noch etwas entgegenzusetzen haben.

Ein Beispiel für eine notwendige Intervention des Staates stellt beispielsweise das Verbot von Blei in Benzin dar. Als der Besitz von Automobilen in den Vereinigten Staaten in den 1950er und 1960er Jahren stark zunahm, vervielfachte sich auch die Menge des mit den Abgasen in Kniehöhe ausgestoßenen giftigen Schwermetalls. Es begann, sich in den Körpern von Millionen von Menschen anzureichern. Obwohl es bereits sehr früh Hinweise auf die gesundheitsschädigende Wirkung des bleihaltigen Benzins gab, machten die Raffinerien keine Anstalten, etwas an der Situation zu ändern. Zwar stieß Jimmy Carters Administration eine teilweise Rückkehr zu unverbleitem Benzin an, doch wurde dieser Prozess unter Ronald Reagan beinahe wieder umgekehrt, als dieser es der Umweltschutzbehörde erschwerte, neue Regulierungen einzuführen und bestehende Regulierungen durchzusetzen. Erst die gemeinsamen Bemühungen einer Gruppe von republikanischen und demokratischen Kongressabgeordneten führten zum endgültigen Durchbruch, sodass ab den 1990er Jahren schließlich kein verbleites Benzin mehr an amerikanischen Zapfsäulen erhältlich war. In Deutschland beschloss die Bundesregierung eine Einführung des bleifreien Benzins zum 1. Januar 1986, aber die meisten Autofahrer griffen – auch aus Kostengründen – noch jahrelang zum verbleiten Sprit. Europaweit wurde das bleihaltige Benzin erst im Jahr 2000 verboten.

Wenn ein Autofahrer mit der Wahl des verbleiten Benzins nur sich selbst schaden würde, spräche nichts zwingend dafür, diesen Sprit vom Markt zu nehmen, da jedoch alle von den negativen Folgen betroffen sind und darüber hinaus die Umwelt massiv Schaden nimmt, muss der Staat handeln, wenn die Raffinerien und Tankstellen kein Einsehen haben. Allerdings sollte man diesen staatlichen Eingriff als eine Form legitimen Zwangs bezeichnen, die die absolute Ausnahme bleiben muss.

Keine Ausnahmen und keine Kompromisse darf es in einem freien Gemeinwesen hingegen hinsichtlich der Meinungs- bzw. Redefreiheit geben. Jeder sollte das Recht haben, Unsinn zu verzapfen. Die Freiheit, die ich meine, erschöpft sich nicht in der Freiheit von Unternehmern, sondern dient dem mündigen Bürger als veritables Abwehrrecht gegen einen potenziell übergriffigen Staat. Mir persönlich wäre es sogar weitaus lieber, von „roten Libertären“ oder „gelben Sozialdemokraten“ regiert zu werden, als in einem wirtschaftsliberalen Staat eine Einschränkung der Redefreiheit hinnehmen zu müssen. Niemand verkörpert den freiheitlichen Sozialisten, den es nach Anna Schneider nicht gibt, so gut wie George Orwell.

In meinem Traum von der freien Republik als einer wahrhaft liberalen Demokratie gibt es keine Parteiverbote, keine Einschränkung der Meinungsfreiheit, keinen Impfzwang und keine strafbewehrte „Beleidigung“ oder „Delegitimierung des Staates“. Die Freiheit, die ich meine, schließt das Recht ein, die Deutschen UND JEDES ANDERE VOLK als „Köterrasse“ zu bezeichnen, fremde Staatsoberhäupter zu schmähen, an einem Christopher-Street-Day oder an einer Gegendemonstration teilzunehmen, nackt durch die Stadt zu laufen, Passanten in der Fußgängerzone vor Aliens oder der Katholischen Kirche zu warnen, den Koran zu verbrennen, ein Gedächtnis-Konzert für Lenin zu organisieren oder für die Errichtung eines Matriarchats einzutreten. Aber bitte alles gewaltlos.

Volksverhetzung und Beleidigung sowie die Leugnung offenkundiger Tatsachen, von denen jeder Mensch mit einem IQ über 80 weiß, dass sie passiert sind, sollten nicht strafbar sein. Wer eine antisemitische Parole an eine Synagoge schmiert, sollte wegen Sachbeschädigung belangt werden, nicht wegen seiner (zugegebenermaßen ekelhaften) Gesinnung. Gesinnungsjustiz ist eines freien Staates unwürdig.

Jonathan Stumpf

Jonathan, dem der Libertarismus als geborenem Ami eigentlich in die Wiege gelegt wurde, benötigte dennoch einige Umwege und einen Auslandsaufenthalt an der Universiteit Leiden, um sich diese politische Philosophie nachhaltig zu eigen zu machen. Zuvor hatte er bereits im Bachelor auf Staatskosten zwei Semester in Rumänien zugebracht. Wie jeder Geistes- oder Kulturwissenschaftler mit Masterabschluss, der etwas auf sich hält, bewegt Jonathan etwas in unserem Land. In seinem Fall sind es Container. Er hat im Sommer 2021 als Decksmann auf einem Containerschiff angeheuert.

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