Dunkel
Hell
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Fürchte nicht den Tod

17. Februar 2023
in 3 min lesen

Von Nero Campanella

Von Sigmund Freud stammt der Satz, dass im Grunde niemand an seinen eigenen Tod glaube und „im Unbewussten“ jeder „von seiner Unsterblichkeit überzeugt“ sei – was der Atheist Freud nicht theologisch meinte. Heute findet man tatsächlich Menschen, die sogar bei vollem Bewusstsein von ihrer Unsterblichkeit überzeugt sind. Für Linda Chamberlain etwa von der amerikanischen Alcor Life Extension Foundation ist der Tod, wie sie kürzlich in einem Interview frohbotschaftlich verkündete, nur „ein technologisches Problem“. Chamberlain ist Gründerin der Kryonik-Organisation, deren „Patienten“ – um nicht das hässliche Wort „Leiche“ zu verwenden – mit Frostschutzmittel in den Adern bei minus 196 Grad Celsius, in einem Stickstofftank stehend, eingefroren oder, wie es fachsprachlich heißt, „vitrifiziert“ werden.

In einer technologisch fortgeschrittenen Zukunft, die man keinesfalls versäumen möchte, sollen die kostbaren, wenn auch meist greisen Körper (wer lässt sich schon mit dreißig einfrieren?) endlich auferweckt werden – von Göttern in Weiß. Auch in Deutschland vernetzen sich „Kryonik-Interessierte“ zum Beispiel in der Deutschen Gesellschaft für angewandte Biostase und die ersten Unsterblichen des Berliner Unternehmens Tomorrow Bio, das seit drei Jahren besteht, sind inzwischen bereits „eingelagert“ – „ab 45 Euro pro Monat“, ein profitabler Preis, wenn man bedenkt, dass die Pseudowissenschaft Kryonik über das Stickstoff-Abo wohl sehr lange nicht hinauskommen wird …

Aber muss sie das überhaupt? Nein, die Kunden zahlen nur vordergründig für die künftige Technik und eigentlich für den Frieden, den sie jetzt schon mit dem Tod zu machen wähnen. Ein friedlicher Tod, als „guter Tod“ schon lange Ziel der Sterbehilfe, genügt nicht mehr; mit dem Tod – dem letzten Wort der Natur, man kann auch sagen: Gottes in der Moderne – gibt es keinen Frieden, solange es ihn gibt. Man muss ihn abschaffen. Nach dem Tod der Kirche und dem Tod Gottes bleibt der Tod des Todes die letzte Lebensaufgabe der westlichen Profanisierung.

Bis diese Aufgabe gelöst ist, gilt es, den großen Endgegner in tröstliches Kulturgehege einzufrieden und wenigstens die psychischen Verluste gering zu halten. Ohne Religion ist das nur durch Verdrängung möglich, Ablenkung, Leugnung, Heuchelei. Besondere Funktion kommt hierbei den Begräbnisstätten zu, Friedhöfen und -wäldern, die die Befriedung schon im Namen tragen und von denen letztere zu einem deutschen Trend geworden sind: formlos, sparsam, alternativ und simpel – man will genauso unbestimmt begraben werden wie man gelebt hat, von einer Leere in die nächste umgebettet, ohne doofes „Dein Leib war Gottes Tempel“.

Mann, du Alles auf Erden…


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Dass der Verlust doch irgendwie geliebter Menschen dabei gar nicht schwerer fallen muss als ihre Gegenwart, hörte ich kürzlich von Bekannten nicht zum ersten Mal: Die Trauerfeier für einen Freund, der nach plötzlichem Herztod in einem Friedwald bestattet wurde, wo man zu seinen Lieblingsliedern von Abba, Pink Floyd und den Rolling Stones die biologisch abbaubare Lignin-Urne in geringer Tiefe neben einer Birke verbuddelte, an der „nur ein ganz kleines Schildchen“ quasi allegorisch an sein Leben erinnerte, sei „überhaupt nicht belastend“ gewesen – nein, sogar „im Gegenteil“. Wie schwer, überlegte ich, muss ein Mensch zu ertragen gewesen sein, wenn man sich nach seinem Verlust sogar erleichtert fühlt?

Als ich vorsichtig nachfragte, widersprach man mir aber. Selbst der Abschied von geliebten Menschen, muss ich folgern, kann heute im Wellness-Spektrum heruntercommittet werden. Und der Tod, nicht transzendenter mehr als eine Sperrmüllentsorgung, ist als kaum noch gedachter Gast selbst bei Bestattungen derart unauffällig geworden, dass man – sofern er nur die Leben anderer beendet – ganz selbstverständlich davon auszugehen scheint, er sei nur ein weiterer pazifistischer Zeitgenosse, der ökologisch denkt, Minderheiten schont und Popmusik hört – und nicht dieser anstrengende Düsterling, den man mit dem Mittelalter und der Pest verbindet.

Mit ihm, den man in der Moderne nur als Grenze und Gegner begreifen kann, wird unsre letzte Offenheit entsorgt, die letzte Zuflucht aller Transzendenz – denn auch der Atheist muss zweifeln, ob sein postmortales Nichts tatsächlich eintritt oder ihn nicht doch, o mein Gott!, gehörnte Rothäute mit Dreizack vom OP-Tisch in den Keller tragen.

Die letzte Tür aus dieser Welt, hinter der noch alles möglich war, wird uns Unsterblichen und Todvergessenen verschlossen, das Diesseits wird – nein, nicht zum Kerker, nur zur Materievollzugsanstalt, natürlich mit Reformkonzept, gewaltfrei und im „offenen Vollzug“.

Gastautor

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