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Peter Jülich, CC BY-SA 4.0, Wikicommons

Kippt die Stimmung?

11. April 2023
in 3 min lesen

„Faesers Realitätsverlust könnte die Stimmung im Land kippen“, las ich heute im Café auf dem Bildschirm der Dame vor mir. Ungewöhnlich, dass ältere Frauen, die sich einen Chai Latte bestellen und auch genau so aussehen, den Online-Auftritt der „Bild“ ansehen, dachte ich mir. Mit ein wenig Hoffnung und zusammengekniffenen Augen konnte ich erkennen, dass die angeblich kippende Stimmung am fehlenden Geld für Kommunen und einer ebenso fehlenden Migrations-Obergrenze liege. Zu meiner weiteren Überraschung nahm ich bei der Dame sogar ein Augenrollen wahr, das ich als eine Geste der Abneigung gegenüber unserer Innenministerin interpretierte. Diese Reaktion schien die Überschrift der „Bild“-Zeitung zu bestätigen, dem einfachen Volk reiche es jetzt wohl endgültig.

Ich malte mir schon ein Szenario aus, in dem sie Fackeln und Heugabeln aus ihrem Gartenhäuschen kramt und für mehr Geld für ihre Kommune auf die Straße geht. Begleitet werden würde sie von ihren Nachbarn unter „Wir sind das Volk!“-Rufen oder Ähnlichem. Am nächsten Tag würde auf allen Sendern ein Sonderbericht kommen, der von der populistischen Vereinigung berichtet, die Flüchtlinge hasst und in nationalistischer Manier all das erbeutete Geld für sich behalten will. Die negative Berichterstattung würde den Protest wahrscheinlich im Keim ersticken, denn niemand will als so rückschrittlich gelten – nachher ist man noch ein Querdenker, ein Schwurbler, ein fremdenfeindlicher Teil des Mobs oder des Packs. Auf jeden Fall aber wäre jeder von ihnen ein Populist, denn die ungeliebten Forderungen des einfachen Volks sind qua Definition populistisch, seien sie noch so begründet.

Nein, Faesers Realitätsverlust würde die Stimmung im Land nicht zum Kippen bringen können. Da bräuchte es schon mehr. Eine riesige Flüchtlingswelle, Ausgangsverbote nach 22 Uhr abends, unbezahlbarer Strom oder so etwas. Die Regierung und ihre linksradikale Ideologie müssten sich nicht nur unbeliebt machen, sondern sich als so richtig weltfremd outen. Straßen müssten für das Klima blockiert werden, die „Tagesschau“ müsste vergessen, dass es Mütter gibt, und von „gebärenden Personen“ sprechen. So oder so ähnlich! Dem Volk müsste mal so richtig gezeigt werden, dass es an der Nase herumgeführt wird. Nach einem großen Schluck Kaffee las ich auf meinem eigenen Handy, dass Robert Habeck zu Besuch in der Ukraine war und dort erklärte, er halte den ukrainischen Atomstrom für in Ordnung, solange die Sicherheit der Atomkraftwerke gewährleistet sei.

Mit einem lachenden und einem weinenden Auge steckte ich das Handy wieder ein. Gerade nach der besinnlichen Osterzeit sollte man sein Gemüt nicht zu sehr mit der aktuellen Tagespolitik belasten. Genau deshalb war ich ins Café gegangen, um für kurze Zeit meine Ruhe zu haben. Mein Blick fiel also wieder auf die ältere Dame, die sich inzwischen lustige Katzenvideos anschaute.


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Nun war ich mir natürlich sicher, dass die Stimmung im Land nicht so einfach kippen würde. Katzenvideos würden das Volk ablenken. Als ich so dasaß, dachte ich noch einmal über die vergangenen Ostertage nach und wurde nostalgisch. Ziemlich genau vor zwei Jahren musste ich noch illegal rüber nach Deutschland machen, um Ostern illegalerweise mit meiner Familie zu feiern. Die meisten der inzwischen Geimpften, Genesenen oder Gestorbenen hat auch das nicht groß gestört, nicht einmal, als sie sich erst kürzlich von Karl Lauterbach anhören mussten, dass die Pandemie doch sehr glimpflich verlaufen sei. Na ja, ich sollte mich nicht aufregen. Immerhin ist die Pandemie vorbei, und ich konnte sogar die Stromnachzahlungen neulich irgendwie bewerkstelligen. Es gab noch mehr positive Nachrichten, auf die man sich konzentrieren könnte: Die frisch errichteten Messerverbotszonen würden die gestiegenen Straftaten aus der kürzlich veröffentlichten „Polizeilichen Kriminalstatistik“ bestimmt drücken.

Bevor ich das Café verließ, fragte ich die ältere Dame, die sich inzwischen über eine Zeitung gebeugt hatte, was es denn für Neuigkeiten gebe. Sie antwortete, nicht ohne Freude über die Beachtung, die ich ihr schenkte: „Das Gleiche wie immer, und trotzdem wird‘s immer schlimmer.“ Auf dem Nachhauseweg machte ich mir über diesen Satz noch einige Gedanken. Die einfachen Menschen merken, dass etwas schiefläuft, sie haben anscheinend einfach keine Lust, als Populisten zu gelten. Man kann seine eigenen Ansichten noch so wohldurchdacht und vorsichtig äußern, wenn die Medien eine Meinung der Mehrheit nicht mögen, dann ist man eben Populist.

Die Stimmung im Land kann deshalb wohl nur in einem ganz speziellen Fall langsam kippen: wenn es der Mehrheit egal wäre, ob sie mit ihrer Meinung als populistisch gilt. Und wenn die Stimmung erst einmal gekippt ist? Die Fackeln und die Heugabeln werden natürlich trotzdem zu Hause bleiben. Man wird wieder konservativer wählen, und vielleicht schafft es die CDU wie jüngst in Berlin mal wieder in eine Regierung. Dort wird es nach dem ausgehandelten Koalitionsvertrag nun in allen zwölf Bezirken einen „Queer-Beauftragten“ als Vollzeitarbeiter geben. Das Wahlalter wird auf 16 gesenkt, und ein „Internationaler Tag gegen Islamfeindlichkeit“ wird ausgerufen – Entscheidungen, die bestimmt nicht populistisch sind, denn eine Mehrheit erachtet sie mit Sicherheit für realitätsfern. Queer-Beauftragte, Islam und Klima werden wohl die Schlagzeilen sein, über die ich bei künftigen Cafébesuchen stolpern werde. Ob die Stimmung dann irgendwann noch weiter kippen wird? An Ostern schöpft man neue Hoffnung, warum also nicht! Wenn schon Cafébesuche und die Schlagzeilen der „Bild“-Zeitung den Populismus befeuern, dann kann die Realität, die von der Regierung geschaffen wird, das allemal.

PhrasenDrescher

Der Phrasendrescher - wie könnte es anders sein - promoviert derzeit interdisziplinär in der Philosophie und der Politikwissenschaft. Als glühender Verehrer von Friedrich Nietzsche weiß er, dass man auch Untergänge akzeptieren muss und arbeitet bereits an der Heraufkunft neuer, stärkerer Werte.

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