Kriegsgeschrei im Schuldenstaat

21. März 2025
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In den Verschuldungsplänen von Union, SPD und Grünen, die nahezu eine Billion Euro betragen, steht die Aufrüstung der Bundeswehr an oberster Stelle. Künftig sollen sämtliche Verteidigungsausgaben oberhalb von 1,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von der Schuldenbremse ausgenommen werden, so daß der Wehretat theoretisch unbegrenzt erhöht werden kann. Damit wäre Polens Regierungschef Donald Tusk seinem Ziel einen entscheidenden Schritt nähergekommen – der Umsetzung des Appells an die europäischen Partner, besser zusammenzuhalten und mehr in die eigenen Kräfte zu investieren. Noch Anfang März hatte Tusk im Abgeordnetenhaus Sejm erklärt:

„Ich wiederhole noch einmal, was unglaublich erscheint, aber wahr ist: 500 Millionen Europäer flehen 300 Millionen Amerikaner an, uns vor 180 Millionen Russen zu schützen, die seit drei Jahren nicht in der Lage sind, mit 40 Millionen Ukrainern fertig zu werden.“

Polen, 38 Millionen Einwohner, geht voran: 2023 erhöhte es seinen Verteidigungsetat auf 3,8 Prozent des BIP, im letzten Jahr stieg das Budget sogar auf mehr als 4 Prozent, was rund 40 Milliarden Euro entsprach. Ziel ist, die Zahl der Soldaten, einschließlich Reservisten, auf 500.000 Mann zu erhöhen – und das alles ohne Wehrpflicht. Bereits in der Schule kommen viele Polinnen und Polen mit dem Militär in Berührung. Für die allgemeine Bevölkerung zwischen 18 und 65 Jahren gibt es Wochenendkurse, in denen gelernt wird, Granaten zu werfen, mit dem Gewehr umzugehen und medizinische Hilfe zu leisten.

Mittlerweile ist auch in Deutschland ein grundlegender Stimmungswandel eingetreten. Trumps Abwendung von Europa hat alle pazifistischen Träume wie Seifenblasen platzen lassen. Kaum jemand stellt in Frage, daß die seit Jahrzehnten politisch, moralisch und finanziell stiefmütterlich behandelte Bundeswehr wieder so weit instandgesetzt werden muß, daß sie ihren Daseinszweck der Landesverteidigung erfüllen kann. Hellhörig sollte den Bürger aber das immer lauter werdende martialische Geraune machen. So war am 18. März bei „Tichys Einblick“ zu lesen, der CSU-Politiker Manfred Weber, Vorsitzender der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament, sei der Meinung, daß wir „unser Denken in Europa auf Kriegswirtschaft umstellen“ müssen. Neben stärkeren Ausgaben für Verteidigung könne das beispielsweise auch bedeuten, daß Unternehmen, die bisher zivile Industriegüter hergestellt haben, in Zukunft Waffen produzieren könnten. Die europäischen Armeen, so Weber, sollten von einem europäischen Generalstabschef gemeinsam geführt und befehligt werden.

Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) will laut der „Augsburger Allgemeinen“ Krankenhäuser auf den Krieg vorbereiten:

„Die militärische Bedrohung Europas durch Rußland und die mögliche Abkehr des neuen US-Präsidenten Trump von der bisherigen Sicherheitspartnerschaft bedeuten auch massiven Handlungsbedarf für das deutsche Gesundheitssystem und die ganze Zivilgesellschaft.“

Roderich Kiesewetter (CDU), Obmann der Bundestagsfraktion der Union im Auswärtigen Ausschuß und Oberst a. D., verteidigte die exorbitanten Schuldenpläne in der ARD-Sendung „Hart aber fair“ vom 17. März damit, daß Rußland mittlerweile 40 Prozent seines BIPs für Rüstung aufwende und sich mithin in eine Kriegswirtschaft transformiert habe. Die Frage, ob Deutschland es Rußland gleichtun sollte, wurde bedauerlicherweise nicht gestellt. In ihrem Strategiepapier für den EU-Gipfel am 20. März behauptet Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, schon 2030 könnte Rußland angreifen, und fordert europäische Rüstungsprojekte in Höhe von 800 Milliarden Euro.

Noch ist rätselhaft, was das eigentümliche Kriegsgeschrei bezwecken soll. Fest steht indes, daß Umfang und Umstände der von Friedrich Merz und seinen Komplizen in SPD und Grünen bewerkstelligten Verschuldung ein Skandalon sondergleichen sind. Um die Lockerung der Schuldenbremse und die „Klimaneutralität bis 2045″ ins Grundgesetz aufzunehmen, war eine Zweidrittel-Mehrheit erforderlich. Diese wiederum war nur noch im alten, am 23. Februar abgewählten Bundestag vorhanden. Union, SPD und Grüne hatten indes keine Skrupel: Sie wählten den Weg, der wie Betrug anmutet. Schließlich hatten die Wähler gerade jene Parteien der „demokratischen Mitte“, die die parlamentarische Farce in Szene setzten, rigoros geschrumpft. Offenbar folgenlos.

Gegenwärtig liegt der Schuldenstand von Bund und Ländern bei rund 2,5 Billionen – angehäuft in mehr als sieben Jahrzehnten. Kommt da eine Billion hinzu, ist das eine Steigerung, für die Deutschland zuletzt 20 Jahre gebraucht hat. Leidtragende sind in erster Linie die Angehörigen der jungen und mittelalten Generation; sie werden für die enorm steigenden Zinszahlungen aufkommen müssen.

Unbestritten ist, daß Deutschland nicht nur in die Bundeswehr, sondern in die seit Jahrzehnten vernachlässigte Infrastruktur investieren muß, um die Wirtschaft wieder ins Laufen zu bringen. Insofern hat Nicolas Richter, Chef der Berliner Parlamentsredaktion der „Süddeutschen Zeitung“, recht, der am 17. März in einem Leitartikel schrieb:

„Das neue Schuldenpaket ist also eine Wette. Vielleicht ist es ein Impuls, der Deutschland und dessen politische Mitte erstarken lässt. Eine andere Deutung verkündet die AfD: Demnach hat sich die Union von Rot und Grün erpressen lassen, alle Überzeugungen preisgegeben und die Staatskasse geplündert – nur, um sich die Macht zu sichern. Ob sich die Deutschen dieser Sicht anschließen, ist ungewiss.“

Erstaunt über diese bislang ungewohnte Objektivität gegenüber den Rechten, ist der Autor dieser Zeilen davon überzeugt, daß die Deutung der AfD letztlich obsiegen wird.

Peter Kuntze

Kuntze wurde 1941 in Kiel geboren und hat nach Abitur und Wehrdienst eine verlagskaufmännische Lehre in Hamburg absolviert. Anschließend ein Redaktionsvolontariat in Ansbach. 1968 gelang ihm der Sprung nach München zur Süddeutschen Zeitung, wo er als außenpolitischer Nachrichtenredakteur sein Brot bis 1997 verdient hat. Nebenbei schrieb Kuntze etliche Kinderbücher, zwei Romane und acht politische Sachbücher über China. Seine konservative Wende geschah in den letzten Berufsjahren.

2 Comments Schreibe einen Kommentar

  1. Mir scheint, die Eliten in Politik, Kultur, Wirtschaft und Medien haben sich, im Lichte der modernen deutschen Geschichte geradezu standesgemäß, in ihren eigenen Weltanschauungen verrannt und werden sich mal wieder selbst ins Abseits stellen. Nach aus dem Rahmen fallendem Ende der DDR scheint dies nun wieder ganz traditionell militärisch zu erfolgen. Leben heißt Bewegung. Mir solle es Recht sein, denn anders scheint es in Deutschland leider nicht zu gehen.

  2. „Noch ist rätselhaft, was das eigentümliche Kriegsgeschrei bezwecken soll.“

    Ja, was könnte das bezwecken? Will Kriegsgeschrei die Bevölkerung für eine Gefahrenlage sensibilisieren oder empfänglich machen für einschneidende Maßnahmen, die für die Sicherheit leider unumgänglich sind. Dazu könnte neben banalen Milliardenausgaben für das eigene Militär und „völkerrechtswidrig angegriffene Staaten“ sowie für Nachrichtendienste (womöglich auch gegen kriegstüchtigkeitszersetzende Fake News) auch die Weber’sche Kriegswirtschaft zählen, die übrigens schon mal von einer linken Autorin als probates Mittel gegen den Klimawandel angepriesen wurde.

    Kriegswirtschaft bedeutet implizit immer auch Einschränkungen für die Bürger. Da „den Gürtel enger schnallen“ bei sog. Konservativen auf den vorderen Plätzen der Kalenderblattsprüche zu finden ist und mit Freudentränen über die Renaissance des Militärischen, womöglich sogar mit Atombombe im Marschgepäck, verbunden werden kann, hätte man hier alle Lager „abgeholt“. Das ist nicht gerade wenig in nihilistischen Zeiten.

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