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Sieben Orchideen für einen Euro

24. November 2021
in 2 min lesen

Taiwan ist eine subtropische, das ganze Jahr über grüne Insel. Wenn man vom Flughafen Taoyuan nach Taipei fährt, bekommt man den Eindruck, sich in einem gigantischen Botanischen Garten zu befinden. Da nichts auf dieser Welt perfekt ist, bedeutet dies natürlich auch, dass man gerade in den schwülen Sommermonaten (April bis Oktober!) meint, in einem gigantischen Gewächshaus zu wohnen.

Im August 1988 betrat ich auf dem Flughafen Singapur das erste Mal asiatischen Boden. Als sich die Flugzeugtür öffnete, wollte ich zunächst nicht aussteigen, denn die feuchtheiße Luft traf mich wie ein Schlag ins Gesicht. Natürlich war das keine Option, doch immerhin verbrachte ich während dieses eintägigen Zwischenaufenthaltes die meiste Zeit im Hotel, wo die rauschende Klimaanlage mir von der Affenhitze Linderung verschaffte.

Ganz schön heiß hier!

Jedenfalls vermisste ich während meines im Mai beendeten dreijährigen Gastspiels in Spanien insbesondere den imposanten Blumenmarkt, der am Wochenende auf der Jianguo South Road in Taipei stattfindet. Die Tatsache, dass dieser unter der Stadtautobahn liegt, eingekeilt zwischen denen für Jade und Kunsthandwerk, hat mich dabei nie ernsthaft gestört.

Dieser ist zwar nur einer von vielen in der Hauptstadt und den Vororten, aber der bekannteste und, durch den stetigen Ausbau des U-Bahnnetzes, seit 2013 bequem mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Seit Beginn meines zweiten Taiwanaufenthaltes 1999 entwickelte ich nach und nach eine Vorliebe für alles Grüne, auch und gerade zuhause, und somit zu jenem Ort ein ganz besonderes Verhältnis.

Kaum ein ausländischer Besucher, der sich am Samstag oder Sonntag hier aufhält, lässt sich die reiche Auswahl an Gewächsen entgehen, die unter anderem Kakteen, Orchideen, Pinien, Rosen und Zypressen umfasst. Ein besonderer Höhepunkt sind jedes Mal die Bonsais. Der im Westen gebräuchliche Ausdruck für diese Art der Gartenkunst stammt aus dem Japanischen, obwohl sie von den Chinesen entwickelt wurde und dieser sich von dem chinesischen Begriff „penzai“ ableitet.

Gut und günstig

Manche dieser Minibäume erreichen trotzdem eine staatliche Größe und können aufgrund ihres Preises als mittelfristige Investition in die eigenen vier Wände betrachtet werden. Einige Exemplare, die den Erwartungen gerecht werden, was ihr Volumen angeht und die man sich auf die Kommode stellen könnte, sind dabei im Bereich bis zu 30 Euro jedoch noch durchaus bezahlbar.

Mich zieht es meist am Sonntagnachmittag dorthin, denn die letzten 90 Minuten vor der Schließung um 18:00 Uhr werden die Schnittblumen, inklusive Orchideenarten, noch billiger unters Volk gebracht. Fünf Stück, statt vorher drei, teilweise auch kleine Sträuße, kosten dann knapp drei Euro. An manchen hat man selbst in der wärmeren Jahreszeit bis zu zwei Wochen seine Freude.

Beim Anblick wohl erfrorener Stauden während eines Koreabesuches im Winter 2011 wurde mir damals plötzlich der ewige Kreislauf des Lebens bewusst, den man auf Taiwan leicht vergessen kann. Entgegen meinen ursprünglichen Plänen habe ich doch einen Teil der von der taiwanesischen Regierung verteilten Gutscheine zur Ankurbelung des durch die Pandemie stark zurückgegangenen Konsums in Gartenerde und Töpfe investiert.

Die Verlockung, beim Betreten einer meiner beiden Balkone täglich viele quasi von alleine wachsenden Pflanzen bewundern zu können, war nun mal einfach zu groß. Man möge es mir nachsehen.

Gastautor

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