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Max Reinhardt über seinen Einsatz (3): „Von der Politik im Stich gelassen, von den Medien verarscht.“

8. September 2021
in 4 min lesen

Unser Autor Max Reinhardt ist Afghanistan-Veteran. Als Kabul fiel, schickte ihm Friedrich Fechter einen ganzen Fragenkatalog. Reinhardt nahm sich also etwas Zeit. Sämtliche Bilder stammen aus seiner Einsatzzeit. Zum Teil 2 geht es hier entlang.

Hattest Du Kontakt mit Soldaten anderer Streitkräfte? Was war dein Eindruck von Ihnen?

Kontakt mit Streitkräften anderer Nationen hatten wir praktisch täglich, vor allem zu Amis und Belgiern. Der ISAF-Einsatz war ja ein NATO-Einsatz, das heißt, an dem Ding haben alle Nationen rumgeschraubt. Bei uns in der Region, im Raum Kundus, waren das primär Amis und einige kleinere Nationen.

Es gab auch viele Söldner, muss man wissen. Und die Söldner, mit denen wir fast täglich zu tun hatten, waren amerikanische Söldner. Das waren fast alles Ex-Militärs, die nach ihrer Dienstzeit bei den Streitkräften zu privaten Unternehmen gegangen sind und die hatten viel Know-how. Aber das waren nur meine persönlichen Eindrücke.

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Wie lief der Kontakt mit der einheimischen Bevölkerung ab?

Kontakt zur einheimischen Bevölkerung hatten wir täglich, allein schon weil die im Feldlager beschäftigt war. Die „Hilfskräfte“ waren alles Afghanen. Und dann hatten wir natürlich draußen, in freier Wildbahn mit denen Kontakt gehabt, wenn wir in irgendwelchen Dörfern waren. Das war vergleichsweise selten, aber das kam vor. Auf der Schießbahn, die war in einem „Whadi“ (ausgetrocknetes Flussbett), da haben die sich auch immer aufgehalten, weil sie die Hülsen aufsammeln wollten. Gerade da hatten wir auch besonders oft Kontakt zu Kindern. Zu afghanischen Dolmetschern hatten wir ebenfalls täglich Kontakt, die brauchten wir allein, um uns mit den afghanischen Soldaten verständigen zu können. Wir hatten also immer irgendwie Kontakt zu den Afghanen.

Der Kontakt blieb immer oberflächlich aufgrund der Sprachbarriere. Der Dolmetscher, mit dem ich immer zu tun hatte, hieß Zabi. Zabi hatte Verwandte in Hamburg und wollte auch nach Deutschland auswandern. Bei den ganzen Dolmetschern zog sich ein roter Faden durch: Die wollten versuchen über ihre Hilfe bei den NATO-Truppen irgendwann aus Afghanistan rauszukommen – ist auch klar, die Taliban haben natürlich Jagd auf die gemacht. Aus deren Perspektive waren die Dolmetscher Kollaborateure, dementsprechend gerne wurden die von den Taliban ermordet.

 

Wurde die Bundeswehr von den Afghanen anders wahrgenommen als etwa Soldaten anderer Streitkräfte?

Das kann ich nicht beantworten, höchstens indirekt: Die Afghanen sind der Meinung, dass sie, wie die Deutschen, Arier sind. Aus afghanischer Perspektive gehören Afghanen und Germanen zu einem „Urstamm“. Vielleicht haben sie uns deswegen positiver wahrgenommen, als etwa die Amis. Aber das kann ich nicht beurteilen.

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Wie gestaltete sich die Umgewöhnung, nachdem Du zurück in Deutschland warst?

Nach einem halben Jahr Afghanistan zurück nach Deutschland zu kommen, war natürlich krass. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie mich meine damalige Freundin vom Flughafen Hannover abgeholt hat…- allein so banale Sachen wie die Vegetation und das Klima hier, das war einfach krass. Von der Wüste zurück in unsere Vegetation hier, das werde ich nicht vergessen.

Ansonsten war das große Thema, dass die Masse der deutschen Bevölkerung mit dem Thema überhaupt nichts anfangen konnte und bis heute nicht kann. Du bist fremd im eigenen Land. Du hast Erfahrungen gemacht, die der Rest einfach nicht verstehen kann. Du warst in einer Parallelwelt und bleibst gewisser Weise in einer, weil du einen Erfahrungsschatz hast, den du nur mit anderen Veteranen teilst.  

Ich hatte keine Probleme mit PTBS oder so, Gott sei Dank. Davon bin ich komplett verschont geblieben. Es war aber dennoch sehr frustrierend zu sehen, wie das alles der Bevölkerung scheißegal ist. Das war schon im Einsatz mit den Medien so: Du konntest ja während des Einsatzes über das Internet verfolgen, was die deutschen Medien berichten. Das hat auch dazu geführt, dass ich angefangen habe, offizielle Narrative zu hinterfragen und misstrauisch zu werden. Die Realität vor Ort hat sich so eklatant von der medialen Berichterstattung unterschieden. Man hat im Alltag gesehen, dass nicht nur oberflächlich, sondern auch unwahr berichtet wird. Das ist halt das Thema gewesen: Du hast diese Erfahrungen gemacht, du hast etwas gesehen, du willst den Leuten etwas zeigen, sie auf etwas hinweisen, was ihrer Realität widerspricht weil in deren massenmedialer Realität sieht die Welt ganz anders aus. Da kommst du natürlich nicht gegen an.

 

Wie hast Du die Berichterstattung über den Afghanistaneinsatz in Deutschland empfunden?

Insgesamt kann man das unter dem Schlagwort „Lug & Trug“ zusammenfassen. Die Einsatzrealität ist in den deutschen Medien nicht vermittelt worden. Selbst wenn man sich nur auf den Einsatz als solchen konzentriert, sind die Einsatzwirklichkeit und die Berichterstattung darüber zwei völlig verschiedene Welten gewesen. Die Soldaten habe sich alle durch die Bank weg verarscht gefühlt – von der Politik im Stich gelassen, von den Medien verarscht. Das kann man nicht schönreden.

 

Wie hältst Du von der derzeitigen Situation in Afghanistan?

Die derzeitige Situation ist die logische Konsequenz von dem ganzen Gebaren der NATO dort, überhaupt „des Westens“, würde ich sagen. Wenn man das analogiehaft beschreiben will, muss man das so sehen, dass das halt nur ein Teil des gesamten westlichen Untergangs ist. Bildlich gesprochen: Wie das römische Imperium seinerzeit völlig überdehnt war und am Ende in sich zusammengebrochen ist, so bricht eben auch der westliche Imperialismus in sich zusammen. Afghanistan ist ein klares Zeichen davon. Der Westen hat sich völlig übernommen und Realitätsverweigerung betrieben – und zwar Jahre lang – und jetzt bekommt er die Quittung dafür.

Gleichzeitig ist Krieg ein Geschäft und zahlreiche westliche Unternehmen haben sich an diesem Krieg zwanzig Jahre lang dumm und dämlich verdient. Aus dieser Perspektive hat das natürlich funktioniert. Jetzt ist die Frage: Aus welcher Perspektive schaust du darauf? Aus der großen Perspektive hat der Westen total versagt, aus der kleinen Perspektive, aus derer der Kriegsprofiteure, waren das goldene Jahre. Ganz klar, wie in anderen Kriegen eben auch.

 

Hast Du noch Kontakt zu anderen Veteranen?

Ich hatte zum Ende meiner Bundeswehrzeit an einer Bundeswehrfachschule noch Fachhochschulreife gemacht, weil ich studieren wollte. Zu einigen meiner ehemaligen Klassenkameraden, die auch alle Afghanistan-Veteranen sind, habe ich noch Kontakt. Zu den Leuten aus dem Einsatz habe ich keinen Kontakt mehr. Das hat sich einfach auseinandergelebt, das hatte keinen besonderen Grund, jeder ist einfach seinen eigenen Weg gegangen.

Max Reinhardt

Max Reinhardt arbeitet in Hyperborea an einem geheimen Forschungsprojekt zur Entwicklung einer Zeitmaschine, um die Geburt von Karl Marx, Karl Lauterbach und weiterer Sozialisten zu verhindern. Nebenbei schreibt und trainiert er und ruft entgegen behördlichen Anordnungen zu gemeinschaftlichen Wanderungen auf.

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