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Röntgen auf Taiwanesisch

10. November 2021
in 2 min lesen

Vorab ist anzumerken, dass Taiwan über eine sehr gute medizinische Versorgung verfügt, die in vielem der deutschen ins Nichts nachsteht oder diese sogar übertrifft. Das seit 1997 bestehende öffentliche Gesundheitssystem finanziert sich durch relativ geringe Monatsbeiträge, momentan bei mir durch den schwachen Umtauschkurs stolze 25 Euro, und individuelle Zuzahlungen bei jeder Behandlung.

Diese betragen im Schnitt in Taipei und anderen großen Städten zwischen fünf und sechs Euro, schwanken aber je nach Region. In abgelegenen und strukturschwachen Gegenden fallen sie dementsprechend niedriger aus.

Ein Land, in dem fast alles klappt

Der Eigenbeitrag ist in Krankenhäusern, unabhängig von den erbrachten Leistungen, stets höher als in Praxen. Dies hängt vielleicht damit zusammen, dass die dort tätigen Ärzte in der Regel gesellschaftlich höher angesehen sind.

Als typischer Computergeschädigter, zumal seit längerem mit einer doppelten Wirbelsäulenverkrümmung geschlagen, habe ich es des Öfteren mit Schmerzen in der Hüftgegend zu tun. Nach dem monatelangen Stress mit der Pflege meines schwerkranken Katers war nun endlich die Stunde gekommen, etwas für die eigene ramponierte Gesundheit zu tun.

Da mir sowohl ein westlich ausgebildeter als auch ein traditioneller chinesischer Arzt das Röntgen besagter Körpergegend empfohlen hatten, machte ich mich zwecks Terminvereinbarung an einem Freitagnachmittag (!) auf in ein Krankenhaus. Ich hätte dies natürlich ebenso (zweisprachig) online tun können, doch die Erledigung von Formalitäten im Internet hat ja bekanntlich so seine Tücken und es zog mich sowieso vor die Tür.

An einem Schalter schlug mir eine äußerst nette ältere Dame zu meinem Erstaunen sofort den kommenden Montag vor. Auf einer zum Mitnehmen gedachten Liste suchte ich mir dann einen Arzt mit einem besonders wohlklingenden Vornamen (in etwas „ruhmreiches Land“) aus. Auf diese Praxis der Namensgebung bei einer bestimmten Bevölkerungsgruppe werde ich später gesondert eingehen.

Finger weg von Sandalen!

Nachdem ich als „Neukunde“ noch einen kurzen Fragebogen ausgefüllt hatte, begleitete sie mich zur Anmeldung ins Nebengebäude, wo man mir abschließend eindringlich empfahl, drei Tage später mindestens eine Stunde vor der vereinbarten Uhrzeit zu erscheinen. Letztendlich kam ich an jenem Montag nicht vorschnell an die Reihe, sondern mit einer „unfassbaren“ Viertelstunde Verspätung, doch vor dem Nachfolgetermin zur Besprechung der Röntgenaufnahmen eine Woche später begriff ich, warum mir zur Überpünktlichkeit geraten worden war.

Als ich just zur vereinbarten Zeit in den Vorraum stürzte, war die Anzeige zu meinem Entsetzen schon zwei Nummern weiter und ich stand vor dem Sprechzimmer wie der sprichwörtliche Ochse vorm Scheunentor. Da ich nach drei Jahren Abwesenheit aus Asien mit einigen der neuesten technischen Raffinessen noch nicht vertraut bin, verstrichen bis zum elektronischen Rapport weitere wertvolle fünf Minuten.

Daraufhin wurde ich zusammen mit anderen kränkelnden Nachzüglern nach hinten strafversetzt und musste fast anderthalb Stunden warten, was mich fatal an europäische Verhältnisse erinnerte. Der patriotische Neurologe wies auf Verschleißerscheinungen hin, schlug Krankengymnastik vor und warnte bei meinen Expeditionen durch den Großstadtdschungel vor dem übermäßigen Tragen von Sandalen.

Am meisten beeindruckte mich jedoch das Gerät, mit dem ich dank meiner Karte für Bus und U-Bahn die Kostenbeteiligung von jeweils 15 Euro innerhalb von dreißig Sekunden bezahlen durfte. Zeit ist hier halt Geld, selbst wenn es sich nur um Wehwehchen geht!

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