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Sachsen-Anhalt – Versuch einer Wahlanalyse

15. Juni 2021
in 3 min lesen

Von Peter Müller

„Hä? Das ist doch Fake!“ – diese Reaktion hörte man während des Wahlabends am 06. Juni am durchaus öfter bei Oppositionellen. Die Enttäuschung darüber, dass die AfD am Ende sogar klar zweistellig hinter der Union lag, konnte kaum Einer verhehlen. Jeder zog natürlich die Schlüsse, die er ziehen wollte. Zufrieden war niemand. Doch warum eigentlich nicht?

In den letzten Umfragen vor der Wahl hieß es plötzlich, die AfD könne stärkste Kraft werden. 27-26 Prozent stand es gegenüber der CDU in einer INSA-Befragung vom 04.06.2021. Das vorläufige amtliche Endergebnis weist nun für eben jene CDU 37,1% und für die AfD 20,8% aus. Können alle Umfrageinstitute sich jetzt auflösen? Im Grunde ja.

Traue keiner Umfrage…

Dennoch ist das Phänomen alt. Die AfD wurde bei Landtagswahlen seit Bestehen immer falsch taxiert. 2016 in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz waren die letzten Umfragen deutlich schlechter als das eigentliche Ergebnis. Zu dieser Zeit war dies auch in Sachsen-Anhalt der Fall.

Verantwortlich machte man seinerzeit AfD-Wähler, die sich nicht in Umfragen dazu bekannten. Da es aber für Verdruss in den Reihen des Establishments sorgte, berechnet man diese Leute nun offensichtlich über. 2020 in Hamburg und 2021 in Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg, davor in anderen Ländern: Die AfD ist stets schlechter als sie in Umfragen berechnet wurde. So wird jeder Wahlabend für die AfD zur gefühlten Niederlage und zum – mindestens moralischen -Sieg des Establishments.

Doch dies ist nicht der einzige Faktor, der hier zum Tragen kommt. Die CDU ist nicht plötzlich viel attraktiver geworden. Sie ist eine reine Verhinderungswahl. Linke und SPD verloren noch einmal zu ihrem ohnehin schon schwachen Ergebnis 2016. Die Grünen gewannen praktisch nichts dazu, trotz anderslautenden Umfragen. Bei der oben zitierten INSA-Befragung sah man sie bei 8%, sie landeten bei 5,9.

Zur Not wird halt gekuschelt

Die Linke sah man bei 12, sie landete bei 11%. Die SPD wurde mit 10% ausgewiesen, Ergebnis: 8,4. Selbst die FDP, der der vielumjubelte Wiedereinzug in den anhaltinischen Landtag gelang, rangierte zuvor bei 7%, stieg aber bei 6,4 aus.

Die Befragung sah also ausnahmslos jede Establishment-Partei zum Teil deutlich besser als das letztendliche Ergebnis. Ausnahmslos? Nicht ganz. Da war ja unser geliebter Ministerpräsident Rainer Haseloff mit seiner CDU. Er sog die Stimmen all jener Linken auf, die eine einfache Mehrheit der AfD fürchteten. Damit knüpfte er an ein Erfolgsmodell an, das schon anderen Landesfürsten vor ihm zum Sieg verhalf.

Kommunist Bodo Ramelow aus Thüringen und Sozi Dietmar Woidke aus Brandenburg werden dies bestätigen können. Das Schreckgespenst AfD ist mithin ein einträgliches Leihstimmen-Geschäftsmodell für minder- bis mittelerfolgreiche Ministerpräsidenten.

Na komm, wähl das nochmal!

Auch aus anderen Ländern kennt man dies. Hier ist aber häufig nicht die Umfrage sondern der erste Wahlgang die moralische Peitsche für regierungshörige Untertanen. Bei der Bundespräsidentenwahl in Österreich 2016 lag der FPÖ-Kandidat Norbert Hofer in eben jenem mit 35% vorn.

Alexander Van der Bellen, der Kandidat der Grünen, mit 21% abgeschlagen auf Rang 2. Die restlichen Stimmen verteilten sich auf 4 weitere Kandidaten. In der Stichwahl dann lag Hofer zunächst knapp vorn. Dann kam aber die letzte Garnison der Arte-Zuschauer in Form von Briefwahlstimmen und der Vorsprung Hofers schrumpfte zusehends.

Schließlich wurde Van der Bellen mit 50,3 zu 49,7 Prozent zum Sieger gekürt. Später gelang es der FPÖ zwar, aufgrund zahlreicher Ungereimtheiten die Wiederholung des Wahlgangs zu erzwingen, dieser ging dann allerdings etwas deutlicher mit 53,79 zu 46,21 Prozent zu Ungunsten der Freiheitlichen aus.

Das Ergebnis ist…

Festhalten lässt sich also: Das Establishment hält im Zweifel zusammen und kann so mit letzter Kraft den eigentlich vom Volke gewünschten Kandidaten verhindern. Übrigens: Der Anteil der Briefwähler hat sich auch in Sachsen-Anhalt verdoppelt. Corona kommt den Altparteien wirklich zugute…

Was fängt man nun aber mit diesem Ergebnis an? Natürlich ist es enttäuschend. Natürlich sind, bei allen nachvollziehbaren externen Faktoren, auch 3,4 Prozent bei der AfD angefallen, die man wird aufarbeiten müssen. Am besten aber intern und bitte ohne Hintergrundkonflikte.

Wenn Björn Höcke am Wahlabend vom „ostdeutschen Erfolgsmodell“, das man nur auf ganz Deutschland anwenden müsse, spricht, wirkt dies ein bisschen so, als habe er die Pressemitteilung um 17.59 Uhr veröffentlichen lassen.

Wenn aber Parteichef Meuthen von „bürgerlichen“ Wählern der „Mitte“ spricht, die man durch einen allzu harten Tonfall vergrault habe, so ist das nicht nur aufgrund der ihm anvertrauten Rolle fragwürdig. Wieso er selbst nicht öfter in Magdeburg war, um genau diese Wähler zu gewinnen, ließ er zudem offen.

Beide Strömungen haben einen Dämpfer bekommen

Denn es sind sowohl die moderaten Liberalkonservativen gewesen, die im Westen verloren, als auch die Solidarpatrioten im Osten. Beide Strömungen werfen sich gegenseitig die mäßigen Wahlergebnisse vor. Bei dieser Wahl und diesem Landesverband mit seinem solidarischen Programm kann ein Benedikt Kaiser nicht so leicht behaupten, fehlende Gulaschkanonen hätten das Ergebnis geschmälert.

Sowohl von liberalkonservativer als auch von Flügel-Seite werden die Ergebnisse längst nicht mehr offen analysiert, man hört nur die immer gleichen Sprechblasen von den immer gleichen Protagonisten der verschiedenen Lager. Dabei ist weder die besonders harmoniebedürftige, liberalkonservative Seite im Recht noch Diejenigen, die in arroganter Manier ihr Solpat Supremat als der Weisheit letzten Schluss proklamieren. Eine deutsche Rechte ist nicht nur freiheitlich, sie ist aber auch nicht nur solidarpatriotisch.

Wenn sich alle Flügel der AfD darüber einig sind, daß die Partei eine Sammlungsbewegung der gesamten deutschen Rechten ist, dann kann man die Kräfte konzentriert nach Außen richten. Das schließt natürlich nicht aus, dass man nicht um den besten Weg streitet. Aber bitte konstruktiv, mit echten Standpunkten und ohne Sprechblasen.

Gastautor

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