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Sprechen wir über Toleranz

20. Februar 2023
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Diesen Artikel möchte ich seit vielen Jahren schreiben, aber immer hatte etwas Tagesaktuelles Vorrang, sodass ich ihn wieder und wieder auf die lange Bank geschoben habe. Doch damit ist jetzt Schluss. Die Veranlassung? Ein Ereignis, wie es alltäglicher nicht sein könnte. Ich habe Ähnliches schon hundert Mal erlebt, aber mir geht es in diesem Fall wie der Nervenzelle, die mit einem einzigen zusätzlichen Ion, das über die Zellmembran eindringt, ihren Schwellenwert zum Erregungspotenzial überschreitet und tätig wird.

Was ist geschehen? Meine irische Mitbewohnerin lädt ein paar Studienkollegen zu uns nachhause ein: eine Französin, einen Iren, eine Vietnamesin und eine Kanadierin iranisch-italienischer Herkunft. Auch anwesend: unser taiwanesischer Mitbewohner. Wir hocken um den Esstisch, und während die Irin sich etwas Veganes und Glutenfreies einverleibt, mache ich einer Dose Fisch und einem Erbseneintopf mit Würstchen den Garaus. Die Unterhaltung handelt zunächst vom offenkundigen Rassismus der Niederländer, die nicht ganz von ihrem zwarten Piet lassen wollen, auch wenn der inzwischen nicht mehr ganz schwarz im Gesicht ist.

Dann wird über die rassistischen Österreicher hergezogen. Die Vietnamesin hat ein paar Jahre in Wien studiert und auch die anderen Gäste haben ihre entsprechenden Vorstellungen von der xenophoben Alpenrepublik. Da der Ire mal eine Unterhaltung zwischen älteren Bayern irgendwo in einem Restaurant bei München mitbekommen hat, in der es um Afghanen ging, werden auch die Deutschen gleich pauschal zu Rassisten gestempelt, jedenfalls „die ältere Generation“. Hier hält die Kanadierin mit iranischen Wurzeln ihren Moment für gekommen und erklärt: „Ja, die denken auch, alle Muslime seien Terroristen, obwohl es viel mehr Terroristen gibt, die keine Muslime sind.“

Hier möchte ich zur Ehrenrettung der älteren Generation intervenieren und sage: „Statistisch betrachtet haben diese Leute schon Recht, wenn sie davon ausgehen, dass ein Moslem eher einen Terroranschlag verüben wird, als jemand, der einem anderen Glauben anhängt.“ Entsetzte Mienen. Nach einem kurzen Moment der Stille quasseln alle gleichzeitig auf mich ein und wollen mich dazu bringen, meine Worte zurückzunehmen. Das fällt mir natürlich überhaupt nicht ein. Ich werde sogar noch polemisch und frage, ob sie schon einmal von einem Taoisten gehört hätten, der sich in die Luft gesprengt habe. Die Medien würden eher über Anschläge berichten, die von Muslimen begangen werden, tönt es am Esstisch unisono. Obwohl ich immer wieder betone, die Wahrscheinlichkeit, dass jemand Terrorist sei, ob Moslem oder nicht, sei äußerst gering, bin ich bei den anderen unten durch.


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Das wird mir erst am nächsten Abend vollständig bewusst, als ich in der Küche stehe, um mir ein Brot zu schmieren. Die Irin kommt herein, grüßt freundlich wie immer, dann sagt sie in etwa: „Ich wollte dir noch sagen, dass ich gestern mehrfach versucht habe, dir klar zu machen, dass ich deine Ansichten darüber, dass Muslime angeblich eher Terroranschläge begehen als Nichtmuslime, nicht teile.“

Darauf antworte ich, sie müsse meine Ansicht nicht teilen. Es sei vollkommen in Ordnung, wenn sie nicht die gleiche Meinung habe wie ich. Dann wird sie deutlicher: „Ich wollte dir noch eine Chance geben. So eine Meinung ist absolut inakzeptabel. Das ist islamophob.“ Es sei aber nun einmal faktisch so, erwidere ich ihr. Sie müsse mir auch nicht einfach glauben, sie könne die Statistiken selbst recherchieren. Auch füge ich hinzu, es sei nicht meine Absicht gewesen, ihre kanadische Freundin, die einen iranischen Vater habe, zu kränken. Falls ich sie dennoch durch meine Worte verletzt hätte, tue mir das aufrichtig leid. Eine solche Entschuldigung könne ich mir sparen, da ich meine Meinung ja nicht geändert hätte. Mir schwirrt inzwischen schon der Kopf und ich bringe bloß noch heraus: „Ich werde niemals sagen, dass der Himmel grün ist, wo er doch offensichtlich blau ist.“ Seither behandelt mich meine Mitbewohnerin wie Luft.

Für mich ist das mit einem Wort: erschreckend. Junge Menschen dieses Schlags sind, man kann es nicht anders sagen, die fleischgewordene Intoleranz. Es sind die radikalisierten Jakobiner der woken Internationalen. Da sie in ihrem schulischen und universitären Umfeld nie mit Ansichten konfrontiert wurden, die nicht ihre eigenen waren, kennt ihr Hass auf Dissidenten keine Grenzen. Sie mussten nie lernen, andere Meinungen auszuhalten. H. L. H. Hart sagte einmal in einer Vorlesung über das Verhältnis zwischen Gesetz und Moral sinngemäß, wer die Freiheit des Individuums als einen Wert anerkenne, der müsse sich wohl oder übel damit abfinden, dass ein anderes Individuum Dinge tue, die ihm gegen den Strich gingen. Das gilt natürlich nicht nur für Handlungen, sondern auch für Meinungen.

Wer den Christopher-Street-Day super findet, ist deshalb noch lange nicht tolerant. Tolerant ist derjenige, der mit so einer Parade nichts anfangen kann, die Macht hat, sie zu verbieten und es dennoch unterlässt. Es sei hier nur abschließend erwähnt, dass von den 70.767 Terroranschlägen zwischen den Jahren 2011 und 2016 ganze 85 Prozent in islamischen Ländern verübt wurden. Und wer wollte leugnen, dass sich unter den übrigen 15 Prozent ebenfalls islamistisch motivierte Taten finden ließen? Lasst euch ein X nicht für ein U vormachen, aber bleibt tolerant!

Jonathan Stumpf

Jonathan, dem der Libertarismus als geborenem Ami eigentlich in die Wiege gelegt wurde, benötigte dennoch einige Umwege und einen Auslandsaufenthalt an der Universiteit Leiden, um sich diese politische Philosophie nachhaltig zu eigen zu machen. Zuvor hatte er bereits im Bachelor auf Staatskosten zwei Semester in Rumänien zugebracht. Wie jeder Geistes- oder Kulturwissenschaftler mit Masterabschluss, der etwas auf sich hält, bewegt Jonathan etwas in unserem Land. In seinem Fall sind es Container. Er hat im Sommer 2021 als Decksmann auf einem Containerschiff angeheuert.

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