Auszug aus dem 7. Kapitel von Odin, Nietzsche und der Pfad zur linken Hand
“Die meisten Männer, die auf der Welt vorwärts kommen, vergessen das Vergnügen während der Zeit, in der sie ihr Vermögen erarbeiten; sie warten, bis sie es geschafft haben, und dann ist es für sie zu spät, sich daran zu erfreuen.”
– Samuel Pepys
Die einzige Möglichkeit weniger zu arbeiten besteht darin, weniger zu arbeiten. Arbeit zieht immer Arbeit nach sich, daher kann schneller oder effektiver arbeiten unmöglich Arbeit reduzieren. Arbeit ist endlos, Zeit nicht. Daher müssen Planung und Einhaltung von Zeitblöcken Dreh- und Angelpunkt aller Alltagsorganisation sein. Sobald diese Wahrheit tiefgehend akzeptiert wurde, kehren Ruhe und Frieden ein.
Das überträgt sich dann auch positiv auf die Arbeit, die fortan mit gelassenem Wohlwollen verrichtet wird, da sie nicht mehr als erdrückend empfunden wird. Statt von deiner Arbeit erdrückt zu werden, stellt sie nunmehr eine lebenslange Trainings- und Meditationseinheit dar.
Arbeit nervt
All deine Alltagsaufgaben, all deine Arbeit, all dein Pflichtprogramm wird so zum Fenster nach innen – anstatt deinen Fokus auf Resultate zu legen, widmest du deine Aufmerksamkeit dem Prozess und trittst in einen fortlaufenden inneren Dialog mit dir ein. Deine Perspektive ändert sich, du siehst die Dinge nicht mehr als Belastung oder Anstrengung, sondern als Gelegenheit zum Spielen und Üben.
Der notwendige aber unangenehme Anruf, das komplizierte Formular, der schwierige Arbeitsauftrag, das Ausräumen der Spülmaschine, der Frühsport, der Ölwechsel, den Müll raus bringen, die Hecke schneiden, die Bewerbung, die Kontoeröffnung, alle großen und kleinen Aufgaben, sinnvoll und wertschöpfend oder sinnlose Bürokratie, Lappalien oder große Herausforderungen – all das sind letztlich nur Bündel von vielen kleinen Handgriffen, Pakete gefüllt mit allerlei kleinen Handlungen.
Das Ausräumen der Spülmaschine beinhaltet das Öffnen der Klappe, das Abtrocknen der Wasserreste auf dem sauberen Geschirr, das Öffnen des Geschirrschranks, das Einräumendes sauberen Geschirrs und das Schließen der Geschirrspülmaschine. Und wir könnten weiter unterteilen und jede Gabel und jeden Teller als einzelnen Bestandteil dieses Prozesses ansehen.
Genauso wie das Handlungspaket Zähneputzen das Putzen jedes einzelnen Zahns beinhaltet und die Aufgabe Küche wischen das Wischen jeder einzelnen Fliese beinhaltet und der unangenehme Anruf jeden einzelnen Satz beinhaltet. Wir können all diese Handlungspakete als lästiges Pflichtprogramm ansehen oder sie als das Erkennen, was sie wirklich sind: Unser Leben. Wir können versuchen, uns ständig von ihnen abzulenken – oder wir können sie bewusst und voll ruhiger Akzeptanz erledigen.
Trotzdem muss Arbeit erledigt werden
Das Leben besteht ganz wesentlich aus banalen Alltagsaufgaben und Pflichtprogramm, und wer damit auf Kriegsfuß steht, vielleicht weil es ihn langweilt oder er sich für zu gut dafür hält, der wird immer in Unfrieden leben. Das ist dann ein genervtes, erschöpftes, wütendes, unzufriedenes Leben, in dem positive Emotionen die seltene Ausnahme vom steten Fluss an Negativität sind. So ein unglückliches Leben ergibt sich aus der Ablehnung des Moments, aus der Verneinung des Jetzt.
Stell dir stattdessen ein Leben vor, in dem das Ausräumen der Spülmaschine, der Anruf und das Wischen der Küche keine Beleidigung für dein Ego sind, sondern kleine Spiele im großen Spiel des Lebens, die du mit voller Aufmerksamkeit spielst. Anstatt auf das Handlungspaket zu blicken und es zu bewerten blickst du nach innen – und spielst.
Wir arbeiten um ein bestimmtes Ziel zu erreichen, für ein bestimmtes Ergebnis. Doch wir spielen um zu spielen. Und genauso leben wir um zu leben. Sobald du das vergisst und dein Glück von einem Ergebnis abhängig machst, machst du dich abhängig. Freiheit liegt im Spielen, nicht im Müssen.
Stell dir vor, du würdest all deine Aufgaben, all deine Arbeit und all dein Pflichtprogramm bejahen statt verneinen. Würdest du dich dann noch von ihm ablenken wollen? Mit Gedanken- und Gefühlsspiralen, mit Medien, mit Drogen, was immer es ist. Oder würdest du nicht stattdessen einfach bewusst und liebend tun, was zu tun ist? Und würden deine Arbeitsergebnisse so nicht unweigerlich besser werden? Würde dein Abendessen nicht besser schmecken, wenn du es mit Liebe und Aufmerksamkeit statt mit Hast und Ablenkung gekocht hast? Und würde dir dein Kundentelefonat oder das Meeting nicht viel mehr Spaß machen, wenn du dich ganz drauf einlässt anstatt mit gespaltener Aufmerksamkeit deine Aufmerksamkeit nur vorzutäuschen?
Wenn du den Müll raus bringst, bring den Müll raus. Wenn du die Spülmaschine ausräumst, räum die Spülmaschine aus. Wenn du die Karotten schneidest, schneide die Karotten. Tu was du tust, und sei dir deines Bewusstseins bewusst.
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