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Reflexionen über den Intellektuellen Idioten

2. März 2021
in 11 min lesen

In den 90ern war das Leben einfach. Es gab zwar hier und da ein paar Linke und Grüne, die im Reformhaus irgendwas von Imperialismus und Atomkraft erzählten, aber davon bekam man nur am Rande etwas mit.

Alle vier Jahre machte man sein Kreuz bei einer Partei der Mitte, in dem Bewusstsein, dass die schon wissen, wie man abseits von praxisfernen Forderungen einiger Weltverbesserer und Querulanten ein Land zu organisieren hat, um Wohlstand, Sicherheit und Stabilität zu gewährleisten. Christdemokratische Wahlplakate bestätigten: „Wir pfeifen auf linke Vögel!“

Jetzt pfeifen die linken Vögel zurück

Einige Jahrzehnte später hat sich die Lage fundamental verändert. Linke Vögel geben den Ton an, jede Maßnahme, jede Entscheidung wird einem weltanschaulichen Standpunkt untergeordnet, alles ist politisch.

Der eigentlich unpolitische und auf diesem Gebiet ungebildete Durchschnittsbürger sieht sich ständig dazu aufgefordert, „Haltung“ zu zeigen, sich zu positionieren und trotz fehlender Sachkenntnis zu allem eine Meinung zu haben.

So kommt es dann, dass zwar alle “wissen“, dass die AfD faschistisch ist, aber kaum einer in eigenen Worten beschreiben kann, was Faschismus überhaupt ist und darüber hinaus konkretisieren kann, welche faschistoiden Elemente im Grundsatzprogramm der AfD enthalten sind.

Die Leute „wissen“ auch, dass die größte Gefahr von Rechts ausgeht, dass die Eisbären sterben, dass der Polizeiapparat rassistisch ist, dass die Schwarzen in Amerika unterdrückt werden, dass die Querdenker Homöopathen, Reichsbürger und Nazis sind, dass die Nordhalbkugel die Südhalbkugel ausbeutet und dass Deutschland an allem schuld ist.

Der Bückbürger in seinem Element

Naja gut, die plappern halt irgendetwas nach. Wer den ganzen Tag arbeitet, nebenbei Kinder erzieht und in der verbleibenden Zeit froh ist, wenn er mal einen Film am Stück ansehen kann, wird kaum willens oder in der Lage sein, zu bestimmten Themen umfassend zu recherchieren oder die Geistesgeschichte der letzten zweitausend Jahre nachzuarbeiten, um gesammelte Informationen einordnen zu können.

Er übernimmt stattdessen das kuratierte Weltbild seiner bevorzugten Medienkanäle, welche aktuell – frei nach Sahra Wagenknecht – von „linksilliberalen“ Eliten dominiert werden.

Wer aber sind diese Meinungsmacher, die urbanen Akademiker und Intellektuellen, die ihre Sicht der Welt so erfolgreich vermitteln konnten und noch wichtiger: Was treibt sie an?

Diese Frage ist weder einfach noch abschließend zu beantworten. Sie sollte dennoch im Rahmen einer Annäherung gestellt werden.

Wer geht in ihnen vor?

Der Historiker Joachim Fest notierte vor einigen Jahren lakonisch: „Die Wirklichkeit steht immer rechts!“ Die Natur hat ihre eigenen Gesetze und der Mensch als Teil davon besitzt gewisse unabänderliche Charaktereigenschaften. Es ist z. B. eine triviale Erkenntnis, dass er gerne die Früchte seiner Arbeit erntet.

Er ist kein bedingungsloser Sozialist und wird es niemals sein. Das Streben nach Status und Anerkennung sowie die ungleiche Verteilung von Intelligenz und Talent werden zwangsläufig Hierarchien ausbilden.

Diese Binsenweisheit war und ist für jeden jederzeit erfahr- und beobachtbar. Hierarchien wirkten bei Salonsozialisten, die durch profunde Kenntnis marxistischer Theorie wetteiferten, ebenso wie bei der Roten Armee Fraktion, in der derjenige den Ton angab, der die radikalsten Positionen vertrat.

Die Wertung der eigenen Leistung oder der Persönlichkeit lässt sich nicht einfach abschalten, und dies umso weniger, als dass die damit einhergehende Abgrenzung letztlich die eigene Identität mitkonstituiert.

Man kommt nicht umhin zu fragen, wie diejenigen gestrickt sein müssen, die sich konsequent weigern, solche Mechanismen zu reflektieren. Im mittlerweile pseudolinken Welt- und Menschenbild – wenig mehr als ein Flickenteppich aus blinden Flecken, Widersprüchen und Irrtümern – ist es ohne weiteres möglich, für die Befreiung der Frau einzutreten und gleichzeitig den Islam zu hofieren oder Transfrauen – also Männern – die Tür zur Damenumkleide aufzuschließen.

Als Gralshüter der Doppelmoral stören sich moderne Linke an solchen Feinheiten wenig. Anspruch und Wirklichkeit stehen sowieso in keinem Verhältnis zueinander, wenn diejenigen, die die Geschichte der Menschheit ausschließlich als Abfolge von wechselnden Ausbeutungs- und Unterdrückungsmechanismen interpretieren, ihre Aufrufe zur Zerschlagung der kapitalistischen Produktionsweise vorzugsweise über Apple-Produkte kommunizieren.

Dass das alles nicht so recht zusammenpassen will, scheint aber kaum jemanden zu stören. Die Anziehungskraft des Traumes von einer gerechten, weil gleichen, Gesellschaft ist ungebrochen. Kein Wunder, bietet dieses linke Ideal doch einen Mehrwert, der handfeste, allzu menschliche Bedürfnisse adressiert. Zu nennen wären hier im Jahr 2021 u.a.:

Geltungssucht: „… zu diesem Zweck habe ich die Initiative Aerobic gegen Nazis gegründet!“,

das Ausüben von Macht: „Wollen sie wirklich, dass in ihrem Unternehmen Rassist:innen arbeiten?“,

das Ausleben von Aggressionen: „Genossen, der PKW von Herrn Kemmerich steht in der Mohrenstraße!“,

und nicht zuletzt Geld: „… zur Demokratieförderung bewilligen wir eine Milliarde im Kampf gegen Rechts!“.

Es stellt sich fast so dar, dass nur die verkommensten Subjekte, gelenkt von ihren niedersten Instinkten, links der Mitte eine politische Heimat finden könnten.

Linke sind bösartig. Aber warte, da ist mehr…

Und tatsächlich scheint für breite Schichten im rechtskonservativen Lager kein anderer Erklärungsansatz als pure Bösartigkeit denkbar. Hörer der Honigwabe dürften sich an die Satanistenvergleiche in der HW76 erinnert fühlen.

Aber handelt es sich hier wirklich ausschließlich um berechnende Lügner und Scharlatane, die genau wissen, dass einzig der Doppelstandard ihr Weltbild zusammenhält? Die über Leichen gehen, um anderen ihren Willen aufzuzwingen und damit ihren Machthunger zu stillen? Sind es selbstsüchtige Egozentriker, die sich gerne inszenieren oder sind sie einfach nur dumm, indoktriniert und verblendet?

Zumindest in ihrer extremen Ausprägung scheinen diese Vorwürfe wenig überzeugend. Die korrumpierende Wirkung von Macht und Geld spielt sicherlich eine gesonderte Rolle, aber, so meine These, wären hier nicht überwiegend halbwegs normale, anschlussfähige Leute am Werk, wäre der flächendeckende, anhaltende und schichtenübergreifende Siegeszug ihrer ideologischen Prämissen kaum denkbar.

Ganz aus der Luft gegriffen sind die beschriebenen Charaktereigenschaften allerdings nicht. Einige Schriftsteller, Autoren und Philosophen haben in der Vergangenheit das Phänomen des linken Vogels untersucht.

No Skin in the Game

Nassim Nicholas Taleb unternahm den Versuch, den mit ausgeprägtem Sendungsbewusstsein ausgestatteten, hochdekorierten „policy making clerk“, zu beschreiben und ihm einen Namen zu geben.

Er formte für den paternalistischen „Experten“, der es als ständigen Arbeitsauftrag begreift, uns vorzuschreiben wie wir essen, reden, denken, leben und wählen sollen, den Begriff „Intellectual yet Idiot“, kurz IYI.

Der Intellektuelle Idiot ist laut Taleb zweifelsfrei ein Produkt der Moderne. Wie die industrialisierte Gesellschaft Arbeiter braucht, benötigt die um sich greifende technokratische Gesellschaft samt angeschlossenem Verwaltungsapparat fortwährend Experten, die sich immer komplexeren, immer abstrakteren Problemen und Aufgabenfeldern widmen, die dann ihrerseits neue Experten produzieren.

Seine genuine Fähigkeit besteht darin, Tests zu bestehen, die von seinesgleichen entwickelt wurden. Außerhalb seiner künstlichen akademischen Scheinwelt ist er nicht in der Lage, selbst einfachste Dinge zu begreifen. Da er wenig vom echten Leben und dessen Zusammenhängen versteht, fehlt ihm oft ein Gespür für Implikationen, Konsequenzen und Wechselwirkungen. Ein schönes Beispiel wäre hier der Mietendeckel!

Da der gut situierte IYI nicht unmittelbar von Konsequenzen betroffen ist, brauch ihn das auch nicht weiter zu kümmern. Für ihn als überqualifizierten, digitalaffinen, ultraflexiblen Bourgeois bedeutet ungelenkte Migration weniger die Prekarisierung und steigende Konkurrenz im unteren Segment des Arbeitsmarktes, als vielmehr die Vervielfältigung des kulinarischen Angebots beim Mittagsimbiß.

Das Resultat dieser Haltung ist, dass der IYI historisch gesehen in allen Annahmen falsch lag, aber dennoch der Meinung ist, bei welchem Thema auch immer im Recht zu sein.

Im Grunde handelt es sich laut Taleb um einen Fachidioten, der sich am Begriff aufhält, ohne den Geist der Dinge zu verstehen. Er spricht sich für oder gegen eine Politik aus, deren negative Auswirkungen er nie zu spüren bekommt, was diese Befürwortung belanglos macht.

Er fühlt sich gut, wenn er an eine Hilfsorganisation spendet, unabhängig davon, ob auch nur einem Menschen tatsächlich geholfen wird, und er kann größte Verwerfungen verursachen, ohne auch nur den Hauch eines Schuldgefühls zu empfinden. Die Überzeugung in guter Absicht zu handeln, liefert ihm die Rechtfertigung dafür, die tiefe Wirkung auf die Realität zu ignorieren.

Die Verachtung des kleinen Mannes

Knapp hundert Jahre zuvor übte George Orwell, in seinen frühen Jahren selbst ein bekennender Sozialist, in „Der Weg nach Wigan Pier“ scharfe Kritik am englischen Mittelstands-Linken.

Er charakterisierte ihn als tief in seiner sozialen Klasse verwurzelten Bourgeois, der zwar gerne auf die Verhältnisse schimpfte, es im Grunde aber dabei belassen wollte. Mit Verweis darauf, dass die „linksorientierten Ansichten des durchschnittlichen Intellektuellen vorwiegend unecht sind“ konstatierte er, dass „das Mittelstands-Labourparteimitglied und der bärtige Fruchtsaftapostel beide so lange für die klassenlose Gesellschaft [seien], wie sie das Proletariat durch ein umgekehrtes Fernrohr sehen.“

Die Abscheu gegenüber den ungewaschenen, ungehobelten Arbeitern sei trotz einer Idealisierung der Arbeiterklasse allgegenwärtig und umso ausgeprägter, je tiefer man im sozialen Gefüge abrutsche. Orwell stellte zu Recht die rhetorische Frage, „warum jemand, der alle Tugenden im Proletariat findet, sich immer noch dermaßen abmühen [sollte], seine Suppe geräuschlos zu essen?“

Als Angehöriger der unteren oberen Mittelschicht, fuhr er in schamloser Selbstkritik und beeindruckender Ehrlichkeit fort:

„Grundsätzlich behielten wir den snobistischen Standpunkt unserer Gesellschaftsschicht bei, wir nahmen als selbstverständlich an, dass wir weiterhin unsere Dividenden beziehen oder in einen bequemen Job stolpern würden, aber es schien uns auch natürlich, ‚gegen die Regierung zu‘ sein.“

Und weiter: „Aus der Entfernung und durch die Vermittlung von Büchern […] konnte ich mich mit ihren [der Arbeiter] Leiden quälen, aber wenn ich irgendwo in ihre Nähe kam, verabscheute ich sie wie eh und je.“

Offensichtlich hat sich daran nichts verändert. Es sind verblüffende Parallelen, die sich hier zeigen, etwa, wenn Kindergärten in Deutschland Indianerkostüme verbieten, oder weiße „Aktivisten“ sich stellvertretend für die verletzten Gefühle der Mexikaner um die Absetzung der Zeichentrickserie „Speedy Gonzales“ wegen Reproduktion rassistischer Stereotype bemühen. Im Gegensatz zur zeitgenössischen Linken kommt Orwell zu folgender Erkenntnis:

„Ich hatte alles auf die simple Theorie reduziert, dass die Unterdrückten immer im Recht sind und die Unterdrücker immer im Unrecht: eine irrige Theorie, aber die natürliche Folge davon, dass man selbst einer der Unterdrücker ist.“

Auch bei ihm keimte der Verdacht, dass es dem Sozialisten, fast ausschließlich ein Angehöriger des „wurzellosen, städtischen Mittelstands“, mehr um die psychologische Befriedigung seiner eigenen Bedürfnisse geht:

„In Wahrheit ist für viele Leute, die sich Sozialisten nennen, die Revolution keine Massenbewegung, der sie sich auch gern zugesellen möchten, sondern sie soll in einer Reihe von Reformen bestehen, die ‚wir‘, die Cleveren, ‚ihnen‘, den niederen Ständen, auferlegen werden.“

Er bekommt den „Eindruck, daß für sie [die Intellektuellen] die ganze sozialistische Bewegung nicht mehr ist als eine Art aufregende Jagd auf jede Ketzerei.“

Warum die sozialistische Bewegung so viele „inferiore verdrehte Charaktere, Doktrinäre und Salon-Bolschewiken“ anzieht, bleibt vage, wird von Orwell aber als großes Problem angesehen, das die Anschlussfähigkeit der sozialistischen Ideen für die rechtschaffenen, klugen Leute unterminiert.

Das grundsätzliche Motiv vieler Sozialisten verortet er in einem „überentwickelten Ordnungssinn“ , der sich mit einer Glorifizierung des Fortschritts, also der industrialisierten Maschinenwelt verbindet.

Wasser predigen, Wein saufen

Auch damals schon lebten die Kritiker des Kapitalismus in behaglichen Verhältnissen und hätten laut Orwell einen Teufel getan um die Verhältnisse dahingehend zu ändern, dass sie zusammen mit den verhassten Proletariern hart arbeiten und Kartoffel und Heringe essen müssten.

In diesen Schilderungen wird einmal mehr deutlich, dass der Salon-Sozialist sich nur oberflächlich an tatsächlichen oder eingebildeten Mißständen abarbeitet, im Grunde aber mit seinem Status innerhalb der Gesellschaft und seinem Auskommen zufrieden und bestrebt ist, diese zu erhalten.

So ist es auch nicht verwunderlich, dass beispielsweise das Black Lives Matter Global Network in einem Zeitraum von zwei Jahren 4,5 Millionen US-Dollar für Berater, Reisekosten und Kompen
sationen für die eigenen Mitarbeiter ausgab, während an die lokalen BLM Gruppen, die nach eigenen Angaben die ganze Arbeit verrichten, nur 328,000 USD ausbezahlt wurden.

Eine ähnliche Bilanz zugunsten der eigenen Portokasse findet sich bei der von Hollywood-Berühmtheiten ins Leben gerufenen Hilfsorganisation „Time´s Up“, die vorgibt, Opfer von sexueller Belästigung zu unterstützen.

Der Übersozialisierte

Ein nicht uninteressanter psychologischer Erklärungsansatz findet sich im Manifest „Die industrielle Gesellschaft und ihre Zukunft“ des UNA-Bombers Ted Kaczysnki.

Kaczynski spricht darin vom Typus des „übersozialisierten Linken“, der, verkürzt dargestellt, an sich selbst so hohe moralische Ansprüche stellt, dass er ihnen notwendigerweise nicht gerecht werden kann, was ihn zunehmend frustriert.

Der Übersozialisierte läuft ständig Gefahr, etwas falsch zu machen und steht daher unter hohem Druck. Er darf nicht gehässig sein, er darf keine zotigen Witze reißen, er muss stets inklusiv und tolerant sein, er muss die wöchentlich wechselnden, als politisch korrekt geltenden Begrifflichkeiten beherrschen, um bei seinen progressiven Genossen nicht in Ungnade zu fallen.

Er kann nicht einmal Basketballstiefel kaufen, ohne vorher seine Freunde of color auf Twitter zu fragen, ob das schon unter kulturelle Aneignung fällt.

Da er keine Möglichkeit hat, den „Machtprozess“ zu durchlaufen, was bei Kaczynski so viel heißt, dass er, eingebunden in eine globalisierte, vernetzte Gesellschaft, sein eigenes Schicksal nicht mehr ausreichend kontrollieren kann, vermischt sich die bestehende Frustration mit einem Gefühl der Ohnmacht.

Diese negative Energie kanalisiert schließlich in der Bekämpfung eines Feindes, unabhängig davon, ob der am Ende AfD heisst oder J. K. Rowling.

Links zu sein bietet ihm die einmalige Gelegenheit, abgrundtief zu hassen, wenn nötig auch zu kämpfen und zu töten, und sich trotzdem auf der richtigen Seite zu wähnen. Da der übersozialisierte Linke keine Kontrolle über sein eigenes Leben hat, versucht er Kontrolle anderweitig herzustellen.

Mit einiger Penetranz belehrt er seine Mitmenschen übers Fleischessen, übers Fliegen, über einfach alles, mitsamt einer Anleitung wie man dieses und jenes handhaben sollte. Weicht jemand ab, entzieht sich also der Kontrolle, ist das für ihn unerträglich und er setzt alles daran, den Abweichler zu eliminieren.

Aggression und Kontrollzwang bilden somit das Fundament für Tweets, die die Wiedererrichtung von Konzentrationslagern für Querdenker fordern.

Versuchungen der Unfreiheit

Ralf Dahrendorf, ein deutsch-britischer Soziologe, geht der Frage nach, warum so viele Intellektuelle im totalitären 20. Jahrhundert der Vernunft den Rücken gekehrt und den Versuchungen der Unfreiheit, namentlich Kommunismus und Faschismus, nachgegeben haben.

Er verortet die Beweggründe größtenteils im Opportunismus und Idealismus und betont das quasireligiöse Element, wenn er etwa die Sozialistin Beatrice Webb mit den Worten zitiert, dass sie „sich nach einem Glauben sehnte, der sowohl ihre emotionalen Bedürfnisse als auch ihre intellektuellen Überzeugungen von Gleichheit und Gerechtigkeit befriedigte.“

In einer sich „desintegrierenden Gesellschaft, die nach Glauben dürstete“, übernahmen die öffentlichen Intellektuellen die Rolle der Hohepriester, die, den hoffnungsvollen Blick fest auf die Zukunft fixiert, eine Vision des Reiches Gottes auf Erden predigten. Dabei neigten sie nicht zu Untertreibungen, denn „es hat schon seinen Grund, dass öffentliche Intellektuelle gerne das an sich Normale dramatisieren, denn das hilft ihrem Selbstbild und gibt ihren Worten erhöhte Bedeutung.“

Aus Dahrendorfs Ausführungen entnehmen wir das Argument der Ersatzreligion. Da es gerade linken Intellektuellen schwerfällt, sich mit gewissen Unzulänglichkeiten der menschlichen Existenz abzufinden, werden praktische Ansätze, die diese Unzulänglichkeiten miteinbeziehen und in der Lage sind, tatsächliche etwas zu bewirken, der abstrakten Konzeption einer herzustellenden besseren Zukunft geopfert.

Maßnahmen, die zum Ziel haben, alle vorgefundenen Verhältnisse umzustürzen, geraten auch dann nicht in Misskredit, wenn sie in blanken Terror umschlagen, da der Zweck die Mittel heiligt und Spähne eben dort fallen, wo gehobelt wird.

Aus dieser mystischen Himmelreich-auf-Erden-Metaphorik speist sich der totalitäre Anspruch, denn wer sollte gegen paradiesische Zustände legitime Einwände vorbringen.

Was bleibt?

Diese Schilderungen zeichnen weniger das Bild eines bluttrinkenden Satanisten, als vielmehr das eines Predigers einer UFO-Sekte, der darauf hofft, dass die Welt eines Tages durch extraterrestrische Einflussnahme wieder ins Gleichgewicht gebracht wird.

Seine ungeliebten menschlichen Regungen kann er nur auf eine zulässige Art und Weise ausleben, nämlich im Kampf gegen jeden, der seiner Vision im Wege steht. Da die moderne technokratische Gesellschaft ihren „Experten“ den Rang einer Autorität zugewiesen hat, verfängt deren quasireligiöse Litanei leider viel zu oft.

In dem Moment, in dem der Durchschnittsbürger begreift, dass es dabei weniger um tatsächliche Lösungsansätze, als vielmehr um die Stabilisierung des Egos dieser sogenannten Experten geht, sind wir einen beträchtlichen Schritt weiter.

In seinem primären Betätigungsfeld, der abstrakt theoretischen Ebene, wird man den Intellektuellen Idioten ohnehin nicht schlagen können, denn er wird für jedes Problem eine Lösung herbeikonstruieren. Seine Vision zerbricht letztendlich an der Wirklichkeit.

Gastautor

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