Dunkel
Hell
Dunkel
Hell

Der letzte Erfolgsschriftsteller der Bonner Republik

26. Juli 2021
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Wenn es eine Institution gibt, die mich bisher noch nie enttäuscht hat, dann ist es das “Öffentliche Bücherregal”. Oder wie nennt man diese öffentlich zugänglichen Schränke, in die jeder Bürger seine zerlesenen Schinken stellen kann, um sich im Gegenzug neuen Lesestoff zu besorgen? Egal, Sie wissen ja worum es geht.

“Öffentliche Bücherregale“ sind jedenfalls eine tolle Sache und verdienen bei Gelegenheit eine eingehendere Betrachtung. Vor einiger Zeit zog ich jedenfalls eine etwas ramponierte Heyne-Ausgabe aus dem Regal, weil mir der Titel so gut gefiel: “Die Rollbahn“, prangte auf dem Umschlag und darüber, ebenfalls wie eine Institution: Konsalik.

Titel, Bild und Rückseite des Taschenbuches verrieten mir, dass ich es mit der vollen Ladung Landserromantik zu tun bekommen würde: Ein dumpfer Marsch durch eine Trümmerlandschaft aus Gewalt, Sex und verratenen Helden. Eigentlich nicht mein Ding, aber irgendwie ein Stück Kulturgut der Bonner Republik und damit dann doch einer näheren Betrachtung wert.

Und dann der Name: Konsalik. Da war doch was, oder? Nein. “Doch, doch!“, insistierte ein Freund, als er das Buch in meinem Regal sah, “Konsalik liest mein Vater ohne Ende.“ Aha, also doch: Ein Autor für die Masse, für den kleinen Mann, den ganz normalen Reihenhausdeutschen, den verhinderten, nicht verratenen Helden. Möglich also, dass mir der Name im Ohr klingelte, weil ich ihn schon in so vielen Bücherregalen stehen sah.

Recherche also und siehe da: Über 139 geschriebene Bücher, 85 Millionen verkaufte Exemplare. Nach Karl May und Helmut Rellergerd (das gibt’s doch nicht: John Sinclair!) in Sachen Buchverkäufen der dritterfolgreichste Autor Deutschlands. Nicht schlecht, Herr Specht.

Mein Eindruck vom Literaturbetrieb der Bonner Republik war bisher von der obligatorischen Oberstufenlektüre geprägt. Man las eben Grass, Böll und den Spiegel. Aber diese Vorstellung trügt. Eiserne Kreuze, dickbusige Russinnen und die unendliche Weite der Steppe – in Wirklichkeit war das der geistige Rückzugsraum einer Klientel, die unsereins unter dem Schlagwort “Boomer” zusammenfasst.

Achso, ich bin Ihnen noch eine Leseprobe schuldig:

Ihre Augen flimmerten wie bei einer heißen Wölfin. “Du bieest großßßer Krieegsheld!“
”Scheiße”, sagte Kunze.
Es war gut, daß Tamara ihn nicht verstand.

Naja. Immernoch besser als Böll.

Friedrich Fechter

Nachdem sich Fechter von den beiden Chefs die Leitung der Netzredaktion hat aufquatschen lassen, musste er mit Enttäuschung feststellen, dass die Zeiten von Olymp-Schreibmaschinen und reizenden Vorzimmerdamen vorbei sind. Eine Schreibmaschine hat er sich vom hart erarbeiteten Gehalt trotzdem gekauft. Und einen antiken Schreibtisch. Auf irgendwas muss man im Hausbüro schließlich einprügeln können, wenn die faulen Kolumnisten wieder ihre Abgabefristen versemmeln…

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