Alte Gewissheiten im neuen Bundestag

26. März 2025
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Gestern, nach mehr als vier Wochen nach der Wahl, setzte sich endlich der neue 21. Bundestag der Bundesrepublik zusammen. Lang genug hat es gedauert, hat man die Mehrheitsverhältnisse des alten Bundestages noch genutzt, um mit einem unvorstellbar hohen Schuldenpaket die finanzielle und wirtschaftliche Zukunft der jungen Generationen zu verkaufen. Der schönste Anblick im neuen Parlament ist ohne Zweifel der nach rechts: Die AfD konnte ihre Fraktion fast verdoppeln, 152 Mann sitzen auf der rechten Seite des Parlaments. Und mit dem Kollegen Maximilian Kneller hat nun auch endlich die KRAUTZONE ihre wohlverdiente Vertretung im bundesdeutschen Parlament gefunden.

Aber ansonsten blieb das Spiel, das seit 2017 im Bundestag gespielt wird, dasselbe, auch wenn die Stimmung dank der gewachsenen AfD-Fraktion etwas angespannter ist als sonst. Da wäre das Amt des Alterspräsidenten, der die erste Sitzung bis zur Wahl eines neuen Präsidiums zu leiten hat. Dieses Amt fällt – normalerweise und traditionsgemäß – auf den ältesten Abgeordneten des neuen Parlaments. Das wäre im Falle des 21. Bundestages niemand anderes gewesen als Alexander Gauland, der seit mittlerweile acht Jahren für die AfD im Bundestag sitzt und davor jahrelang Mitglied der CDU war.

Um das zu verhindern, wurde bereits 2017 diese Regelung geändert; statt des ältesten Mitgliedes wird seitdem der dienstälteste Abgeordnete, also derjenige, der bereits am längsten Mitglied des Bundestages ist, Alterspräsident. Im Falle des 21. Bundestages: der Vorzeigemann der Linken, Gregor Gysi, der – mit einer dreijährigen Unterbrechung von 2002 bis 2005 – seit 1990 Teil des bundesdeutschen Parlaments ist. Naturgemäß protestierte die AfD gegen diese Praxis, ein entsprechender Antrag wurde von allen anderen Fraktionen abgelehnt – auch von der „konservativen“ CDU.

Statt nämlich wirksame Maßnahmen zu unterstützen (man darf nicht vergessen: Nur ein Teil ihrer Stimmen hätte für eine nötige Mehrheit gereicht), verließ man sich auf formalen Gratismut – wie man es eben von der Union gewohnt ist: Der Abgeordnete Sepp Müller las während der Rede Gysis demonstrativ das Buch „Die Täter sind unter uns“ von Hubertus Knabe über die Untaten des SED-Regimes. Dafür ließ er sich dann auch von den Unionsclaqueuren der „Welt“ auf Twitter beklatschen.

Dass ein paar Minuten vor dieser „frechen“ Aktion Müllers Parteikollege Thorsten Frei den Alterspräsidenten gegen die AfD verteidigt hat, scheint da schon vergessen zu sein.

Aber kommen wir zu Gysi selbst: Seine Rede war erstaunlich langweilig. Der emotionale Höhepunkt war vielleicht, als er forderte, man solle in den verschiedenen politischen Lagern doch mehr aufeinander zukommen und zum Beispiel Bismarckstraßen und eine Karl-Marx-Universität hinnehmen. Also: Der jeweilige politische Gegner der Namenspatrone solle das gefälligst tolerieren. Aber ansonsten habe ich wohl kaum eine so uninspirierte wie dranglose Rede von ihm gehört. Ich hatte, wie so viele andere wahrscheinlich auch, mit einer gewieften und von mir aus auch ironischen oder gar witzigen Rede gerechnet, aber das war ja nicht mehr als eine Plenarsaalrede, wie sie auch von einem unerfahrenen Abgeordneten hätte gehalten werden können.

In den 36 Minuten seiner Rede klapperte er alle möglichen Themen ab: Über Schulbildung, Russlandpolitik, Feminismus und Corona – alles kam vielleicht für ein, zwei Minuten dran, auf nichts wurde in Tiefe eingegangen. Rhetorische Kunstgriffe ließen sich ebenfalls vermissen, und zu allem Überfluss las er den Großteil der Rede auch noch ab, statt sie frei zu halten. Wohin ist der rhetorisch begabte Anwalt? Was sagen nun alle die, die Gysi vor allem wegen seiner Redekunst so gelobt haben? Der alte Mann scheint entzaubert zu sein.

Hinzu kommt, dass eine wirklich mitreißende Vision in seiner Rede gefehlt hat. Von einer Aufbruchstimmung konnte ich jedenfalls nicht viel spüren. Oder lag es einfach daran, dass ich ein überzeugter politischer Gegner des Dr. Gysi bin und damit gar nicht der Adressat? Auffallend war auch, dass der Mann in seiner Rede im Grunde genommen nur Werbung für seine politischen Ansichten gemacht hat – wenn auch nicht offensiv, sondern rational gelangweilt – und nicht als Vertreter des gesamten Hauses sprach. Statt einer Gesamtperspektive eine Apologetik der Linken und auch der DDR: Hätte man nicht mehr aus dem untergegangenen Satellitenstaat DDR übernehmen sollen? Auch hier nichts Neues, sondern das, was er bereits seit Jahren predigt.

Und so war der erste Tag des neuen Bundestages: Eine AfD-Fraktion in neuer, größerer Stärke und ein Alterspräsident, der vor 35 Jahren ironischerweise gegen den Beitritt zu dem Staat stimmte, in dessen Parlament er dieses Amt ausübte – das gab es so noch nicht. Was gleichbleibt: eine selbstgefällige und scheinmutige Union und die Wahl des Bundestagspräsidenten und dessen Vizepräsidenten, bei der alle Kandidaten gewählt wurden – also, bis auf den AfD-Mann natürlich. Manches bleibt eben doch beim Alten.

Fridericus Vesargo

Aufgewachsen in der heilen Welt der ostdeutschen Provinz, studiert Vesargo jetzt irgendwas mit Musik in einer der schönsten und kulturträchtigsten Städte des zu Asche verfallenen Reiches. Da er als Bewahrer einer traditionsreichen, aber in der Moderne brotlos gewordenen Kunst am finanziellen Hungertuch nagen muss, sieht er sich gezwungen, jede Woche Texte für die Ausbeuter von der Krautzone zu schreiben. Immerhin bleiben ihm noch die Liebesgrüße linker Mitstudenten erspart…

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