Die Luft in Deutschland wird von Tag zu Tag bleihaltiger – zumindest in den jüngsten Schlagzeilen der Mainstream-Medien: „Ein Land rüstet auf“ / „Haben wir genug Kräfte? Nein“ / „Pistorius: Bis zu 60.000 Soldaten mehr“ / „Deutsche Hilfe beim Bau ukrainischer Raketen“ / „Wenn es ernst wird“/ „Eine Million Plätze in Schutzräumen“. Nahezu täglich werden Leser und Hörer mit diesen und ähnlichen Nachrichten in Unruhe versetzt. Worum geht es? Hat der Russe bereits mobil gemacht? Bei der Bundeswehr, so heißt es, geht man davon aus, daß für die Vorbereitung auf den möglichen Ernstfall nicht mehr viel Zeit bleibt. Bereits in vier Jahren, also 2029, könne Rußland in der Lage sein, NATO-Gebiet anzugreifen. Im Bündnisfall käme Deutschland dann eine Drehscheiben-Funktion zu. Internationale Truppen würden über deutsches Gebiet an die mögliche Front im Osten Europas verlegt; die Bundesrepublik würde somit Zentrum für Aufmarsch und Logistik eines Krieges und wahrscheinlich zum Ziel weitreichender russischer Raketenangriffe werden.
Auch NATO und EU lassen die Alarmglocken schrillen. Das Militärbündnis hat ausgerechnet, daß jedes seiner 32 Mitglieder fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für die Aufrüstung braucht. Im Fall der Bundesrepublik wären das jährlich rund 200 Milliarden Euro. In Zeiten des Kalten Krieges hatte Deutschland bis zu vier Prozent des BIP für seine Verteidigung ausgegeben, doch damals gab es nicht nur die Sowjetunion als Bedrohung, sondern den Warschauer Pakt, also ganz Osteuropa. Heute hingegen sind die meisten Pakt-Staaten in der NATO und somit Verbündete. Gleichwohl gab Bundeskanzler Friedrich Merz die Parole aus, die Bundeswehr zur konventionell stärksten Armee Europas zu machen. Jenseits der Personalfrage geht es um die Modernisierung des Waffenarsenals – vorrangig um die Luftabwehr und um Kampfdrohnen, die den Krieg in der Ukraine bestimmen. Schrittweise soll die aktive Truppe auf 260.000 Soldaten anwachsen und eine leistungsfähige Reserve entwickelt werden, um die von Generalinspekteur Carsten Breuer genannte Zielgröße von insgesamt 460.000 Soldaten zu erreichen.
Ursula von der Leyen, Kommissionspräsidentin der EU, hat einen überaus ambitionierten Plan entwickelt, den sie Ende Mai anläßlich der Verleihung des Aachener Karlspreises mit den Worten vorstellte:
„Ich weiß, daß diese Botschaft für manche unheimlich klingen mag – aber hier geht es um den Kern unserer Freiheit. Die nächste große Ära, unser nächstes großes, einendes Projekt muß von einem unabhängigen Europa ausgehen.“
Von der Leyen nennt vier Prioritäten, allen voran „die Entwicklung einer neuen Form einer Pax Europaea des 21. Jahrhunderts“. Dies beinhaltet mehr Hilfe für die Ukraine und höhere Verteidigungsausgaben. Noch in diesem Jahrzehnt werde eine neue internationale Ordnung entstehen, die Europa nicht zuletzt angesichts des unsicheren Verhaltens der USA gestalten müsse: „Unser Auftrag heißt europäische Unabhängigkeit.“ Zweitens sollen „Innovation und Wettbewerbsfähigkeit ins Zentrum der Erneuerung Europas“ rücken. Drittens plant von der Leyen als „neue historische Wiedervereinigung“ die Aufnahme der Ukraine, des Westbalkans, der Republik Moldau und eventuell Georgiens in die EU. Viertens müsse sich Europa innerlich wappnen gegen „das Wiedererstarken extremistischer Parteien und illiberaler Strömungen“.
Priorität in Deutschland haben auch der Heimat- und der Bevölkerungsschutz. In einem Interview mit der „MAZ“ am 3. Juni umriß Andreas Henne, Generalmajor der im Aufbau befindlichen Heimatschutz-Division, deren Aufgaben:
„Wir sollen im Krisen- und Verteidigungsfall die militärische Infrastruktur schützen und den Aufmarsch von NATO-Truppen an die Ostflanke sicherstellen. Wir sorgen dafür, daß die Autobahnen, Bahnstrecken und Brücken gesichert werden, damit die schnelle Verlegung durch Deutschland möglich ist. Wir hatten gerade unsere erste Übung, da ging es um den Aufbau und die Absicherung eines militärischen Pit Stops, einer Rastanlage für Militärtransporte. Wir haben zudem den Auftrag, die Korridore offenzuhalten. Das heißt, wir müssen die Infrastruktur überprüfen und dafür sorgen, daß sie nicht zerstört wird. Dazu zählen unsere wichtigsten West-Ost-Straßenverbindungen – zum Beispiel die Brücken auf der Autobahn 2 bei Magdeburg.“
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) hat der SZ zufolge mit Vertretern aus Ministerien und Landesbehörden längst durchgespielt, was ein größerer Krieg in Europa für das deutsche Gesundheitssystem bedeuten würde. Im Ernstfall müssen die Kliniken laut BBK in größerer Zahl Patienten mit Schuß- und Explosionsverletzungen behandeln, auch Vergiftungen durch biologische und chemische Stoffe seien möglich. Man rechnet mit 1.000 Patienten pro Tag zusätzlich. In Deutschland mangelt es zudem am Schutz für die Zivilbevölkerung.
Von den einst 2.000 Bunkern und Schutzräumen aus der Zeit des Kalten Kriegs existieren nur noch 580, die 480.000 Personen Schutz bieten könnten. Das BBK will daher so schnell wie möglich Tunnel, U-Bahnhöfe, Tiefgaragen und Keller in öffentlichen Gebäuden zu Schutzräumen für eine Million Menschen umgestalten. Auch das Warnsystem soll verbessert und die Anzahl der Sirenen von jetzt 8.000 verdoppelt werden. Und was kann der einzelne Bürger zur Widerstandsfähigkeit des Landes beitragen? BBK-Präsident Ralph Tiesler am 6. Juni im SZ-Interview:
„Unser Appell: So viele Vorräte anlegen, daß man möglichst zehn Tage über die Runden kommt. Aber auch ein Vorrat von mindestens 72 Stunden hilft schon sehr. Damit können kleinere Unterbrechungen des Alltags gut überbrückt werden.“
Und warum das alles? Das fragt sich nicht nur der Autor dieser Zeilen. Seit dem völkerrechtswidrigen Überfall am 24. Februar 2022 ist es dem russischen Präsidenten Putin bis heute, also im bereits vierten Kriegsjahr, nicht gelungen, die Ukraine zu besiegen. Warum also sollte er planen, demnächst einen der baltischen Staaten anzugreifen und Krieg mit der NATO zu riskieren? Gut, Vorsicht gilt als Mutter der Porzellankiste, aber die Hysterie im westlichen Lager ist nicht nachvollziehbar. 2007 hatte Putin, Jahrgang 1952, die Stiftung „Russkij Mir“ („Russische Welt“) gegründet. Sie umfaßt „die alte Rus, das Moskauer Zarenreich, das russische Zarenreich, die Sowjetunion und das moderne Rußland“. Bereits 1993 hatte die Russisch-Orthodoxe Kirche unter Patriarch Kyrill das „Weltkonzil des Russischen Volkes“ gegründet. In der Grundsatzerklärung heißt es:
„Rußland wird zu der seit mehr als drei Jahrhunderten bestehenden Doktrin der Dreieinigkeit des russischen Volkes zurückkehren, wonach das russische Volk aus Großrussen, Kleinrussen und Weißrussen besteht, die Zweige (Unterethnien) eines Volkes sind.“
Obwohl sie nicht zur „Dreieinigkeit des russischen Volkes“ gehören, fürchten sich die längst der EU und der NATO beigetretenen Polen und Balten und haben im Westen den sich täglich steigernden Kriegsalarm ausgelöst. Unter dem Titel „Der falsche Krieg“ hat der Publizist Gerd Held am 2. Juni in „Tichys Einblick“ einen überaus lesenswerten Artikel über Ursachen und Folgen des Ukraine-Konflikts veröffentlicht, der alle aufgeregten Gemüter besänftigen dürfte.
Die Gemüter sollen sich gar nicht beruhigen. Der ständige Kriegsalarm hat für Regierende immense Vorteile:
– Die Bevölkerung wird verunsichert und damit lenkbarer. Überwachungs- und Zensurmechanismen werden leichter akzeptiert.
– Eine immense Verschuldung für die „Sicherheit“ wird legitimiert, sowohl in den nationalen Haushalten als auch durch gemeinsame EU-Schulden, die eigentlich nicht vorgesehen sind.
– Sollte der Verteidigungsfall ausgerufen werden, können Wahlen ausgesetzt und mit Notstandsgesetzen durchregiert werden.
Es könnte eine false-flag-Operation mit einem Angriff auf Russland drohen, den man aber in unseren Medien als Angriffs Russlands verkauft. Ich verstehe nämlich die Hysterie auch nicht und kann es mir nach meinen letzten kriminell-geheimdienstlichen Erlebnissen seit meiner Reise in die Ukraine nur noch so erklären. Ich habe dazu ein Video gemacht und auf meiner Instagram-Seite veröffentlicht: @raffi_ajm oder tiktok: @robert.marowskiwolf