Dunkel
Hell
Dunkel
Hell

Bürgergeld und Bürgerproteste

22. September 2022
in 2 min lesen

Das neue Bürgergeld ist da! Also, zumindest fast – es wird schließlich erst ab dem 1. Januar 2023 ausgezahlt, aber die Zeit bis dahin vergeht schneller, als so manchem lieb ist. Doch kaum ist es angekündigt, steht es schon unter harscher Kritik: Es mache das Arbeiten… nun ja… sinnlos. Diese neue Sozialhilfe bringe mindestens so viel Geld ein wie ein normaler Mindestlohnjob – und selbst wenn nicht: Dann habe ich halt 50 Euro weniger im Monat, kann davor aber an 40 Stunden in der Woche daheimbleiben! Klingt doch super? Der „Focus“ etwa berichtet von einem Handwerker, der mit 50 lieber das Bürgergeld bezieht, anstatt bis 67 zu arbeiten. Das klingt nicht nach dem Motiv eines „arbeitsscheuen“ Menschen, sondern dem eines Mannes, der sonst nicht weiß, wie er bei den Energie- und Nahrungspreisen und der drohenden Armutsrente ab 67 über die Runden kommen soll. Im Gegensatz dazu gibt es auch Stimmen von links, die das Bürgergeld für noch nicht hoch genug halten: „Der Paritätische Wohlfahrtsverband lob[t] den Schritt in die richtige Richtung, [hält] ihn allerdings noch nicht für ausreichend groß“, schreiben die „Stuttgarter Nachrichten“.

Der Rest an libertärer Geisteshaltung in mir fragt sich: Wie soll das weitergehen? Wie lang kann dieser fiskalpolitische Selbstmord noch gut gehen? Es wird ja nichts besser durch die getroffenen Maßnahmen: Die Inflation gleicht die Erhöhung des Bürgergeldes wieder aus oder macht sie gänzlich nutzlos, und um das Geld für die Sozialhilfen zu bekommen, muss der Staat den Bürger noch mehr auspressen. Ein Teufelskreis bahnt sich an, während die Druckerpressen der EZB nicht zur Ruhe kommen. Wer weiß, wo das hinführt. Eventuell können wir unsere Schubkarren voll Geld bald wieder zum Bäcker für einen Laib Brot schieben, sofern die Bäcker bis dahin die Energiepreisexplosion überlebt haben. Die 20er-Jahre jedenfalls machen ihrem Namen bis jetzt alle Ehre.



Apropos explodierende Energiepreise: Uns steht ja noch der „heiße Herbst“ bevor. Gestern, am Mittwoch, dem 21. September, führte die AfD Thüringen in Erfurt die erste Demonstration in diesem Herbst durch. Circa 1.400 Personen sollen sich versammelt haben, ganz vorne mit dabei natürlich der „Liebling“ der Medien, Thüringens AfD-Chef Björn Höcke. Seine Strategie, ohne zu Zögern jede Schwäche des Gegners auszuspielen, scheint aufzugehen: In den neuesten Wahlumfragen in Thüringen steht die AfD mit 26 Prozent an erster Stelle, noch vor der SED des sonst eigentlich beliebten Ramelow. Dass die rot-rot-grüne Regierung in Erfurt sich vor Höcke fürchtet, ist keine große Neuigkeit. Sie reagiert mit den üblichen Parolen: „‚Die AfD will einen Winter der Angst‘, sagte Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) am Mittwoch im Landtag“, schreibt die „Süddeutsche Zeitung“. Und nicht nur in Thüringen scheint die AfD Erfolg zu haben, am 20. September kletterte sie auf 30 Prozent in Sachsen. Immerhin, der rebellische Osten bleibt stabil, da fragt sich nur, wie es sich jenseits des ehemaligen Eisernen Vorhangs entwickeln wird.

Die Hoffnung besteht, dass sich die Leute diese immensen Preise bald nicht mehr zumuten werden. Aber werden sich die Aufregung und die Wut in die richtige Richtung kanalisieren? Warten wir erst mal ab, aber ich denke: Nein. Vermutlich wird sich die nächste linksliberale Boomerpartei gründen, wie es in der Corona-Geschichte mit der Basis-Partei passiert ist, nur um dann der AfD wichtige Stimmen abzugraben und anschließend in der völligen Bedeutungslosigkeit zu verschwinden. Und selbst wenn im Winter die AfD auf 30, 35 oder gar 40 Prozent in den Umfragen steigen wird, wird sie dieses Hoch wohl kaum effektiv nutzen können: Im Winter sind schließlich keine Wahlen, und bis zu denen kann sich das Gemüt des Wählers noch mal ändern. Aber nun gut, vielleicht betrachte ich die Lage auch viel zu pessimistisch. Wer weiß, was kommen wird, hoffen wir auf das Beste…

Fridericus Vesargo

Aufgewachsen in der heilen Welt der ostdeutschen Provinz, studiert Vesargo jetzt irgendwas mit Musik in einer der schönsten und kulturträchtigsten Städte des zu Asche verfallenen Reiches. Da er als Bewahrer einer traditionsreichen, aber in der Moderne brotlos gewordenen Kunst am finanziellen Hungertuch nagen muss, sieht er sich gezwungen, jede Woche Texte für die Ausbeuter von der Krautzone zu schreiben. Immerhin bleiben ihm noch die Liebesgrüße linker Mitstudenten erspart…

Mehr vom Autor

Krautzone als Print – jetzt abonnieren!

Kampf gegen Staatsmedien und linken Einheitsbrei