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Der 8. Mai im „current year“

12. Mai 2022
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Es war mal wieder Tag der sogenannten Befreiung, Leute. Ein Tag, der vollkommen vom Nachkriegsnarrativ samt Propaganda umhüllt ist. Die BRD-Eliten verfallen am 8. Mai, wie gewohnt, in einen Status der Selbstverleugnung und -geißelung, eine Art Trance einer gottlosen Buße. Doch auch im Ausland lassen sich Absurditäten beobachten: Durch den Krieg im Osten erhob sich das Spektakel um den Sieg über Nationalsozialisten auf eine völlig neue Ebene. In der Sowjetunion wurde der „Tag des Sieges“ am 9. Mai gefeiert, da die separate Kapitulation der Wehrmacht vor der Roten Armee nach Mitternacht und somit am neuen Tag stattfand. Die Nachfolgestaaten der Sowjetunion, insbesondere Russland, haben diese Tradition übernommen; seit Putin wurde regelmäßig eine Militärparade am 9. Mai abgehalten.

Nun wird der 9. Mai durch den Ukrainekrieg überschattet. Seitdem der erste Schuss abgegeben wurde, befinden sich beide Seiten in einem gnadenlosen und vor allem absurd-schonungslosen Propagandakrieg. Ob es unseren Vorvätern ähnlich erging, als sie mit der Propaganda der beiden Weltkriege bombardiert wurden? Apropos Weltkrieg, ein zentraler Aspekt in dieser Propagandaschlacht ist der Streit, wer denn nun der „wahre Nazi“ sei: Putin und sein Gefolge würden gerne die Ukraine „entnazifizieren“ – und greifen damit das Sowjetnarrativ der Nachkriegszeit auf –, während sich die Ukrainer und ihre Verbündeten in einem verzweifelt-heroischen Kampf den faschistischen Horden aus dem Osten widersetzen. Mit dem 9. Mai wird diese Absurdität auf die Spitze getrieben: Denn nun streiten sich die beiden Kriegsparteien, wer denn wirklich Europa von den Nationalsozialisten befreit habe. Die Russen beharren auf ihrer althergebrachten Sowjet-Erzählung – war nicht anders zu erwarten. Selenskyj auf der anderen Seite ließ ein Video produzieren, in dem er den 9. Mai in Verbindung mit den umkämpften Städten im Osten des Landes bringt – denn von dort haben die Ukrainer die Nazis vertrieben, und von dort werden sie die Russen ebenso vertreiben.

Die Nazi-Karte wird auch gerne von beiden Seiten ausgespielt, um von der Bundesrepublik ein eindeutiges Bekenntnis zu einer Partei zu erpressen. Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, forderte etwa am 8. Mai die Errichtung eines Denkmals für die acht Millionen ukrainischen Opfer des Nationalsozialismus. Dass die Ukrainer im Jahre 1941 die einrückende Wehrmacht mit offenen Armen empfangen haben, wird besser verschwiegen – andererseits ist das Verhalten der damaligen Ukrainer ja durchaus verständlich, wenn man bedenkt, was ihnen im Zuge des Holodomor angetan wurde.

In der Schule wurde mir im Geschichtsunterricht die Abstrusität und Gefährlichkeit von Kriegspropaganda, gerade aus den Weltkriegen, nähergebracht. Besser gesagt: die Abstrusität und Gefährlichkeit der Anti-System-Propaganda. Es verwundert natürlich nicht, dass einem die jetzige Propaganda nie aufgezeigt wurde – es würde ja dem System schaden. Dennoch ist es erstaunlich, wie viele vermeintlich aufgeklärte Leute auf den Unsinn der Propagandamaschinerie hereinfallen. Und für uns? Allemal interessant ist es, wie leicht sich die Masse doch lenken lassen kann, wenn man sie richtig füttert…

Fridericus Vesargo

Aufgewachsen in der heilen Welt der ostdeutschen Provinz, studiert Vesargo jetzt irgendwas mit Musik in einer der schönsten und kulturträchtigsten Städte des zu Asche verfallenen Reiches. Da er als Bewahrer einer traditionsreichen, aber in der Moderne brotlos gewordenen Kunst am finanziellen Hungertuch nagen muss, sieht er sich gezwungen, jede Woche Texte für die Ausbeuter von der Krautzone zu schreiben. Immerhin bleiben ihm noch die Liebesgrüße linker Mitstudenten erspart…

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