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„Der Bürger als Blödmann*in“ – Besuch in der Demokratieausstellung in Bonn

2. Juli 2024
in 2 min lesen

Von Renate Zillessen

Na, wer hat es gemerkt? Genau: Die Überschrift zitiert Molières Ballettkomödie „Der Bürger als Edelmann“, in der ein törichter Kaufmann beim Wunsch, in den Adel aufzusteigen, von eben diesem nach Strich und Faden ausgenommen und lächerlich gemacht wird. Das 1670 vor dem Hofstaat Ludwig XIV aufgeführte Stück war ein voller Erfolg.

Genau das dürfte auch die vom 30.05. bis 13.10.2024 laufende Ausstellung in der Bundeskunsthalle werden, und sei es auch nur, weil sämtliche Schulklassen im Umkreis von 100 Kilometern durchgeschleift werden dürften. Das Niveau der Exponate, Texttafeln, Videos und „Mitmachmöglichkeiten“ orientiert sich jedenfalls an Viertklässlern – was von den Aufgeweckteren dieser Altersgruppe hoffentlich nicht als Rassismus missverstanden wird. Ich habe nichts gegen Viertklässler, einige meiner besten Freunde sind Viertklässler. Ich gönne allen ihren Spaß am Aufpumpen einer „Göttin der Demokratie“, die danach aber auch nicht schöner ist denn als luftloser Haufen aus weißem Plastik.

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Oder am Wippen auf einer Wippe im „Fitnessstudio Demokratie“. Zumal vom Viertklässler bis zum Vierundneunzigjährigen spätestens angesichts dieser Installationen klar wird, wie unsere neuen Sonnenkönige die Bürger sehen: als Blödmänner (generisches Maskulinum!), denen man selbst die schlichtesten Begriffe mittels noch schlichterer Bildchen, Aufbauten und allerlei Krimskrams versinnbildlichen muss.

Oder eben auch nicht. Im Eingangsbereich findet sich beispielsweise ein Haufen aufeinandergestellter Stühle. Der in Zeiten radikal subjektiven Kunstschaffens alles Mögliche bedeuten könnte, von einer Allegorie auf Missbrauchserfahrungen in einem Möbelhaus bis zur Kritik am spätkapitalistischen Überkonsum von Sitzgelegenheiten. Glücklicherweise gibt es Erklärschildchen, so dass der Aufklärung suchende Demokratieausstellungsbesucher lesen kann: Das Stuhlowabohu meint den „Runden Tisch“, an dem DDR-Bürgerrechtler nach dem Zusammenbruch ihres Staates diskutierten. Darauf muss man erst einmal kommen. Ein Haufen aufeinandergestellter runder Tische wurde vermutlich als zu populistisch verworfen.

Generell schwankt der geneigte Besucher zwischen nahezu vollidiotischen Exponaten wie einem kindisch gemalten Regenbogeneinhornbild mit dem Schriftzug „Alle sollen entscheiden“ (was natürlich Quatsch ist, in einer Demokratie entscheiden die Wahlberechtigten, aber was solls) und komplexen Darstellungen der Sitzordnungen in diversen Nationalparlamenten, die sehr schön zeigen, auf wie viele Arten man sehr viele Stühle platzieren kann (Referenz an die Installation im Eingangsbereich? Wer weiß!). Damit man nicht wirklich ins Schwanken gerät, muss man nur dem aus aufgemalten Fußabdrücken gebildeten Parkour durch die Austellung folgen. Dann verpasst man garantiert nichts.

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Und damit man sich am Ende nicht fragt, was einem die Künstler, die drei Kuratoren, der Medienpartner WDR und natürlich die Große Förderin, die Beauftragte für Kultur und Medien der Bundesrepublik Deutschland, damit sagen wollten, sagen sie es selber:

„Wir sollten uns nicht als Kunden der Demokratie verstehen, sondern als ihre Betreiber. Demokrat sein heißt nicht, nur alle vier Jahre zur Wahl zu gehen.“

Das musste mal gesagt werden, in diesem Fall von der Kuratorin Johanna Adam. Von der selben Dame stammt die schöne Erkenntnis „Demokratie ist wie Sport, und wir müssen jeden Tag unsere demokratischen Muskeln trainieren.“ Was aber keineswegs bedeuten darf, AfD-Wählern Tickets für die Ausstellung in die Hand zu drücken! Denn, so Frau Adam:

„Es gibt immer diejenigen, die nicht mehr zu erreichen sind und jene, die indifferent sind oder die sich so sehr wünschen, einfache Lösungen für komplexe Fragen zu erhalten. An dieser Stelle können wir nichts anderes tun, als auf die unangenehme Wahrheit hinzuweisen: Der Kiosk der einfachen Antworten ist leider dauerhaft geschlossen!“

Das mit dem Kiosk ist übrigens nicht metaphorisch, sondern als Hinweis auf ein gleichnamiges Kunstwerk in der Ausstellung zu verstehen. Und als Kundenservice, damit nicht haufenweise AfD-Wähler die Bundeskunsthalle stürmen. Davor kann man nur warnen!

Gastautor

Hier schreiben unsere Gastautoren, bis sie sich in unserer klebrigen Mischung aus Hass und Hetze verfangen, und schließlich als regelmäßige Autoren ein eigenes Profil bekommen.

4 Comments

  1. Wippe im „Fitnessstudio Demokratie“?
    Plakativer kann man den Schülernden nicht beibringen daß der gemeine Bürger hierzulande nur noch verschaukelt wird.

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