Starten wir mal mit etwas Eigenlob: Seit einer ganzen Weile prophezeie ich jetzt schon, dass das Alphabet-Thema, insbesondere das „T“, zum nächsten wichtigen Kulturkampf-Schauplatz werden wird. Genauso lange prophezeie ich, dass unsere Seite dieses Thema, was die öffentliche Meinung betrifft, maßgeblich für sich entscheiden wird, ebenfalls insbesondere im Falle des „T“. Sollte ich mit letzterer Prophezeiung genauso ins Schwarze getroffen haben wie mit ersterer, dann haben wir sehr lustige Jahre vor uns. Und die Leser-Bewertungen der drei „Welt“-Artikel, über die ich heute schreiben möchte, sind doch schon mal ein guter Anfang.
Stand Dienstagmittag stimmten dem kritischen Gastbeitrag mehrerer Experten über öffentlich-rechtliche Transsexualitätswerbung für Kinder in der „Welt“ mit 5.241 von 5.417 96,54 Prozent der Leser zu. Und das nach einer Woche medialem Feuersturm und Gezeter von Regierungsvertretern, das schließlich sogar in der „Welt“ selbst veröffentlicht wurde, aber dazu später mehr. Zunächst kroch drei Tage später Axel-Springer-Chef Mathias Döpfner in einem Beitrag „in eigener Sache“ zu Kreuze, in welchem er den Artikel als „inhaltlich unterirdisch, ressentimentgeladen, intolerant, grob einseitig, oberflächlich, herablassend, nicht weit entfernt von einer reaktionären Haltung, für jeden freien toleranten Geist unangenehm“ und „für alle, die sich der LGBTIAQ*-Community zugehörig fühlen, eine Verletzung und Zumutung“ bezeichnet und sich darüber ärgert, dass sein Unternehmen jetzt von irgendeiner schwulen Messe ausgeschlossen wurde. Das meine ich wörtlich, es geht um eine „queere Jobmesse“, was auch immer das sein mag. Scheinbar etwas ganz Wundervolles, die Veranstalter wurden jedenfalls eingeladen, eine „ausführliche Gegenposition“ in der „Welt“ zu vertreten, „weil uns die Sache, die die Messe vertritt, wirklich am Herzen liegt“.
Inhaltlich konnte ich, abgesehen von einem den gesamten Text andauernden lauten Wimmern, eigentlich nur einen einzigen Versuch eines Punktes gegen den Gastbeitrag vom 01.06. ausmachen: Pauschal habe man dort impliziert, dass es nur zwei Geschlechtsidentitäten gibt. Das ist zwar nicht einmal wahr, aber gut, „Geschlechtsidentitäten“ mag es in der Tat unzählige geben. Das bedeutet nur eben nichts, denn das Wort „Identitäten“ könnte man in derselben Weise an nahezu jede menschliche Eigenschaft hängen, um sie zu verkomplizieren oder undefinierbar zu machen. Vielleicht ist meine Haarfarbenidentität blond. Vielleicht färbe ich mir sogar meine Haare, um dieser zu entsprechen. Das ändert trotzdem nichts daran, dass, sobald mir die Bleiche ausgeht, wieder braune Haare aus meiner Schädeldecke sprießen werden und selbst wenn ich mir einen lebenslangen Vorrat davon zulege, meine Kinder die genetische Disposition für braunes Haar von mir erben werden. Denn eine Soundso-Identität heißt nichts weiter als „so tun, als wäre man X“, wenn sie sich mit den biologischen Gegebenheiten nicht deckt.
Das Zu-Kreuze-Kriechen kam schon mal weniger gut an: 599 von 3.067 Lesern mochten den Artikel, das entspricht 19,53 Prozent, also weniger als jedem Fünften. Aber das war noch gar nichts gegen die Rezeption eines Machwerks des offiziellen „Queerbeauftragten“ der Bundesregierung, das diesen Montag in der „Welt“ das Licht selbiger erblicken sollte: Seine schwülstigen, von moralinsauren Machtwörtern unterbrochenen Heulkrämpfe wurden mit 126 positiven Bewertungen zu 3.120 negativen zu 96,12 Prozent fast exakt genauso negativ bewertet wie der initiale Gastbeitrag positiv. Ich schätze also, die überwältigende Mehrheit der Leute ist einfach „nicht weit entfernt von einer reaktionären Haltung“, hat keinen „freiheitlichen Geist“ und all das. Das Interessanteste an diesem Beitrag war der Titel: „Homo- und Transfeindlichkeit ist keine Meinung – sondern Menschenfeindlichkeit“, ein indirekter Zensuraufruf aus der Feder eines Regierungsvertreters, denn welchen anderen Zweck hat die Feststellung, etwas sei „keine Meinung“, sondern „Verteufelung X“, außer anzudeuten, es sei also auch nicht von der Meinungsfreiheit gedeckt? Wie oft müssen sie jetzt eigentlich in ihrem eigenen Blatt auf die Autoren des Beitrags scheißen, bis es wieder gut ist? Welche Ratio indoktrinationskritischer Artikel zu erzürnten Moralpredigten über diese wäre akzeptabel, eins zu 9.000? Die ehrliche Antwort, und vielleicht sogar die, die Lehmann und die Alphabetmafia ganz offen geben würden, wäre: gar keine. Absolut alle Kritik an Transmaus und Co. muss weg, und nicht ein einziger zaghaft-kritischer Buchstabe darf noch in der Presse stehen.
Um abschließend noch mal etwas genereller zu werden: Es scheint doch erst mal alles auf recht erfreulichem Kurs zu sein. Die Zutaten für das Szenario, das mir Hoffnung macht, scheinen zumindest alle da: Medien und Politik überdrehen beim Thema Buchstabensalat komplett, und die Leute haben so langsam die Schnauze voll? Check, und das sogar noch vor dem „Selbstbestimmungsgesetz“, nach dem man per Selbstauskunft in Frauenknast und Co. kommen soll. Der „Welt“-Artikel könnte nun so etwas wie ein erster Türöffner in den Mainstream für unsere Sichtweise gewesen sein. Die Alphabetmafia dreht erwartungsgemäß frei, was auch bedeutet: Sie weiß um ihre Verwundbarkeit. Und damit meine ich nicht den Schwachsinn von wegen „wir verletzliche marginalisierte Gruppe“, den sie von sich geben, das ist nur ein Instinkt; wie bei einem Wolf, der sich in Kuhscheiße wälzt, um den Raubtiergeruch loszuwerden. Sie wissen, dass sie mit dem Griff nach den Kindern und dem Vorhaben, Geschlecht zur reinen Selbstauskunftssache zu machen, hoch pokern. Jetzt ist es an uns, dafür zu sorgen, dass sie sich verzocken.