Dunkel
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Die Gegenöffentlichkeit braucht Künstler

2. November 2023
in 3 min lesen

Ich denke gegenwärtig darüber nach, mir eine neue Gitarre zuzulegen. Hoch im Kurs steht die Gretsch Electromatic, Kostenpunkt: satte 800 Euro. Nicht, weil ich selber akut plane, rechte Musik herauszubringen, aber trotzdem hat mich das Stöbern nach einem geeigneten Instrument zum Grübeln darüber gebracht, warum es kaum Künstler in unser politisches Lager verschlägt.

Eigentlich ist das falsch: Hier laufen jede Menge Künstler rum und bringen auch, aber nicht nur, Meme-technisch viel in die Gegenkultur ein. Aber: Ihre politischen Erzeugnisse sind in aller Regel hochgradig ironisch gehalten, es gibt viel, was sich bissig und durchaus gelungen über die Degenereszenz der Moderne lustig macht, aber wenig, was einen Gegenentwurf bejaht. Und auch der Schmerz über die bestehenden Verhältnisse wird nur selten in einem ernsten Ton vorgetragen, er versteckt sich meist als wahrer Kern hinter einem Dickicht humoristischer Übertreibungen.

Damit will ich die durchaus beachtenswerten kreativen Ergüsse, die unser Lager am Fließband hervorbringt, nicht schmälern geschweige denn sagen, wir sollten sie bleiben lassen und stattdessen „richtige Kunst“ machen, nein, sie sind ein äußerst scharfes Schwert im kulturellen Konflikt. Es mangelt nur gleichzeitig an einem anderen Werkzeug, und ich stelle mir die Frage, warum das so ist.

In Amerika hat man vor Kurzem gesehen, wie so etwas aussehen könnte: Oliver Anthony, ein bis dato völlig unbekannter Singer-Songwriter aus den Staaten, landete mit seinem Song „Rich Men North Of Richmond“ einen Hit, wie ihn das konservative Lager seit Jahrzehnten nicht hatte. Knapp 100 Millionen Aufrufe hat das Lied inzwischen auf YouTube gesammelt; der Hype nahm solche Ausmaße an, dass die Republikaner es sogar bei ihren Präsidentschaftsdebatten spielten. Das Leid gewöhnlicher Leute unter der Inflation, die Beschneidung von immer mehr Freiheiten und der Machthunger politischer Eliten, die kontrollieren wollen, was man denkt und tut, und sich auf Little Saint James zu feuchtfröhlichen Orgien mit Minderjährigen treffen, wurden darin besungen, die wohl eindrücklichste Zeile: „Livin‘ in the new world with an old soul“. Ja, es ging auch hier um das Beklagen der Zustände und nicht darum, einen Gegenentwurf zu zelebrieren, allerdings nicht in zynischer Manier, sondern tief emotional vorgetragen.

Im Nachgang schimmerten dann mögliche Gründe durch, aus denen ernste oder, im besten Sinne des Wortes, pathetische Kunst bei uns Mangelware ist: Anthony implodierte. Er distanzierte sich vom rechten Lager und bekundete, abgestoßen von vielen der Leute zu sein, die seinem Song eine Bühne gaben. Zudem tauchte ein Video auf, in welchem er die alte Catchphrase „Diversity is our strength“ zum Besten gab – zwar eher in einem zentristischen „Die Extreme beider Seiten spalten uns doch nur“-Sinne als einem geradeheraus woken, aber dennoch: Eine lange und fruchtvolle Karriere als dissidenter Musiker wird er wohl nicht mehr hinlegen.



Das Grundproblem lässt sich wohl so auf den Punkt bringen: Künstler sind sensibel und die Gegenöffentlichkeit ein raues Pflaster. Aus zweierlei Richtung: Einerseits kam natürlich aus den Medien massiver Druck, sich von Hinz und Kunz, die den Song gefeiert und promotet hatten, zu distanzieren, um zu beweisen, dass er keiner von den Rechten ist, andererseits drehte sich in Teilen der Rechten selbst eine Puritanismusspirale, die für das Establishment so nützlich ist, dass es in der öffentlichen Darstellung unserer Seite diese Engstirnigkeit stets in den Vordergrund stellt, gar zu unserer definierenden Eigenschaft macht. So wurde etwa der bisherige Alkoholkonsum des inzwischen trockenen Anthony aufs Korn genommen. Auch wurde die Fraktion laut, die alle ernst vorgetragenen Emotionen reflexhaft als cringe einsortiert – ein Reflex, der weit über das rechte Lager hinausreicht und mit dazu beigetragen haben wird, dass Gemälde zunehmend aus drei Klecksen auf der Leinwand und Statuen aus einem verbogenen Haufen Altmetall bestehen.

Die Flut aus theatralischer Emotionalität, der wir gleichzeitig tagtäglich vom politischen Gegner ausgesetzt sind, wenn diese uns schmackhaft erpressen wollen, die nächste Fuhre Afrikaner ins Land oder als Frauen kostümierte psychisch kranke Männer in den Kindergarten zu lassen, hat zusätzlich dazu beigetragen, dass vielen Normaldenkenden inzwischen jeder Ausdruck von Emotionen, der nicht hinter meterhoher Ironie verschanzt ist, sauer aufstößt.

Ein weiteres Problem wird sicherlich sein, dass gerade die „Bio-Rechten“ ihr Heil kaum im Künstlerischen suchen, besonders heute nicht, wo die Kunstszene sich fest in woker Hand befindet und alle Töne, die sich nicht harmonisch in die große Globohomo-Symphonie einfügen, von Watchdogs markiert und aus ihr abgestoßen werden wie ein Fremdkörper. Auch auf die gesellschaftlichen Impulse an sich, die rechten Positionen moralischen Druck samt einer Drohkulisse für das Privatleben ihrer Vertreter entgegenstellen, werden künstlerisch Veranlagte feinfühliger reagieren.

Diese Faktoren liegen natürlich außerhalb der Kontrolle unseres Lagers. Der größte, den wir direkt beeinflussen können, besteht in dem Reflex, „Fremdscham“ zu schreien, sobald jemand, ohne sich dafür die Clownsnase aufzusetzen, etwa das Elend der modernen Welt aus einem dissident-rechten Blickwinkel besingt, selbst wenn er das in durchaus mitreißender Art und Weise tut. Sonst droht man nicht nur, diese eine Quelle für weitere Gegenkultur versiegen zu lassen, sondern hält möglicherweise auch noch andere davon ab, überhaupt erst zu entstehen.

Shlomo Finkelstein

Shlomo Finkelstein wollte immer schon irgendwas mit Hass machen. Seit 2015 erstellt er als "Die vulgäre Analyse" Videos, und seit 2019 zusammen mit Idiotenwatch den Podcast "Honigwabe".

Belltower News schreibt über ihn: "Da er vorgibt, sein Hass sei rational begründet, sind besonders junge Menschen der Gefahr ausgesetzt, die Thesen für bare Münze zu nehmen und sich so zu radikalisieren."

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