Im 8. Jahrhundert schufen die Schreiber Karls des Großen mit den „Fränkischen Reichsannalen“ ein beeindruckendes Zeugnis über die Regierung und die Taten ihres Herrn. Für das Jahr 775 ist dabei auch erstmals die Region „Westfalia“ – das heutige Westfalen – bezeugt. 1250 Jahre ist es nun her, dass die Gänsefeder über das Pergament der Reichsannalen kratzte – ein Grund zum Feiern!
So trug es sich also zu, dass die hohen Herren und Würdenträger jener Region, aber auch darüber hinaus zum Festakt trommelten, was in der Späten Bundesrepublik nichts Gutes und schon gar nichts Schönes oder Erhabenes bedeuten kann. Hier, in diesem historisch abgenabelten und kulturell verödeten Rest des einst so mächtigen Frankenreichs, muss ja jeder Anflug von Ahnung, dass Deutschland mehr ist als die Hin- und Ableitung der dunkelsten Stunde seiner Geschichte, konsequent unterdrückt werden. Jeder Festakt wird als ostentative Schäbigkeit zelebriert, das ist das ungeschriebene Grundgesetz der Späten Bundesrepublik.
Die katholische Kirche öffnete die Pforte des Paderborner Doms, wahrscheinlich mit Wink auf die historische Bedeutung dieses Ortes, um den König Karl und die sächsischen Stämme so hart gerungen haben. Man versammelte sich im prächtigen Domschiff und ließ sich nieder: Herzog Wüst von Nordrhein-Westfalen gleich neben Frank-Walter Steinmeier, über den die postbundesrepublikanische Geschichtsschreibung einst rätseln wird, ob er nun König oder Verweser war („Erzlektor, was meinte Chronist Fechter mit der Zuschreibung ‚sozialdemokratischer Manager‘?“).
Die Staatsmedien waren ebenfalls vor Ort, was nicht nur den stillen Betrachter, sondern vielleicht auch den ein oder anderen Teilnehmer selbst an die Kontinuität von Herrschaft und Herrschaftsrepräsentation denken ließ – vor zwölf Jahrhunderten wäre diese Szene eben von den Schreibern oder Bildhauern des Königs verewigt worden.

Aber es ist schon gut, dass es Kameratechnik gibt, wie sonst hätte dieser Kontrast eingefangen werden können: Tausendjährige Herrlichkeit deutscher Baukunst. In Stein manifestierte Geschichte, das verewigte Schicksal eben nicht nur einer Region und eines Stammes, sondern auch eines ganzen Landes samt seines Volkes. Dem gegenübergestellt dann der Festakt, den die Schreiber des WDR wie folgt zusammenfassen:
„Zwischen all den Reden, in denen es um die Charaktereigenschaften der Westfalen und ihre Errungenschaften ging, gab es immer wieder musikalische und künstlerische Elemente aus dem Kulturprogramm der LWL-Kulturstiftung zum Jubiläumsjahr ‚1250 Jahre Westfalen‘ – etwa Acapella-Gesang oder Poetry-Slam.“
Den Höhepunkt dieser als „Kulturprogramm“ paraphrasierten Aneinanderreihung von spätbundesrepublikanischem Dadaismus stellte unbestreitbar eine Art Tanz dar, der von der Gruppe „bodytalk“ aufgeführt wurde. Hühnchen in Windeln – wie kommt man auf so etwas? Irgendwie hat das eine schweflige Note, man erinnert sich dumpf an die umstrittene Werbung einer gewissen Modemarke. Oder an die Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele…
Jedenfalls stellt man sich auch vor, wie die Würdenträger des „besten Deutschlands, das es jemals gegeben hat“ stundenlang auf den harten Kirchenbänken herumrücken, um Darbietungen wie diese über sich ergehen zu lassen. Das hat etwas von dem Märchen „Des Kaisers neue Kleider“. Aber warum hat sich die Elite überhaupt die Mühe gemacht, das ganze Brimborium im Paderborner Dom aufzuziehen? Genauso exklusiv hätte man es auch in einer Lagerhalle haben können: Zehn Reihen mit Klappstühlen, Leinwand ausgerollt, Beamer angeschaltet und dann volle Dröhnung Günter Brus oder irgendetwas von dem anderen gestörten Zeug, das Europas Intellektuelle seit der kollektiven Geisteszerrüttung im Zuge des zweiten Dreißigjährigen Krieges fließbandmäßig produzieren.
Aber das wäre zu billig gewesen, immerhin will das überschuldete und wirtschaftlich zerrüttete Herzogtum des Herrn Hendrik Wüst nicht kleckern, sondern klotzen. Deswegen hält man sich den Zirkus namens „bodytalk“, genauso wie sich Karl der Große Pfauen hielt. Die Wut der katholischen Funktionäre über die Entweihung des Paderborner Domes ist einerseits nachvollziehbar, aber andererseits auch etwas abgeschmackt: Man muss gewusst haben, wen man da vor seinem Altar tanzen lässt. 2021 bis 2023 erhielt „bodytalk“ jährlich 100.000 Euro vom Land Nordrhein-Westfalen – als sogenannte „Exzellenzförderung“. Daneben verfügt der Hofzirkus über eine ganze Reihe von illustren Förderern, etwa das Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen, die Kulturstiftung des Bundes, die Kunststiftung NRW und viele, viele weitere Stellen.
Die spätbundesrepublikanische Schäbigkeit ist letzten Endes ein Geschäft, ja eine regelrechte Industrie. Der Staat hält sich eine Entourage von „Delegitimierern“, auch wenn er das so niemals zugeben würde. Man wird viele rote Striche ziehen müssen, um diesem mafiösen Komplex beizukommen. Unmöglich ist das nicht, ganz im Gegenteil. Statt sich in konservativer Larmoyanz zu ergehen, sollten Vorfälle wie diese – und der feste Wille, eines Tages wieder würdige und erhabene Staatsakte zu zelebrieren – ein reaktionärer Ansporn sein.
Die dort versammelte Politmafia und ihre Lakaien in Staats- und Kartellmedien haben dafür gesorgt, dass Westfalen mittlerweile zu Westfalistan verkommen ist. Ein shithole des Zerfalls, der Überfremdung und Gewaltexzesse, in dem nur noch die Ausplünderung der Bürger und die Repression funktionieren. Ich finde keine Maßeinheit, um meine Verachtung für diese Leute und ihre Politik angemessen zu quantifizieren. Der hilflose „Protest“ irgendwelcher Alibi-Katholiken nützt nicht das geringste und ist eigentlich ein Hohn, denn die Kirche trägt zu diesen Zuständen ja aktiv bei. Würde sie ihren Namen noch verdienen, wäre sie an vorderster Front des Widerstands.