Mitte letzter Woche fanden in den Niederlanden die vorgezogenen Wahlen der Zweiten Kammer der Generalstaaten statt. Nachdem der ehemalige Ministerpräsident Mark Rutte von der liberalen VVD (Volkspartei für Freiheit und Demokratie) bereits im Juli dieses Jahres zurückgetreten war, angeblich, weil sich seine Koalitionspartner nicht auf eine Verschärfung der Migrationspolitik einigen wollten, wurde nun neu gewählt. Und die Wahlen am 22. November brachten durchaus einige Neuerungen mit sich.
In den Niederlanden gibt es anders als in der Bundesrepublik keine Fünf-Prozent-Hürde, weshalb das Parteienspektrum im Parlament grundsätzlich deutlich breiter gefächert ist als in anderen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Nach der Wahl am Mittwoch verteilen sich die insgesamt 150 Sitze der Zweiten Kammer nun auf 15 Parteien. Wider alle Erwartungen ging Geert Wilders von der PVV (Partei für die Freiheit) mit großem Vorsprung und 23,6 Prozent (plus 12,8 Prozentpunkte im Vergleich zu 2021) aller Wählerstimmen als eindeutiger Wahlsieger hervor. Im künftigen Parlament ist seine Partei mit 37 Sitzen vertreten. Hinter ihm mit mehr als acht Prozentpunkten Abstand landete die Vereinigung aus Grünlinks und Arbeiterpartei mit 15,5 Prozent und 25 Sitzen sowie die Partei des ehemaligen Ministerpräsidenten Rutte mit einem Verlust von 6,7 Prozentpunkten (15,4) und 24 Sitzen im neuen Parlament.
Auch die jüngst vor der Wahl gegründete Partei NSC (Neuer Gesellschaftsvertrag) des ehemaligen christdemokratischen Politikers und Journalisten Pieter Omtzigt zog aus dem Stand mit immerhin 12,8 Prozent und 20 Sitzen ins Parlament ein. Omtzigt hatte sich vor nicht allzu langer Zeit einen Namen gemacht, indem er die sogenannte „Kinderzuschlagsaffäre“ aufdeckte, die sämtliche sozial schwache Familien in den finanziellen Ruin getrieben hatte. Dabei wurden unter anderem etwa 2.000 Kinder aus ihren Familien genommen, die bis heute nicht zu ihren Familien zurückgekehrt sind.
Entgegen vorheriger Prognosen blieb der versprochene größere Wahlerfolg jedoch aus. Auch die BBB (Bauern-Bürger-Bewegung), die Anfang des Jahres bei den Wahlen der Ersten Kammer noch mächtige Erfolge verzeichnete, brachte nur noch 4,7 Prozent und damit acht Sitze im Parlament zustande. Die intellektuelle Rechtspartei „Forum für Demokratie“ rund um Thierry Baudet verlor fünf ihrer Sitze und ist mit 2,2 Prozent nur noch schwach im Parlament vertreten.
Nichtsdestotrotz sollte das Ergebnis gerade auf rechter konservativer Seite erfreuen. Die ehemalige linksliberale Regierungspartei wurde abgestraft. Geert Wilders‘ langjähriges politisches Engagement sowie seine klaren Töne in Sachen Islamkritik haben sich ausgezahlt. Er wurde seinem Ruf als Sprachrohr des kleinen Mannes gerecht. Gerade in den weniger wohlhabenden Gegenden der Niederlande gewann seine PVV deutlich an Stimmen.
Wie die künftige niederländische Regierung aussehen mag, ist noch offen. Ob Wilders nun tatsächlich auch Ministerpräsident wird, steht noch in den Sternen. Klar ist jedoch, dass die Niederländer die Nase voll haben in Sachen Migrationspolitik. Zugleich sind die Wähler aber auch nicht mehr gewillt, sich auf rechtspolitische Experimente einzulassen. Sie wollen klare Töne, eine klare Linie und eine solide Alternative zur herrschenden Politik. Und gerade dafür steht Wilders, der nach den Morden an Pim Fortuyn und Theo van Gogh bereits seit 2004 unter Polizeischutz lebt. Auch wenn ihm nun unterstellt wird, sich ähnlich wie Meloni als angepasster Rechtskonformer zu entpuppen, lässt sich seine politische Haltung stringent die letzten zwei Jahrzehnte zurückverfolgen. Sein Wahlsieg ist eine Chance und ein gutes Zeichen für die künftigen Wahlen in Belgien und Flandern sowie für die anstehende EU-Wahl.