Vor wenigen Wochen startete das in Schottland spielende Filmdrama „The Outrun“ von Nora Fingscheidt in den Kinos. Die Geschichte handelt von Rona, gespielt von der irischen Schauspielerin Saoirse Ronan. Rona ist eine junge Frau von den Orkney-Inseln, die vor ihrer Familie, ihrem manischen Vater und ihrer religiösen Mutter sowie ihrem einfachen bäuerlichen Leben auf dem Lande in die Großstadt nach London flüchtet. Dort beginnt sie zu studieren, stürzt sich jedoch im Laufe der Zeit in den Exzess und führt ein ausschweifendes Leben zwischen Partys und Alkoholeskapaden. Als ihr Alkoholkonsum schließlich immer weiter aus dem Ruder gerät und es eines Abends zur Eskalation kommt, begibt sie sich eigenständig in eine Entzugsklinik und kehrt schließlich in ihre Heimat auf die schottischen Inseln zurück. Dort beginnt ihre Suche nach den eigenen Wurzeln und hin zu sich selbst.
Der Film basiert auf den autobiografischen Erzählungen der schottischen Journalistin Amy Liptrot. Sie publiziert unter anderem für BBC und den „Guardian“. Liptrot wurde 1986 auf den Orkney-Inseln geboren und führte zehn Jahre lang ein exzessives Leben in der britischen Hauptstadt. Dort fiel sie der Alkoholsucht zum Opfer, die sie erst in ihrer Heimat endgültig überwinden konnte.
Genau diesen Prozess der Überwindung und Heilung fängt „The Outrun“ ein. Das etwa zweistündige Drama wird von rauen Landschaftsbildern, den gewaltigen Wellen des Atlantiks, lauter Elektromusik und schnellen, grellen Rückblenden aus dem Londoner Nachtleben getragen.
Rona steht dabei sinnbildlich für einen nicht unerheblichen Teil einer Generation, die sich zwar stark von ihrer Familie und ihren eigenen Wurzeln lösen will, doch ihre Heimat und Familie dennoch braucht, um den Weg zu sich selbst zurückzufinden. Gerade die Themen Sucht, Exzess und Heilung werden hier besonders rau, frustrierend und zwiespältig dargestellt. Wie schafft man es, sich langfristig von etwas zu lösen, das einem kurzweilig dennoch ein so gutes Gefühl verleiht und einem hilft, gewisse Dinge zu vergessen und auszublenden? Wie geht man mit psychisch labilen Eltern um? Und wie ist es für Angehörige von Suchtkranken, von gewissermaßen „Hängengebliebenen“, mit deren Leid und deren Krankheitsbild konfrontiert zu werden?
Auch wenn der Film an dieser Stelle sehr einseitig bleibt und in erster Linie auf Ronas Perspektive eingeht, so bekommt der Zuschauer doch gewissermaßen einen Eindruck und ein Gefühl für diesen unangenehmen und sehr langwierigen Heilungsprozess.
Sicherlich stellt sich jetzt womöglich die Frage, warum man sich überhaupt einen Film über eine Suchtkranke anschauen sollte. Aber nach all den woke-getrimmten Blockbustern und Reboots und Franchises schien mir der Film mal eine erfrischend andere Perspektive auf die Leinwand zu bringen. Ob nun gewollt oder ungewollt, Amy Liptrots Geschichte scheint dem Zuschauer etwas Wichtiges zu vermitteln: Nämlich, dass sich niemand ganz von seinen Wurzeln frei machen kann und man im Gegenteil Frieden und Geborgenheit finden kann, wenn man sich auf seine Heimat zurückbesinnt.
Liebe Frau Boßdorf
vielen Dank für die schöne Filmbesprechung! Ich habe Ihren Artikel sehr genossen. Ja, es ist erfrischend mal etwas Anderes geboten zu bekommen. Der Hinweis, daß wir doch mehr von unserer Heimat geprägt sind, als wir es uns vorstellen können und diese eine Hilfe bei unseren Herausfordungen sein kann, hat mir sehr gefallen. Nachdem ich mir auch den Trailer angeschaut habe, freue ich mich mal wieder ins Kino zu gehen. Auf weitere Filmkritiken und -empfehlungen würde ich sehr dankbar sein. Nochmals Danke