Filmkritik: The Substance (2024)

6. Februar 2025
in 3 min lesen

Von Frederik van Portshoven

„Demi Moore, das ist so eine Kindheitserinnerung aus den 90er Jahren“, sagte mein einer Kollege heiter, als wir das erste Bier öffneten. Ein- bis zweimal im Monat treffe ich mich mit zwei Kollegen, um einen Filmabend zu veranstalten. Meist schauen wir Horrorfilme. Zuletzt sahen wir sozusagen Demi Moores Comeback-Film: The Substance.

Der Plot ist schnell zusammengefasst: Eine ehemals gefeierte Schauspielerin verdingt ihren Lebensabend als Aerobic-Vorturnerin im Frühstücksfernsehen. Die von Moore gespielte Elisabeth ist gut in Schuss für ihr Alter. Dass der Zahn der Zeit dennoch an ihr nagt, ist aber nicht zu leugnen. Als sie eines Tages nach Feierabend zufällig erfährt, dass sie ersetzt werden soll, wirft sie dies derart aus der Bahn, dass sie in einen Autounfall gerät. Im Zuge dessen gelangt sie zufällig mittels eines merkwürdig anmutenden Krankenpflegers über geheimnisvolle und verschlungene Pfade an die titelgebende Substanz, die sie sich in der Folge selbst verabreicht.

Das Resultat: Es spaltet sich das von Margaret Qualley gespielte jüngere Pendant Sue durch Zellteilung ab. Mit übersichtlich gehaltenen Beipackzetteln zur Substanz werden auch gleich die Spielregeln mitgeliefert: In einem Sieben-Tage-Turnus müssen sich die beiden abwechseln, die jeweils andere wird während dieser sieben Tage mithilfe einer Nährlösung versorgt, während die andere ihr Leben lebt. Überdies seien die beiden eins, was sie nicht vergessen sollten. Doch genau hier setzen die Kalamitäten an.

Nach anfänglichem Austarieren beider Versionen ist Sue versucht, ihren Zeitraum nur ein wenig zu überziehen, was technisch auch möglich ist – allerdings nicht ohne einen Preis, den allerdings Elisabeth zahlt. So wacht diese mit einem gichtigen, fast schon nekrotischen Oma-Finger auf. Als Retourkutsche beginnt Elisabeth, sich exzessiv ungesund zu ernähren, was wiederum Konsequenzen für Sue hat. Dass eine Eskalationsspirale, aus der es kein Entrinnen gibt, in Gang gesetzt wird, ist eigentlich keiner Erwähnung wert. Seinen Höhepunkt erreicht das Ganze, als Sue bei einer großen Silvestershow auftreten soll.

Oberflächlich betrachtet, ist der Film offenkundig durchdrungen von einer feministischen Botschaft: Alte Frau wird durch eine jüngere Version ersetzt. Ekliger alter weißer Mann (der Programmchef) ist dahinter die treibende Kraft. Wiederholt Szenen, in denen Männer Frauen als Objekte, die bitte stets lächeln sollen, behandeln. Sowohl Elisabeths als auch Sues Tanzsendungen werden nicht weiter erläutert. Es wird in Aerobic-Anzügen getanzt, was offenbar gut bei den Zuschauern ankommt. Punkt. Weiter wird diese Welt nicht ausgeschmückt. Es ist eine absolute Oberflächlichkeit.

Vermutlich vollkommen ungewollt sieht der geneigte konservative Zuschauer aber etwas anderes, nämlich den völlig falschen Lebensansatz vieler Hollywood-Stars, in diesem Film verkörpert durch Elisabeth. Sie wohnt allein in einer luxuriösen Wohnung, hat weder Mann noch Kinder. Außer ihrer schwindenden Jugend hat sie also nichts außer materiellem Wohlstand. Ergo hinterlässt sie der Welt auch nichts außer ihrem Stern auf dem Walk of Fame und albernen Aerobic-Videos im Frühstücksfernsehen.

Das jüngere Ich wiederum sucht den verblassten Ruhm wiederzuerlangen und hat nichts Besseres zu tun, als flüchtige Bettgeschichten zu haben. Es ist ein profanes Dasein, eine ganz und gar sinnentleerte Existenz, in der dem Flüchtigen hinterhergejagt wird. Die sieben Tage als Elisabeth sind eigentlich nur ein Warten darauf, dass eben diese sieben Tage endlich wieder vorüber sind, es wird währenddessen nicht im eigentlichen Sinne gelebt.

Des Weiteren geht es auch um die Vergänglichkeit des Menschen. Diese trifft insbesondere die biologischen Frauen äußerst hart. Jeder Versuch, sich dieser zu erwehren, zumal durch derart (wenn auch fiktive, aber es ist nunmal ein Körper-Horrorfilm) drastische Mittel, ist zum Scheitern verurteilt. Die Regelverletzung hat filmintern drastische Folgen – so wie es im wahren Leben ebenfalls Konsequenzen für Entscheidungen gibt.

Gemeinhin nennt man dies auch Opportunitätskosten: Entscheide ich mich für eine Sache, ist die Konsequenz, dass mir eine andere entgeht. Anstatt in Würde zu altern, entscheidet sich Elisabeth im Sinne einer fehlgeleiteten Selbstverwirklichung für die eigene Selbstentwürdigung. Die Entwürdigung findet nämlich nicht allein durch den von Dennis Quaid gespielten Programmchef statt. Elisabeth hingegen gerät in die eskalierende Abwärtsspirale mit Sue, weil sie sich weder altersgemäß noch den Regeln des Marktes gemäß verhält.

Nun könnte man einwenden, dass das ja bereits ein Beleg für die Macht des Patriarchats wäre, aber einerseits braucht dieses System eben auch auf Ruhm erpichte Frauen, die bereit sind, für diesen Ruhm sich selbst feilzubieten, und andererseits ist es (auch wenn es zynisch sein mag) eine Frage der Nachfrage: Die Zuschauer wollen lieber die junge Sue sehen.

Insofern lohnt es sich, vermeintlich allzu zeitgeistige Filme auch auf andere Aussagen abzuklopfen. Dabei spielt es letztlich keine Rolle, ob die Filmemacher diese oder jene Intention verfolgten, als der Film erdacht wurde.

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