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FOCUS rast dem Ende entgegen

6. Juli 2021
in 3 min lesen

Seit den 2000ern ist die Zeit der großen Zeitschriften vorbei – auch wenn sie es selbst noch nicht gemerkt haben. Einst riesige Blätter wie STERN, Focus, ZEIT, Süddeutsche oder Spiegel verlieren Jahr für Jahr tausende und abertausende von Lesern. Dass man daraus nicht das Ende der Printzeitschrift ableiten sollte, haben wir an anderer Stelle bereits behandelt. Dem ist mitnichten so.

Mittlerweile hat die IVW, die regelmäßig die Auflage (gedruckt, verteilt und verkauft) der großen Medienhäuser angibt, die neuen Zahlen für das erste Quartal 2021 veröffentlicht. Und siehe da: Der FOCUS konnte sich nicht fangen und befindet sich weiter im freien Fall. Wen wundert es noch. Im Vergleich zum 1. Quartal 2020 verlor das Magazin über 26 Prozent an Auflage. Aktuell liegt die Druckauflage bei 288.700 Exemplaren. Zur Erinnerung: Ende der 90er lag der FOCUS noch bei 790.000 Exemplaren. Innerhalb von 22 Jahren ist das Blatt also um mehr als zwei Drittel geschrumpft.

Ungebremste Talfahrt

Auch der aktuelle Abwärtstrend ist ungebremst. Im Vergleich zum Vorquartal (4/2020) verlor das Blatt 5 Prozent an Auflage, obwohl die Zahl der Abonnenten leicht anstieg. Es gibt also noch immer einige feste FOCUS-Leser, für die breite Öffentlichkeit wird das Blatt aber immer unattraktiver. Zielsicher bedient wird das poltische Boomertum, die kein Interesse am SPIEGEL haben. Man gibt sich bürgerlich und unterhaltsam, ist aber weder Fisch noch Fleisch und dümpelt in seichten Fahrwassern herum.

Besonders bemerkenswert ist sicherlich das Sitzfleisch der Herausgeber, Eigentümer und Chefredakteure. Jedes Quartal werden die roten Zahlen wiederholt, jedes Jahr müssen Mitarbeiter entlassen werden, jedes Jahr versucht man, sich mit minimaler Umstrukturierung doch irgendwie über Wasser zu halten. Gebracht hat es nichts.

Im eingeengten politischen Meinungskorridor samt belehrender Akademikerredakteure, bewegt man sich irgendwie zwischen wohlsituierten SPD- und CDU-Wählern. Wenn ich mir die Leser des FOCUS vorstellen muss, muss ich immer an Lehrer denken. Mittelmäßig gebildet haben sie das Gefühl gut informiert zu sein und “junge Menschen aufklären zu müssen”. Mit Wissen aus dem FOCUS, aber auch dem SPIEGEL und dem Stern.

“Hey crazy Kids, wollt ihr coole Nachrichten lesen?“

Der FOCUS steckt fest. Weder kann man jung und hipp werden, noch wirklich anecken. “Meedia” schreibt bereits 2013 über den röchelnden FOCUS: “Interessant: Insbesondere bei den 14- bis 19-Jährigen, sowie bei den 30- bis 39-Jährigen gingen dem Focus in den vergangenen Jahren Leser verloren, deutlich zugelegt hat er hingegen bei den 50- bis 59-Jährigen und den Über-70-Jährigen. Die meisten Focus-Leser (23%) finden sich aber wie beim stern und Spiegel in der Gruppe zwischen 40 und 49 Jahren.”

Der provokante Versuch die Silvesternacht 2015/2016 in Köln zu nutzen, um konservativer auszuscheren (man zeigte schwarze Handabrücke auf einer weißen Frau), war zwar aufmerksamkeitsökonomisch ein Erfolg, den Auflagenverlust konnte er nicht bremsen. Möglicherweise – aber das kann man nur mutmaßen – kündigten deswegen viele Abonnenten. So viel Realität kann man im Vorstadtleben auch nicht ertragen. 2017 zumindest lag die Auflage deutlich (!) unter der von 2016.

Aber kommen wir auf die “Macher” (was ein behindertes Wort) des FOCUS zurück. Die Frage die sich mir stellt: Warum tut eigentlich niemand etwas? Wenn ich ein Unternehmen führen würde, das seit 20 Jahren so eklatant dem Abgrund entgegenrast, würde ich schnellstens alle Hebel in Bewegung setzen, um dem Teufel von der Schippe zu springen. Allein in unserer kleinen Onlineredaktion justieren wir tagtäglich an der Strategie und evaluieren Erfolg und Misserfolg. Und trotz unseres eklatanten Dilletantismus fahren wir grüne Zahlen ein und wachsen weiter.

Läuft nicht so doll, aber wir machen trotzdem weiter

Für den FOCUS gibt es genau zwei Optionen: Entweder sie justieren (zu wenig), und das alles hat nichts gebracht. Oder sie fahren den Wagen kontrolliert vor die Wand, um zumindest noch einige Jahre lang Geld herauszuziehen und sich und die Mitarbeiter noch möglichst lange beschäftigt zu halten. Vielleicht spekuliert man auch darauf, dass die Auflage bei 200.000 stagnieren wird, weil es in Deutschland immer 200.000 Idioten geben wird, die bereit sind 244 Euro im Jahr (!!!) für ein Abo auszugeben?

Oder dass in Zukunft so viele Leute krank werden, zum Arzt müssen, dass durch die Praxisauflage etwas gerettet werden kann? Oder dass das große Umdenken mit dem neuen “Prämienkonzept” kommt. Denn wenn man jetzt ein FOCUS-Abo abschließt, erhält man eine Mannesmann-Werkzeugbox. Wer im Alter von 50 Jahren noch keinen Werkzeugkasten besitzt, ist ohnehin eine verlorene Seele, und wahrscheinlich auch FOCUS-Abonnent. Auch mit Werbekonzepten wie: “Mit Readly über 5000 Magazine und Zeitungen lesen – drei Monate für nur 0,99 Euro sichern!” (aktuell auf FOCUS online) kann man dem Untergang sicherlich nicht entgegenwirken.

Der Niedergang der großen, etablierten Blätter – inhaltlich wie betriebswirtschaftlich – ist ein Trauerspiel. Aber dann fällt einem ein, dass man auf der anderen poltischen Seite steht. Man erinnert sich an den Müll, der seit Jahren verzapft wird, man gedenkt der manipulativen Erziehung der Bevölkerung durch arrogante “Medienmacher“, man sieht ja täglich, dass scharfe Regierungskritik nicht mehr zum Angebot der deutschen Politblätter gehört. Der Untergang der großen Illustrierten ist eben dann doch Blättersterben von seiner schönsten Seite.

Florian Müller

Der Sklaventreiber-Chef hat diverse Geschwätzwissenschaften studiert und nach eigenen Angaben sogar abgeschlossen. Als geborener Eifeler und gelernter „Jungliberaler“ freundete er sich schnell mit konservativen Werten an – konnte aber mit Christentum und Merkel wenig anfangen. Nach ersten peinlichen Ergüssen entdeckte er das therapeutische Schreiben in der linksradikalen Studentenstadt Marburg, wurde Autor für die „Blaue Narzisse“ und „eigentümlich frei“. Ende 2017 gründete er mit Hannes die Krautzone.

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