Fünf Gründe, warum die EU-Wahl so lief, wie sie lief

12. Juni 2024
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Die linken Kräfte in unserem Land hatten sich die Ergebnisse der Wahl zum Parlament der Europäischen Union ein wenig anders vorgestellt – und einige aus der rechten Opposition auch. Dabei lässt sich allerdings sagen: Für die Linken war es keine wirkliche Niederlage – auch wenn sie es als solche wahrnehmen, muss konstatiert werden, dass die Verluste der grünen Partei etwa durch den Aufstieg linker Kleinparteien ausgeglichen wurde –, für die Rechten allerdings auch nicht der Durchbruch, der potenziell drin gewesen wäre – trotz des bundesweit historisch besten Ergebnisses für die AfD und der Wahlerfolge im Osten. Aber warum kam es zu den Prozentzahlen, die wir jetzt sehen?

1. Rentner und die Union

Rentner sind unbelehrbar, insbesondere, wenn sie aus den alten Bundesländern stammen: Der Wahlsieger des 9. Juni war – leider! – die Union. Hach ja, es ist dasselbe leidige Trauerspiel, das der rechten Opposition den Kopf zerbricht. Die alten Leute – zahlenmäßig dank der katastrophalen Demografie die stärkste Fraktion unter den Wählern – wählen CDU und SPD, je nachdem, welcher Partei gerade eins ausgewischt werden soll. Da die Sonne momentan während einer sozialdemokratisch geführten Regierung den Niedergang bestrahlt, zeigt man es „denen da oben“ eben so richtig, indem man nun CDU wählt – schließlich hauen Söder und Merz endlich mal auf den Tisch! Dass man damit nur ein „Weiter so“ wählt, dass es die Aufgabe der Union ist, rechte Kräfte zu neutralisieren, und dass diese Partei regelmäßig ihre Versprechen bricht, können und/oder wollen die alten Leute nicht begreifen. Und so werden eben die gewählt, die das Deutschland, das die Wähler mit ihrer Wahl zu erhalten glauben, ohne Skrupel ihrer Pfründen und Macht wegen abwickeln werden. Zum Verzweifeln!

2. Zu Realo für grüne Hardliner

Die Grünen haben ihre Basis enttäuscht: Klar, sie haben etwa mit dem Selbstbestimmungsgesetz einige „Erfolge“ vorzuweisen, aber am Ende des Tages sind sie doch eher einen halbgaren Kurs gefahren – zumindest aus Sicht ihrer linken Wählerschaft. Sei es eine zu milde Klimapolitik, die den Radikalen nicht schnell genug geht, oder die ständigen Streitereien mit dem Koalitionspartner FDP: Für einige scheinen die Grünen nichts weiter als ein zahnloser Tiger zu sein, weshalb man sich dann radikaleren Parteien zuwendet – womit wir schon beim nächsten Punkt wären:

3. Linke Kleinstparteien

Man hat als (linker) Wähler eine viel größere Auswahl an Parteien – und das, ohne durch die Fünf-Prozent-Hürde, wie sie bei Landtags- und Bundestagswahlen gilt, abgestraft zu werden. Dadurch bekamen Parteien einen Mandatssitz im EU-Parlament, die gerade einmal 0,6 Prozent der Gesamtstimmen auf sich vereinen konnten – wie etwa die linksliberale PdF („Partei des Fortschritts“). Ebenso zogen die „Ökologisch-Demokratische Partei“ (ÖDP), die „Partei Mensch Umwelt Tierschutz“ (Tierschutzpartei), die unglaublich nervige und unlustige „Die PARTEI“ sowie das linksliberale, paneuropäische „Volt Deutschland“ ins Parlament ein. Insgesamt konnten diese Kleinparteien 7,1 Prozent der Wähler auf sich vereinen – was fast den Verlusten der Grünen im Vergleich zur letzten Wahl entspricht. Für den bürgerlichen, akademischen, linksliberalen Wähler stellen die oben genannten Parteien gerne eine Alternative zu den großen Parteien der deutschen Parlamente dar, und das konnten wohl insbesondere die Grünen bei dieser Wahl spüren. Doch nicht nur Kleinparteienkonkurrenz machte den größeren linken Parteien zu schaffen, sondern auch ein anderer, neuer, linker Player:

4. Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW)

Das „Bündnis Sahra Wagenknecht“. Ich hatte gehofft, dass das BSW ein Rohrkrepierer, ein Fehlstart wird. Recht habe ich leider nicht behalten, immerhin holten die Wagenknechtler aus dem Stand 6,2 Prozent, mehr als FDP oder Die Linke – was in Ordnung ist für eine neue Partei. Womit ich jedoch nicht gerechnet habe, ist, dass sie ihre Wählerschaft hauptsächlich aus dem etablierten Milieu abschöpften: Klar gab es den ein oder anderen Ossi-Boomer, der statt der AfD nun unbedingt dem BSW seine Stimme geben musste, dennoch kamen die Wähler von Wagenknecht viel mehr aus dem Lager der Linkspartei und der SPD. Klar, mit dem Absturz der ehemaligen SED war zu rechnen, dennoch hätte ich erwartet, dass viel mehr AfDler zum BSW wechseln – umso besser, dass dem nicht so war.

5. Die Jugend wählt trotzdem AfD

Das Wahlergebnis der AfD: Ein mittelgutes Ergebnis, das durch monatelange Schmierkampagnen auf der einen und eine mediale Offensive auf der anderen Seite zustande kam. Es hätte ja alles wesentlich schlimmer kommen können. Dass dem nicht so ist, hat wiederum zwei Ursachen: Erstens konnte über TikTok ein nicht geringer Teil der Jugend erreicht werden, was wohl die 17 Prozent unter den 16- bis 24-Jährigen erklärt. Zweitens treffen die Jüngeren auf die immer härter werdende Realität – seien es unangenehme Begegnungen mit gewissen Mitbürgern in der Schule oder auf der Straße oder die immer ernste werdende ökonomische Krise: Die jungen Leute bekommen es zu spüren. Dies dürfte der Grund dafür sein, dass die AfD bei den Zoomern wie bei den Millennials eines der stärksten Wahlergebnisse einfahren konnte. Auch wenn das bei Weitem noch nicht für eine Mehrheit reicht – es ist immerhin ein Anfang, mit dem sich arbeiten lässt.

Fridericus Vesargo

Aufgewachsen in der heilen Welt der ostdeutschen Provinz, studiert Vesargo jetzt irgendwas mit Musik in einer der schönsten und kulturträchtigsten Städte des zu Asche verfallenen Reiches. Da er als Bewahrer einer traditionsreichen, aber in der Moderne brotlos gewordenen Kunst am finanziellen Hungertuch nagen muss, sieht er sich gezwungen, jede Woche Texte für die Ausbeuter von der Krautzone zu schreiben. Immerhin bleiben ihm noch die Liebesgrüße linker Mitstudenten erspart…

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  1. Die ÖDP war lange Zeit eher im konservativen, mitunter fundamentalchristlichen, Umfeld zu Hause und lange Zeit Auffanglager für Ex-CDUler die zu deutlich ihre Linie durchgezogen haben.
    Erst in der letzten Zeit zog diese stark in die bunte Richtung, ähnlich wie auch die Freien Wähler: Der Zwang zur Brandmauer hat sich auch dort durchgesetzt und gezeigt was mn am Ende erwarten kann.

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