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CC BY 2.5, ד"ר אבישי ,טייכר https://commons.wikimedia.org/wiki/File:PikiWiki_Israel_8755_the_church_in_ikrit.jpg

Die Tragödie von Iqrit

4. Januar 2022
in 2 min lesen

In klassisch-liberalen, libertären und rechtskonservativen Kreisen Deutschlands ist heutzutage eine große Sympathie für Israel vorhanden. Begründet wird dies oft u. a. damit, daß in Israel Christen Religionsfreiheit genießen und nicht verfolgt werden. In der heutigen Zeit stimmt das auch größtenteils.

Was aber in diesen Kreisen gerne, aus ideologischen Gründen, ausgeblendet wird, ist die massenhafte Vertreibung von christlichen Palästinensern und der Zerstörung ihrer Dörfer während des Krieges von 1948, als sich der israelische Staat gerade in der Gründungsphase befand.

Ein besonders dramatisches Beispiel ist die Geschichte des christlichen Dorfes Iqrit (Die Einwohner waren griechisch-katholische Melkiten), dessen tragisches Schicksal sich heuer am heiligen Abend zum siebzigsten mal jährt. Denn die Geschichte des Dorfes endete nicht mit den Vertreibungen von 1948.

Im Oktober 1948 startete die israelische Armee eine Offensive, um das nördliche Galiläa unter Kontrolle zu bekommen, welches zu diesem Zeitpunkt noch von der „Arabischen Befreiungsarmee“ beherrscht wurde. Ben-Gurions Ziel mit der Operation war es offenbar, wie mehrere israelische Wissenschaftler darlegten, einen von Palästinensern entvölkerten Streifen als Pufferzone an der Grenze zum Libanon zu schaffen.

Am 31. Oktober ergaben sich die Dorfbewohner den israelischen Truppen. Nur wenige Tage später, ordnete das Militär die Evakuierung sämtlicher Einwohner an. Die meisten verließen das Dorf und siedelten in das von Drusen bewohnte Dorf Ramleh um, eine Minderheit floh in den Libanon. Perfiderweise wurde ihnen aber die Möglichkeit zur Rückkehr in wenigen Wochen versprochen, sobald alle Operationen in dem Gebiet beendet waren. Doch dieses Versprechen wurde nie eingehalten, die ehemaligen Bewohner, ihre Kinder und Enkelkinder, sind bis heute „Internally Displaced Persons“.

IDPs sind Palästinenser, die während des Palästinakrieges von 1948 zwar vertrieben wurden, aber innerhalb des israelischen Staatsgebiets verblieben sind, und somit auch über die israelische Staatsbürgerschaft verfügen, aber bis heute nicht in ihre angestammten Dörfer zurückkehren dürfen. Teilweise leben sie sogar nur wenige Kilometer von ihren ursprünglichen Dörfern entfernt. Heute gibt es mehrere Tausend von ihnen in Israel, die, anders als Juden in Ostjerusalem, ihr Eigentum nicht zurückverlangen können.

Die Bewohner von Iqrit akzeptierten diesen Status jedoch nicht, und zogen vor Gericht. Dort hatten sie sogar Erfolg: Im Juli 1951 entschied das Oberste Gericht, daß die ehemaligen Bewohner zurückkehren dürfen. Da das israelische Militär aber einen neuen Einwand fand, warum dies nicht möglich war, wurde die endgültige Entscheidung auf 1952 vertagt. Doch dazu kam es nicht mehr.

Am 24. Dezember 1951, kamen erneut israelische Truppen in das Dorf und zerstörten sämtliche Häuser. Nur die Kirche und der Friedhof blieben unversehrt und das Gebiet wurde zum militärischen Sperrgebiet erklärt. Damit kehrte erstmal Ruhe zu dem Thema ein.

In den 90ern kam aber wieder Bewegung in die Sache: Der israelische Ministerpräsident Yitzhak Rabin ließ konkrete Pläne anfertigen, einen Teil des Gebietes zurückzugeben, um dort das Dorf neu errichten zu können. Doch Rabin wurde ermordet. Ariel Sharon verlautbarte schließlich 2002, daß man das Versprechen von 1948 nicht mehr einlösen könne, denn sonst würden noch mehr vertriebene Palästinenser zurückkehren wollen. Er fürchtete, Iqrit könnte zu einem Präzedenzfall werden.

Bis heute bleiben die ehemaligen Einwohner und ihre Nachfahren aber nicht untätig. Obwohl sie heute verstreut im Norden Israels leben, haben sie sich zu Organisationen zusammengeschlossen, um die Kirche und den Friedhof zu verwalten, um Sommercamps auf dem Kirchengelände zu organisieren, oder Taufen, Hochzeiten und Beerdigungen abzuhalten. Zudem wird zu Beginn jedes Monats ein Gottesdienst in der Dorfkirche gefeiert.

Vor allem die dritte Generation der Bewohner Iqrits, pflegt das Erbe ihre Großeltern mit großer Leidenschaft. Sie haben den Traum an eine Rückkehr in die Heimat ihrer Vorfahren nicht aufgegeben. Dem palästinensischen Onlineportal „+972 Magazine“, sagte Suheil Khoury, der Priester Iqrits: „Es gibt drei wichtige Ereignisse im Leben jeder Person: Die Geburt, die Hochzeit und den Tod. Es ist wichtig für uns, alle drei Ereignisse in unserem Dorf erleben.“

Zum Abschluß bleibt nur zu sagen, daß es gut wäre, wenn sich hiesige rechte und alternative Kreise auch mit solchen Kapiteln der Geschichte Israels befassen würden.

Gastautor

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