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Ist ein Leben ohne Router möglich?

29. März 2023
in 2 min lesen

Die letzten Tage habe ich quasi ohne Internet verbracht. Mein Netz war schon seit Wochen bis Monaten nicht das beste, wovon „Honigwaben“-Zuschauer ein Lied singen können. Bis Ende letzter Woche beschränkten sich die Abbrüche allerdings auf zwei bis drei Komplettausfälle am Tag, die nach ein wenig Router-Ein- und Ausstecken wieder behoben waren, oder, schlimmstenfalls, eine Art Schluckauf des Internets, was bedeutet: Für 30 Minuten bis anderthalb Stunden brach es immer wieder ab, aber danach ging es wieder. Überraschend lange blieben meine Livestreams von diesen Problemen noch verschont, und es war allenfalls etwas nervig.

Die letzten paar Wochen allerdings fiel ein Ausfall irgendwo mitten in die Folge hinein, bis vergangenen Sonntag dann das Netz vollständig den Geist aufgab und eine Wabe unmöglich wurde. Seitdem läuft über den Router quasi gar nichts mehr. Anfang nächster Woche sollte Abhilfe geschaffen sein, da kommt der Internet-Typ vorbei.

Ich habe mich entschieden, diese Widrigkeiten für eine schon lange benötigte Phase der Ruhe, Einkehr und Meditation zu nutzen – nein, natürlich nicht, ich ärgere mich schwarz und schreie alle halbe Stunde den Router an. Wenn sich nicht nur signifikante Teile deiner Freizeit, sondern ebenso dein gesamtes Berufsleben vor dem Rechner abspielt, kommt man da schon ins Grübeln: Was macht man eigentlich so abseits des Internets den ganzen Tag? Wie, beispielsweise, substituiere ich mein morgendliches Rumpöbeln auf Twitter?

Vom Umschwenken auf zufällige Leute von der Straße würde ich generell eher abraten. Insbesondere meine auf Twitter meist als amüsant und geistreich aufgenommenen Kommentare über das Äußere von Hinz und Kunz stießen dort oft nur auf wenig Gegenliebe. Und wie befriedige ich meine voyeuristische Schaulust im Ukraine-Krieg? Ich habe es mit dem Umherwerfen von Oregano-Päckchen und deformierten Suppenwürfeln in Frischhaltefolie im Görlitzer Park versucht, aber es ist einfach nicht dasselbe. Bleibt nur, auf Silvester zu warten, wenn die minderjährigen unbegleiteten Schutzsuchenden sich bevorzugt gegenseitig retraumatisieren. Aber neun weitere Monate ohne Dopamin vom Fließband vor mich hinvegetieren?


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Probieren wir‘s mit anderen Botenstoffen und schielen aufs Serotonin. Was tröstet mich über den Mangel an Katzenvideos hinweg? Ach ja, ich hab‘ ja ‘ne echte Katze. Aber um mit der was zu machen, muss ich aufstehen. Meistens. Und das ist immer dieselbe Katze. Die Schwierigkeiten, mit meinem Verzicht auf Erwachsenenvideos klarzukommen, verlaufen in ähnlichen Bahnen. Aber wie sieht es an der Spielefront aus? Was, um alles in der Welt, könnte ich nur tun, um meine Fifa-Gelüste zu stillen? Wo finde ich elf kleine Männchen, die ich kontrollieren kann, damit sie trotz der Gegenwehr von elf anderen kleinen Männchen eine winzige Kugel in einem rechteckigen Gehäuse unterbringen? Die Gentechnik sowie Gedankenkontrolle, derer es dazu bedürfte, in der echten Welt ein vergleichbares Spiel zu genießen, wäre nicht nur international geächtet, sie existiert offiziell nicht einmal.

Das Beste, was mir also bleibt, ist, die sporadischen Fetzen Internet dazu auszunutzen, ein Browser-Flashgame wie „Penalty Fever“ zu laden, in dem ich mit Zeitpunkt und Dauer eines Mausklicks Platzierung und Härte des Elfmeters einer zweidimensionalen Comicfigur kontrollieren kann. Wie sang in den 80ern die Band Cinderella? „Don‘t know what you got ‘til it‘s gone“. Eine weitere Möglichkeit kommt mir gerade beim Schreiben dieser Zeilen, wo wir schon beim Thema Nostalgie sind: Ich könnte alten Gameboy-Spielen aus der Kindheit einen Besuch abstatten, ein oder zwei sollten noch irgendwo auf der Festplatte rumliegen. Damit und mit dem alten Streitgespräch zwischen Kasper und Sally von anno 2018 als Hintergrundlärm habe ich schon einmal eine internetfreie Zeit überbrückt.

Oder, na ja, ich geh‘ mal vor die Tür oder so. Für die paar Tage. Waren Computer nicht eine wundervolle Erfindung? Gott sei Dank habe ich kein Handy, sonst hätte das ja fast schon in eine Art ungesunde Abhängigkeit münden können. Ich hoffe, die Eichhörnchen im Park spielen gerne bei analogem „Pokémon Go“ mit.

Shlomo Finkelstein

Shlomo Finkelstein wollte immer schon irgendwas mit Hass machen. Seit 2015 erstellt er als "Die vulgäre Analyse" Videos, und seit 2019 zusammen mit Idiotenwatch den Podcast "Honigwabe".

Belltower News schreibt über ihn: "Da er vorgibt, sein Hass sei rational begründet, sind besonders junge Menschen der Gefahr ausgesetzt, die Thesen für bare Münze zu nehmen und sich so zu radikalisieren."

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