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„Ja, dann geht doch einfach!“ – Satire in unseren Zeiten

16. März 2023
in 3 min lesen

Für die heutige Kolumne habe ich einen neuen, mir vorher unbekannten Begriff gelernt: „Derblecken“. Schon mal davon gehört, lieber Leser? Wenn Sie das Vergnügen hatten, wie ich nördlich von Main und Donau aufzuwachsen, so ist die Wahrscheinlichkeit äußerst hoch, dass Sie dieses Wort nun ebenfalls zum ersten Mal hören (beziehungsweise lesen). „Derblecken“ – oder wie man in Altbayern eher sagen würde: „derblecka“ – bezeichnet laut dem Förderverein Bairische Sprache und Dialekte das „mehr oder weniger scherzhaft[e] [V]erspotten“ einer Person.

Während im mundartlichen Bayern bis heute alle möglichen Personen davon betroffen sein können – vor allem wurden die Stammgäste eines Dorfkruges von ihrem mit allerlei Gerede vertrauten Wirt „derbleckt“ –, meint man im deutschlandweiten medialen Kontext damit vor allem die Spottrede beim Auftakt des Starkbierfestes auf dem Münchner Nockherberg.

Das „Derblecken“ beim Starkbierfest ist damit das Münchner Äquivalent zu den politischen Kabarettreden rheinischer Karnevalsveranstaltungen – sofern ich das als schnöder Protestant aus Preußen richtig verstanden habe. Man zieht bei beiden Festivitäten eben über die Taten und Untaten der politischen Kaste her, ganz locker und ganz lustig, was soll schon dabei sein? Tja, bei beiden ist dieselbe ätzende Krankheit festzustellen: Anbiederei an den Zeitgeist. Wen schon die Büttenreden gelangweilt haben, der darf sich auch beim „Derblecken“ nichts erhoffen: Gelästert wird nicht über diejenigen, die das Land tatsächlich gegen die Wand fahren, sondern, tja – über uns.

Auf dieses Thema gestoßen bin ich über den ehemaligen Bild-Posterboy Julian Reichelt, der es vor circa einer Woche auf die Tagesordnung setzte. Er zeigte Ausschnitte aus der „Derblecken“-Rede, die vom ÖRR-Satiriker Maxi Schafroth gehalten wurde, und echauffierte sich auf die altbekannte Weise darüber: Es ist ein Skandal, der Schafroth macht grüne Propaganda, und die Grünen sind Ideologen, aber eine Alternative, etwa in Parteiform, zeigt er natürlich nicht auf – im Übrigen verteidigt er ausgerechnet den Weichspüler Merz.


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Hätten sich die Chefs Reichelt nicht vor längerer Zeit in einem Podcast gewidmet, würde ich etwas näher darauf eingehen. Aber zum eigentlichen Thema: Schafroth, den ich noch aus der Zeit kenne, als ich regelmäßig das Satiremagazin „extra 3“, die hässliche kleine Schwester der „heute-show“, geschaut habe (Asche über mein Haupt, ich weiß), zog also über die bösen Politiker her. Wie man es aus solchen Reden kennt, war es extrem langweilig und unlustig, gar peinlich. Eine Pointe, die besonders unangenehm war (beziehungsweise „cringe“, wie die jungen Leute heute so sagen), bezog sich auf Friedrich Merz‘ Pascha-Skandal: Schafroth war sich nicht zu blöde, sich im Namen des altgedienten Mittelständlers auf Arabisch (!) bei den armen Alis dieser Republik zu entschuldigen – da hat er sich aber endlich mal was getraut!

Wo einem aber wirklich das Lachen im Halse stecken blieb, war der Schlussteil der Rede, der auch bei Reichelt im Fokus stand. Kurz gesagt: Es war kein Witz, geschweige denn ein lustiger, sondern ein Appell an diejenigen, die „nicht so viel Freiheit in unserer Demokratie“ haben möchten, denen es zu bunt wird und die lieber „binär und schwarz-weiß leben“ wollen (kurz: wir), doch endlich Platz zu machen für diejenigen, die von außerhalb kommen und die diese Freiheiten zu schätzen wissen – Immigration sei ja unvermeidbar, um das Land am Leben zu erhalten.

Am Ende gab es donnernden Applaus, sogar Standing Ovations: Mit aufgestanden sind nicht nur Claudia Roth und Ricarda Lang, sondern auch die CSUler wie Söder und deren bayrischer Regierungspartner, die Freien Wähler – die sogenannte konservative Hoffnung eben, wenn man einigen LibKons trauen darf.

Was heißt das nun? Das alles mag ja ganz lustig und fröhlich dahergesagt sein, aber der Kern der ganzen Aussage ist bitterernst. Man solle Platz machen für diejenigen, die eh noch unweigerlich kommen werden: Da stecken zwei Botschaften drin, die momentan hinter dem dämlichen Grinsen eines Maxi Schafroth wegeuphemisiert werden (noch zumindest):

1.) Das Demokratiespiel nehmen sie selbst nicht ernst. Klar, sie sagen es andauernd, aber die Regeln sind seit eh und je klar: Wir machen Demokratie, aber wer nicht das will, was wir wollen, der kann gehen. Adieu!

2.) Man darf vor den exterminatorischen Konsequenzen des Gesagten auf keinen Fall die Augen verschließen. Man nimmt hier das Verschwinden eines Volkes nicht nur in Kauf, sondern billigt oder fördert es gar, um irgendwelche Werte, die man häufig selbst nicht ernst nimmt, zu verteidigen. Und sie sagen es immer offener.

Tja, man will euch zwar verschwinden sehen, aber hey: immerhin mit viel Lächeln, Spaß und Buntheit! Und da die meisten Deutschen, wenn überhaupt, sowieso eher Reichelt schauen als KRAUTZONE lesen, wird es wohl auf eines hinauslaufen: Um der ganzen Grünen Herr zu werden, wählen wir dieses Mal CDU! Der Merz traut sich wenigstens noch, was zu sagen, ohne dabei radikal zu sein! Jawoll, ja!

Fridericus Vesargo

Aufgewachsen in der heilen Welt der ostdeutschen Provinz, studiert Vesargo jetzt irgendwas mit Musik in einer der schönsten und kulturträchtigsten Städte des zu Asche verfallenen Reiches. Da er als Bewahrer einer traditionsreichen, aber in der Moderne brotlos gewordenen Kunst am finanziellen Hungertuch nagen muss, sieht er sich gezwungen, jede Woche Texte für die Ausbeuter von der Krautzone zu schreiben. Immerhin bleiben ihm noch die Liebesgrüße linker Mitstudenten erspart…

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