Jenseits von extremistisch – Das echte Problem der AfD

7. Mai 2025
in 3 min lesen

Von Alois Täufer

Eindrücklich ist das Bild auf jeden Fall: Der 21. Bundestag tritt zum ersten Mal zusammen, und die AfD-Fraktion hat sich beinahe verdoppelt. Stärker denn je zuvor ist die patriotische Partei in der deutschen Legislative vertreten. Was die Linken bis ins Mark erschüttert, löst bei den Rechten Jubelgesänge aus: „Endlich haben wir es geschafft; endlich dürfen wir verschnaufen.“ Aber was wurde geschafft? Dürfen sie verschnaufen, die Herren und Damen Abgeordneten der AfD? Was haben sie denn erreicht – ausser gewählt worden zu sein?

Die Vergrösserung der Fraktion ist eine Bestätigung für das kleine Häufchen an Abgeordneten, die als hoffnungslose Minderheit die vergangenen vier Jahre im Bundestag bestritten haben. Nun haben sie Rückendeckung, wenn sie ans Rednerpult treten. Mit der Frage, ob sie falsch abgebogen sind, wenn die überwältigende Mehrheit in eine ganz andere Richtung drängt, müssen sie sich nun weniger herumquälen. Immerhin so viel ist erreicht worden. Aber ist das genug? Darf sich die AfD damit zufrieden geben?

Die Frage, die dringend gestellt werden muss, ist, welche Impulse von dieser Wahl ausgehen. Für die Kräfte links der Mitte – mit Ausnahme von CDU und SPD – war das Erstarken der AfD ein Weckruf, ein Schock. Dieser Schock hat wie ein Defibrillator die Linke wiederbelebt und auch dazu geführt, dass sich die Grünen neu aufgestellt und neue Talente nach vorne geholt haben. Nun verzeichnen sie einen beachtlichen Mitgliederzuwachs und dominieren die Sozialen Medien.

Eine Jette Nietzard und eine Heidi Reichinnek mag man in der AfD belächeln, man mag sie als dumm und naiv verschreien und sich dann in der eigenen Überlegenheit suhlen. Klug ist das allerdings nicht, weil man sich gerade an ihnen ein Vorbild nehmen sollte.

Natürlich ist Kritik an den beiden berechtigt. Und vieles, was man sich von Politikern wünschen würde, haben sie definitiv nicht. Eines aber haben sie: Erfolg. Nicht die schlechteste Idee wäre es deshalb, sie zu studieren und sich von ihnen eine Scheibe abzuschneiden.

Wenn sich jetzt der ergraute AfD-Steuerberater mit Halbglatze fragt, ob es wirklich sinnvoll wäre, wenn auch er für Instagram halbnackt durch seine Wohnung tänzeln würde, dann hat er recht – wäre es nicht. Er ist nicht der Typ dafür.

Fragen sollte er sich allerdings, welche, wenn nicht diese Rolle er spielen kann. Ist es nur die des unauffälligen Statisten? Dann kann er auch zuhause bleiben. Von denen hat es in der neuen AfD-Fraktion nämlich genug.

Dass nicht jeder eine Hauptrolle spielen kann, ist selbstverständlich. Und ja, auch Statisten braucht das Theater, und vor allem braucht es die, die hinter der Bühne aufstellen und vorbereiten. Am Ende aber hängt der Erfolg der ganzen Vorstellung von den Schauspielern im Rampenlicht ab. Auf die kommt es an.

Soll eine Vorführung dem Publikum gefallen – und in einer Demokratie gewählt zu werden, bedeutet nichts anderes – so müssen unterschiedliche Rollen besetzt werden können. Dazu braucht es unterschiedliche Typen, die Charakter mitbringen. Selbst die Nebenrollen müssen ausgeleuchtet werden, sei es auch nur schematisch.

Wo bleibt die rebellische Teenagerin? Die verzogene Blondine? Der Muskelprotz? Der Krüppel-Philosoph? Der gutmütige Onkel mit Bierbauch? Für wen sollen die Publikumsherzen glühen? Wer macht im Bierzelt Stimmung? Wer lässt sich auf kindische TikTok-Tänzchen mit der Oma ein?

Wir schauen auf den neuen Bundestag und müssen leider feststellen: Die AfD-Truppe ist schlecht gecastet. Und was noch schlimmer ist: Es fehlen die Regieanweisungen. Wer meisselt an der grauen Masse herum, bis vielleicht doch noch irgendwo ein bisschen Charakter zum Vorschein kommt – oder bis man die neuen AfD-Abgeordneten wenigstens voneinander unterscheiden könnte?

Anstatt die begrenzte Sendezeit zu nutzen, ihren Vertretern Profil zu verleihen, veröffentlicht die AfD auf X ein langweiliges Meme nach dem anderen. Was soll das bringen? Das Publikum will Höcke auf dem Fahrrad sehen! Es will mitfiebern! Es will leiden und jubeln mit der AfD! Doch die AfD gibt ihm – wenig bis gar nichts.

Hervor stechen auf der Bühne leider nur die Altbekannten: die lesbische Wirtschaftsexpertin, der sympathische Malermeister, die tollwütige Trixie, der schwitzende, weil engagierte Brandner, der gute Opa Gauland mit der niedlichen Krawatte, der Talahon-Helferich, der verschupfte, aber ehrliche Braga, Maxi Krah, dessen Name Marke genug ist, und natürlich Baumann, der im richtigen Moment den richtigen Ton getroffen hat. Alle anderen hätten – Stand jetzt – auch zuhause bleiben können.

Ob sie kompetent und fleissig sind, diese 143 anderen Abgeordneten, lässt sich aus der Ferne nicht beurteilen. Es spielt aber auch keine Rolle. Denn wenn sie es jetzt nicht vermögen, das Publikum zu überzeugen, wird die AfD-Fraktion gar nie in die Situation kommen, in der Fleiss und Kompetenz dann mal gefragt sein könnten.

Die Partei muss jetzt die richtigen Impulse setzen, ihre Vertreter bekannt und beliebt – vor allem aber bekannt – machen. Plattitüden wie „Wirtschaftlicher Neuanfang“ und „Politikwende“ mit einem Stockfoto zu hinterlegen und auf X zu posten, ist keine ernstzunehmende Öffentlichkeitsarbeit. Es ist nicht genug!

Gastautor

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2 Comments Schreibe einen Kommentar

  1. Sehe ich nicht so.

    Die Lokalpatrioten leisten super Arbeit und jeder in jedem Dorf jeder Stadt hat sein Gesicht oder Gesichter die wo man weiss das eine Starke Gemeinschaft bis in den Bundestag dahinter steht.

    Wichtig ist die Arbeit vor Ort am Volk aber das haben die meisten aus den Altparteien verlernt.

  2. „das kleine Häufchen an Abgeordneten, die als hoffnungslose Minderheit die vergangenen vier Jahre im Bundestag bestritten haben“

    Irrtum. Diese Gruppe hat sich ihren Ehrenplatz in der Geschichte längst unwiderruflich verdient. Das Bild der Geschlossenheit auf der Tribüne ansatt Coronoia-konform mit den Tätern in den Sitzreihen ist und bleibt ikonisch. Ikonisch dafür daß sie als einzige die Interessen von Volk und Freiheit hochgehalten haben, gegen alle Schikanen.

    Zum Regieren braucht es eine Mehrheit, oftmals unter Verzicht auf den ursprünglichen Kern teuer gekauft. Aber wirksamen Widerstand kann man auch in kleinerer Zahl, schon mit einer Handvoll standfester Vorbildgebenden, bewirken.

    Mehr Character? Ja bitte. Aber eine zusammengewürfelte Krawallklamauktruppe haben wir mit Rotz, Tiefrotz und Buntgrün schon zu Genüge.

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