Julia Ruhs – dieser Name war in den letzten Tagen in aller Munde. Die bei den Öffentlich-Rechtlichen arbeitende Journalistin war schon seit einiger Zeit mit kritischen Beiträgen aufgefallen – das heißt konkret, sie war weniger links als die meisten ihrer Kollegen –, doch mit der in der letzten Woche veröffentlichten Pilotfolge der neuen ARD-Reportagereihe „Klar“ konnte sie wahrlich einen Durchbruch erzielen. Denn das Thema dieser Folge war: Migration. Genauer gesagt: Die fatalen Folgen der Massenmigration.
Also etwas, was der gemeine AfD-Wähler und der rechte Publizist da draußen schon längst wissen (und die meisten CDUler im Geheimen übrigens auch) und vor dem sie schon seit bald zehn Jahren (!) gewarnt haben. Und wer glaubt, dass das 45-minütige Machwerk einen weichspülen soll, der irrt sich – zumindest auf den ersten Blick, denn es werden tatsächlich Dinge aufgegriffen, die dem „Normie“ bei der ARD und ähnlichen Sendern sonst immer verborgen blieben: die dänische Asylpolitik oder der Mörder von Brokstedt zum Beispiel. Doch wie weit kann man den Medienmachern dahinter, deren Gesicht nun mal Frau Ruhs darstellt, trauen? Wie ist das Ganze zu bewerten?
Schon der erste Satz der Anmoderation lässt aufhorchen: „Was jetzt kommt, wird vielleicht nicht jedem gefallen.“ Aufhänger der Reportage ist der Fall von Brokstedt. Dort erstach ein Palästinenser am 25. Januar 2023 die 17-jährige Ann-Marie Kyrath und ihren Freund, als diese mit dem Regionalexpress reisten. Vier weitere Menschen wurden verletzt, wobei eines der Opfer sich später das Leben nahm. Eines der vielen tödlichen Messerdelikte seit 2015 ist der Tod der beiden Jugendlichen, doch immer wieder in Erinnerung gerufen wird die Tat durch die unermüdliche Arbeit des Vaters des Mädchens, Michael Kyrath.
Er tritt immer wieder in Talkshows auf oder gibt Interviews, kritisiert die verantwortlichen Politiker und betont, dass eine andere Asylpolitik dazu geführt hätte, dass seine Tochter noch am Leben wäre. Eben dieser Michael Kyrath ist die Hauptfigur in Ruhs’ Reportage, sein Kampf seit dem Tod seines einzigen Kindes wird beleuchtet. Weiterhin kommt ein Vertreter der sozialdemokratischen Regierung Dänemarks über die strikte Asylpolitik des skandinavischen Landes zu Wort, dann wird (darf natürlich nicht fehlen!) der Antisemitismus der muslimischen Migranten beleuchtet, und schließlich folgt – für die Ausgewogenheit – ein kurzes Interview mit der Vorsitzenden der Grünen Jugend, Jette Nietzard. Im Großen und Ganzen also eine Reportage mit hoher Qualität – insbesondere für ÖRR-Verhältnisse.
Von den Linken hagelte es dagegen scharfe Kritik. Jette Nietzard twitterte dazu: „Wer den Rechtsruck live sehen will, kann ab jetzt NDR schauen.“
Doch auch die eigenen Kollegen aus dem ÖRR schossen gegen Ruhs, so etwa die ZDF-Moderatorin Nicole Diekmann: „Wenn du für dein Format damit wirbst, wer dich alles doof findet, bist du entweder innerlich noch ein Teenie, oder dein Vertrauen in dich und dein Produkt ist nicht besonders groß.“
Die „B.Z.“ griff die Debatte rund um Ruhs’ neue Sendung auf und verwies dabei auf die absehbare Kritik von links unten: So verspottete erwartbarerweise auch Jan Böhmermann im Rahmen seiner öffentlich-rechtlichen Sendung „ZDF Magazin Royale“ seine Kollegin. Den Aufhänger von Ruhs’ Sendung – „Was jetzt kommt, wird vielleicht nicht jedem gefallen“ – hält der Demagoge vom ZDF für einen Satz, mit dem „jede Dummheit, jede Unmenschlichkeit, jeder Irrsinn als ernsthaft debattierbares Thema“ vermarktet werden könne. So viel zum Mord an zwei deutschen Jugendlichen durch einen importierten Wahnsinnigen, so viel zur Trauer eines Vaters, dem im Augenblick von Sekunden alles genommen wurde.
Also: Wir haben den ersten großen Bericht der ARD, der sich wirklich kritisch mit der Massenmigration seit 2014/15 beschäftigt und damit sogar den Zorn der eigenen Verbündeten auf sich zieht. Ist das alles nur Show? Betrachten wir hier eine Inszenierung der Medien, um etwas Druck vom Kessel zu nehmen? Die notwendigen Konsequenzen werden selbstverständlich nicht gezogen, ein Vertreter der einzigen Partei in Deutschland, die seit gut einem Jahrzehnt vor den Folgen der hier kritisierten Politik warnt und zudem die zweitstärkste Fraktion im Bundestag stellt, wird überhaupt nicht interviewt. Und auch die gebetsmühlenartige Erklärung der Moderatorin, dass ja nicht alle Migranten das Problem sind, lässt einen die Augen verdrehen. Es scheint also nur ein Ablenkungsmanöver zu sein, eine Finte, mehr nicht. Auf der anderen Seite ist die Reportage höchst normieverträglich, man kann sie also auch der Oma oder dem Kollegen ohne Gefahr zeigen, und es werden nun mal Dinge gesagt, die bis vor wenigen Monaten noch „pfui“ waren. Vielleicht hat das Fräulein Nietzard doch einmal recht, und wir schauen wirklich live beim Rechtsruck zu…