Als dem Bauleiter Ronny Schäfer einst wegen eines unverdichteten Kranplatzes der Blutdruck wummte, konnte der gute Mann nicht ahnen, dass sein Auftritt einmal Memegeschichte schreiben würde. Das liegt bestimmt nicht daran, dass deutsche Bauarbeiter für ihr ruhiges Temparament bekannt wären – im Gegenteil: Jeder, der sich mal hauptberuflich oder für ein bisschen Feriengeld die Finger schmutzig gemacht hat, kennt die Auftritte des HB-Männchen.
Achja, in unserer watteweichen Wohlfühldiktatur ist ein Faustschlag auf die Tischplatte etwas befreiendes. Mich würde es gar nicht wundern, wenn irgendwo in Berlin genau jetzt ein paar Ritter der Sojabohne unter Anleitung eines Lebensberaters Legotürme zusammentreten: “Du Sören, das machst du gut! Lass es raus. Nele versteht das nicht, aber wir verstehen dich. Und jetzt räum bitte die Steine zurück in den Eimer, ja?“
Es gibt dieser Tage ja allerhand Situationen oder Meldungen, die als Kaffeeersatz dienen könnten. Wer etwa in irgendeiner Form auf die ehemalige Reichsbahn angewiesen ist, wird sich nicht nur einmal Dynamit gewünscht haben. “Es kommt zur Verzögerungen im Bahnbetrieb…“
Verrückt: In einem Land zu leben, das unverständlicherweise rund um den Globus als Inbegriff der Verlässlichkeit und Korrektheit gilt, das in Wirklichkeit aber nur noch vor sich hin modert. Ewiges Schlangestehen vor der Postfiliale – ein riesiger Vorraum, in den “wegen Corona“ nur drei Kunden gleichzeitig hinein dürfen.
Hinter dem Schalter zwei lustlose Wechseljahrselstern, bei denen man sich schließlich nach 10 Minuten endlich eine Briefmarke abholen kann. Gibt es für so etwas keinen Automaten? Wieso werden diese Scheißmarken eigentlich immer teurer? Nein, ich will keinen Expressversand für 7,99!
“Wegen Corona“, das ist überhaupt so eine Sache: Letztens verwehrte man mir in einem Museum einen kompletten Ausstellungstrakt, weil dieser “wegen Corona“ gesperrt wäre. Geschlossene Museumsräume? Wegen Corona?!?! Ich war der einzige Besucher, darüber hinaus hatte ich den vollen Eintritt gezahlt. “Steht aber auch auf der Tür“, warf mir die Rezeptionsrenate vor. “Stand aber nicht im Netz“, nörgelte ich zurück. Und beließ es dabei. Ach, ich hätte damals so kotzen können, ich könnte es immer noch.
Und jetzt ärgere ich mich. Nicht mal über das dumme Museum, das seine Netzseite nicht pflegt. Nicht über die Rezeptionsrenate. Nein, ich ärgere mich über mich selbst. Einfach darüber, dass ich in diesem menschenleeren Museum nicht mal laut geworden bin. Mal ein bisschen Terror gemacht habe: “Machen Sie jetzt den scheiß Flügel auf, oder geben Sie mir mein Geld zurück! Was sind das eigentlich für Sitten? Raum A hat doch auch geöffnet!“
Nein, natürlich habe ich die Schnauze gehalten, ich bin ja ein guter Deutscher. Aber vielleicht ist das eine Sache, die ich mir dringend abgewöhnen sollte. Es gibt ja Gründe, weshalb Deutschland seinen überragenden Ruf in der Welt hat – weil es in diesem Land einmal ein Arbeitsethos gab. Scheiß egal wie viel ich verdiene – das, was ich mache, mache ich richtig.
Diese Zeiten sind längst vorbei. Wenn Sie also demnächst mal wieder nicht ihr Paket zugestellt bekommen, wenn Sie der Verwaltungsautist schikaniert oder der Kranplatz nicht verdichtet ist, dann machen Sie ruhig mal ein bisschen Terz. Es kann nicht schaden.