Klassenkampf ist abgeblasen – Die AfD auf dem Weg zur Volkspartei

15. März 2025
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Die Bundestagswahl 2025 ist Geschichte – und schon jetzt ist eindeutig, dass sie sich deutlich von den vorangegangenen Bundestagswahlen unterscheidet. Mit einer Wahlbeteiligung von 82,5 Prozent fand die stärkste Wählermobilisierung seit 1987 statt. Die Bürger hatten das Gefühl: es geht um was. Auf Seiten der patriotischen Opposition wollte man den Ausverkauf Deutschlands stoppen – aus Sicht der linken Parteien den Beginn des Dritten Reiches verhindern. Auch die Polarisierung durch die Unterstützung der AfD durch Donald Trump und Elon Musk sorgten für erzürnte Linke – ebenso wie das abrupte Ende der katastrophalen Ampel-Regierung in den drei vergangenen Jahren. Zugleich konnte Friedrich Merz nicht wirklich überzeugen, auch wenn er einen erneuten Totalabsturz der CDU verhindern konnte. Denn auch wenn die CDU (ohne CSU) von 19,0 auf 22,6 Prozent anwuchs, ist sie noch immer ein Schatten ihrer selbst. Das gleiche gilt natürlich auf für SPD und FDP.

Gute Vorzeichen also für ein starkes Abschneiden der Alternative für Deutschland. Und tatsächlich: Sie konnte ihr Wahlergebnis von vormals 10,4 auf nunmehr 20,8 Prozent verdoppeln: Ein Zuwachs, der in der Geschichte der BRD einmalig ist. Nichtsdestotrotz schwang bei vielen AfD-Wählern eine leichte Enttäuschung mit. Im Vorfeld der Wahl hatten die meisten Umfrageinstitute die AfD auf 21 oder gar 22 Prozent notiert – und auch der „Musk-Train“ hatte auf ein höheres Abschneiden hoffen lassen. Parteiintern beginnen (hoffentlich) die großen Analysen, wenn der Schampus schal geworden ist: Woran hat es gelegen? Warum erkennen nicht noch mehr Menschen der schwächelnden Bundesrepublik den Betrug der Altparteien am Volk – und setzen ihr Kreuz hinter der AfD?

Eine Annahme lautet: Die AfD müsse sich eher am „Kleinen Mann“ orientieren. Das wirtschaftsliberale Parteiprogramm, dass in Teilen sogar liberaler als das der FDP ist, schreckt den einfachen Wähler ab – dazu rechneten in den vergangenen Tagen die Institute und Medien rauf und runter, warum die ärmeren AfD-Wähler sich finanziell selbst schaden würden. Dazu eine eher kühle Ökonomin als Spitzenkandidatin im Gegensatz zur volksnäheren Sahra Wagenknecht oder sogar in Teilen zum nahbaren Olaf Scholz. Auch die ersten Wahlanalysen zeigen: In keiner einzigen demographischen Großkategorie schnitt die AfD so stark ab, wie beim Arbeiter. Ganze 38 Prozent derjenigen Deutschen, die als Arbeiter klassifiziert sind, also formell in einem Angestelltenverhältnis leben, aber keiner „geistigen“ Tätigkeit nachgehen, wählten die AfD. Bei den Selbständigen und Angestellten lag der Wert bei 21 Prozent – Rentner wählten nur zu 13 Prozent die AfD. Die meisten anderen Dichotomien – alt und jung, Mann und Frau, gebildet und ungebildet – zeigen weniger starke Unterschiede.

Verständlich also, dass Vertreter eines eher linken Flügels der AfD auf die Idee kommen, die AfD solle sich künftig noch stärker auf den „Kleinen Mann“ ausrichten, der ja aufgrund seines schmalen Geldbeutels, dem direkten Kontakt mit den kulturfremden Einwanderern und schwächerer sozialer Zwänge – akademischer Lehrbetrieb, grünen-freundlicher Vorstadtklientel  – bereitwillig die ungeliebte Partei wählen.

Doch diese Idee ist ein Holzweg, und sie ist zum Scheitern verurteilt, was mehrere Gründe hat. Der erstere ist so profan wie gewichtig: Der Arbeiter ist nahezu ausgestorben. Lag 1990, also vor gerade einmal 35 Jahren, der Anteil der Arbeiter an der erwerbsfähigen Bevölkerung bei 38 Prozent, schmolz er sukzessive ab. 2020 waren nur noch 13,1 Prozent Arbeiter, drei Jahre später schon 10,1. Man kann aufgrund des technischen Fortschritts, aber auch der wirtschaftlichen Deindustrialisierung Deutschlands dem Ende der Arbeiterschaft in Echtzeit zuschauen. Es ist wahrscheinlich, dass es in 10-15 Jahren nahezu überhaupt keinen klassischen Arbeiter mehr gibt. Die Prozente wurden übrigens von den „Angestellten“ aufgefangen: Ihr Anteil wuchs von 44 auf über 70 Prozent an.

Das haben die linken Parteien übrigens vor Jahrzehnten (!) verstanden und haben mit ihrem Sozialismus oder zumindest ihren Umverteilungsstrategien längst nicht mehr den kleinen Mann im Visier, sondern den wohlhabenden Mann – der sich aufgrund seines schlechten Gewissens zum Advokat des kleinen Mannes aufschwingt. Der Aufstieg der Grünen ist eng an die akademische Oberschicht geknüpft, und selbst die SPD erreichte aktuell bei einem niedrigen Bildungsstand (20 Prozent) nur noch unwesentlich mehr als beim höchsten Bildungsstand (16 Prozent). Mit dem „Ende des Klimawandels“ fällt die Grüne wieder zurück zu ihrem Kernklientel bestehend aus etwa 10 Prozent. Auch der Höhenflug der Linken ist mehr Schein als Sein, behält die Partei ihre ökonomisch radikalen und identitätspolitischen Inhalte, ist der „Wahlerfolg“ von 9 Prozent auch das Ende der Fahnenstange. Dass das gleiche Spiel nur ohne Gender, bunt und Multikulti aber auch nicht funktionierte, zeigt das Wahlergebnis des BSW.

Natürlich ist die Wahl der AfD auch maßgeblich eine Wahl, die den eigenen Geldbeutel betrifft und natürlich ticken die Uhren für die AfD – aber auch gegen Deutschland. Doch all die schönen Erhebungen wie der Nachweis, dass 39 Prozent derjenigen, denen es finanziell schlecht geht, die AfD wählen, sagen wenig darüber aus, wer denn genau alles sein Kreuz hinter der AfD setzt. Dennoch ist es eindeutig, und auch Resultat des gesunden Menschenverstands, dass es eben nicht nur die Arbeiter oder die „Abgehängten“ sind, sondern es ist die von allen Parteien sträflich ignorierte Mittelschicht, insbesondere die Mittelschicht mittleren Alters.

Die AfD wurde bei den 25 bis 44-Jährigen mit 25 Prozent sogar stärkste Kraft, was untrüglich zeigt, dass man sich hier die Kernklientel der entscheidenden Bevölkerungsgruppe der Zukunft aufgeschlossen hat. Das lenkt zumindest vom Schmerz der Altparteien-Boomer und des teilweisen Verlustes der Jugend ab. Und es ist auch genau diese Gruppe, die in der gleichen Umfrage ihre finanzielle Lage als „schlecht“ angab.

Es betrifft nämlich schon lange nicht mehr die malochende Arbeiterschaft im letzten Bergwerk Deutschlands; die reale Armut hat sich längst in die Mittelschicht eingefressen – die zugleich numerisch um ein Vielfaches größer ist. Es sind die „Normalen“: Vater, Mutter, ein oder zwei Kinder, Mann ganztags, Frau halbtags, Bullshit-Job im Büro, Stress von morgens um sechs bis abends um acht, Leben am Rand der Stadt mit steigenden Mieten und mehr und mehr Ausländern – im Stadtbild, in der Kita, in der Schule. Und irgendwie ist am Geldende noch immer zu viel Monat übrig. Die „Glücklichen“ unter ihnen dürfen im postmodernen 120 Quadratmeter-Würfel in ihrer sechsfach-Dämmung ersticken und bis zum 65. Lebensjahr bloß keine Kreditrate verpassen.

Das liegt nicht daran, dass die „Schere zwischen Arm und Reich“ immer größer wird, sondern dass allein vom Bruttogehalt über 50 Prozent Steuern und Sozialabgaben abgezogen werden, beim Konsum geht nochmals die Mehrwertsteuer ab. Der Weg der AfD ist eigentlich vorgezeichnet: Mit klassischer Klientelpolitik und der „sozialen Frage“ wird man keinen Blumentop gewinnen können, stattdessen nur mit dem Weg durch die Mitte neue Volkspartei werden können. Volkspartei heißt schließlich nicht „Catch-All-Party“ und ohne Diktatur wird man niemals „Alle“ erreichen können. Selbst die CDU konnte zu Bestzeiten immer nur 40-50 Prozent der Wählerschaft erreichen. Und auch diese Wahlergebnisse sind für die AfD möglich, was natürlich bedeutet, dass abseits der Zielgruppe Wählergruppen am Rand herunterfallen. Das bezieht sich freilich nicht nur auf „den Arbeiter“, sondern auf alle möglichen Gruppen, die in identitätspolitischer Manier auch von Funktionären und Verbänden der AfD direkt umgarnt werden: Ausländer, Muslime, Türken, Russlanddeutsche, Arbeitslose, Schwule, Rechte, Linke. Denn mit jedem Promille, dass man bei diesen Gruppen gewinnt, geht ein Prozent der langsam verarmenden liberalkonservativen CDU-FDP-Wähler verloren. Der Weg der AfD zur neuen Volkspartei ist vorgezeichnet: Mehr netto vom brutto.

Florian Müller

Der Sklaventreiber-Chef hat diverse Geschwätzwissenschaften studiert und nach eigenen Angaben sogar abgeschlossen. Als geborener Eifeler und gelernter „Jungliberaler“ freundete er sich schnell mit konservativen Werten an – konnte aber mit Christentum und Merkel wenig anfangen. Nach ersten peinlichen Ergüssen entdeckte er das therapeutische Schreiben in der linksradikalen Studentenstadt Marburg, wurde Autor für die „Blaue Narzisse“ und „eigentümlich frei“. Ende 2017 gründete er mit Hannes die Krautzone.

4 Comments Schreibe einen Kommentar

  1. Florian Müllers Beitrag finde ich schon deswegen nützlich, weil dieser – wie oft in der Krautzone – Gesichtspunkte in seiner Analyse aufzeigt, die man in anderen (auch alternativen) Medien meist so nicht dargestellt bekommt.
    Was aber das auch durch die Kommentatoren angesprochene Problem staatlicher „sozialer“ Umverteilung anbetrifft, so muß man sich eigentlich zuerst mal der Frage widmen, wie man „den Staat“ bei einer solchen Umverteilung wirksam kontrollieren kann. Wie verhindert man wirksam, daß die finanziellen Mittel nicht zum exponentiellen Ausbau des polit-bürokratischen Machtapparats – wie seit den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts geschehen – verwendet werden ? Denn gibt man „dem Staat“ über die Mittel hinaus, die er für seine eigentliche Funktion – unseren Schutz – benötigt ohne wesentliche Änderungen unseres Systems den kleinen Finger „Sozialhilfe“, so wird er wieder beide Hände nutzen, um da zu landen, wo wir jetzt angelangt sind – selbst mit einer AfD-Beteiligung, deren Parteimitglied ich seit 10 Jahren bin. Ein erstes wirksames Mittel könnte darin bestehen, den Abgeordneten als Diäten den Durchschnitt dessen zu bezahlen, was sie drei Jahre vorher außerhalb des Parlaments erarbeiten konnten. Alle anderen bekommen Bafög bzw. „Grundsicherung“. Darüberhinaus sollte – a la Markus Krall – nur derjenige wählen dürfen, der Netto-Steuerzahler ist. Allerdings weiß ich auch nicht, wie man das ermöglichen kann, da das durch unsere Zwangsabgaben finanzierte Krebsgeschwür „Glauben an den Staat“ mit seinen – meist juristischen – Metastasen unsere Gesellschaft schon fast inoperabel befallen hat…

  2. Ergänzung: Die Senkung der Steuern- und Abgabenlast gerade für Mittelschicht und Kleinbürger ist im Kern die neue Soziale Frage. Die neue Gerechtigkeitsfrage ist nämlich, ob die Menschen für die ganzen Abgaben und Steuern noch eine adäquate Gegenleistung erhalten und ob der Staat längst selbst zum größten unsozialen Ungerechtigkeitsfaktor geworden ist, der die Menschen effektiv davon abhält ihre Lebensqualität zu verbessern.

    Wie es bereits von anderen bereits vorgeschlagen worden ist, können in der Beschäftigung mit Mittelschicht und Kleinbürgern beide Dinge solidarische Sozial- und Infrastrukturpolitik mit einer liberalen Wirtschafts- und Abgabenpolitik Hand in Hand gehen. Man wird zwar den Staatshaushalt nicht um 90% beschneiden können, aber mit Sozial-, Steuer- und Verwaltungsreformen sicher genug einsparen können, dass unterm Strich genug für ein soziales Versorgungsnetz + Entlastungen bleibt.

  3. Im Grunde ist das hier ein Spiel mit Begriffen. Der Arbeiter als Milieu-Begriff ist nicht einmal etwas, was vom sozialpatriotischen Flügel der AfD so verstanden wird. Auch Benedikt Kaiser in seinem entsprechenden Buch stellt das so dar, dass die Frage lange nicht mehr die einer absoluten, sondern die einer relativen Armut und der damit verbundenen gesellschaftlichen Folgewirkungen ist. Das heißt, wenn die Sozialpatrioten von Arbeitern sprechen, sprechen sie von Menschen die arbeiten (einbeziehend Angestellte von der Kassiererin bis hin zur unteren Bürokraft) als auch der körperlich arbeitenden unteren Mittelschicht. Im Großen und Ganzen das, was man soziologisch eher als Kleinbürger bezeichnen würde. Also jene die von ihrem Lebens-, Arbeits- und Einkommensumfeld, den angesprochenen Mittelbau der Gesellschaft bilden.

    Die wesentliche Erfahrung für die sind Abstiegsängste, Zerfall ihres Lebensumfeldes, wirtschaftliche Stagnation und Schwierigkeiten für sich oder ihre Kinder gesellschaftliche Aufstiege anzustreben oder zu finanzieren. Das sind die Leute, die von den Folgen linksgrüner Politik monetär und sozial betroffen sind, weil sie sich nicht in derart gesicherten Einkommens oder Lebensverhältnissen befinden, dass Inflation, Preis- und Steuererhöhungen und der Zuzug von Ausländern etwas ist, das man einfach hinnehmen kann.

    Der Sozialpatriotische Diskurs adressiert genau diese soziale Problemstellung. Er will nicht einem arbeitsscheuen Lumpenproletariat ein Auskommen finanzieren, sondern ein auf Deutsche beschränktes, gut ausgestattetes soziales Sicherungsnetz zur Verfügung stellen, das im besten Fall nicht in Anspruch genommen werden muss, aber dem Kleinbürger ein Gefühl der Existenzsicherung ohne Sozialabstieg gewährleistet, als auch staatliche Mittel in die Finanzierung der öffentlichen Daseinsversoroge (auf hohem Niveau) konzentriert, die gerade von Kleinbürgern in Anspruch genommen werden.

    Darüber hinaus existiert damit ein massives Ost-West und Stadt-Land-Gefälle, das marktwirtschaftlich nicht sondern nur staatlich aufgefangen werden kann. DIe Bereitstellung von Sportstätten und Schwimmhallen, von ländlichen Bahnanschlüssen und Busverkehr kann häufig kostenwirtschaftlich nicht für ein privates Unternehmen gerechtfertigt werden, erfordert daher öffentliche Mittel. Dabei ist nicht nur das Land im Westen sondern der Osten auch insgesamt betroffen, weil die dortigen Kommunen nicht nur demographisch sondern auch ökonomisch deutlich stärker unter Druck stehen (weniger lokale, vor allem in der Breite gestreute Unternehmen, das heißt das Angebot an hochwertigen und gut zahlenden Arbeitsplätzen ist regional z.T. extrem begrenzt).

    Die AfD kann hier also nicht nach der reinen libertären Lehre verfahren, insbesondere nicht, da die Sozialstruktur der starken mitteldeutschen Bundesländer ein ganz anderes Sozialunsicherheitsmanagement und deren demographische und wirtschaftliche Situation eine andere Verausgabung öffentlicher Mittel erfordern.

  4. Ich stimme den Aussagen von Florian Müller im Großen und Ganzen zu. Natürlich muss sich die AfD in erster Linie für den „kleinen Mann“ einsetzen – also für diejenigen, die arbeiten und zur Unter bzw. unteren Mittelschicht gehören. Dennoch sollte die Mittelschicht und die arbeitende Bevölkerung insgesamt betrachtet werden, unabhängig von der Art der Leistung.

    Diejenigen, die fordern, dass sich die AfD als antikapitalistische Arbeiterpartei profilieren sollte, verfolgen letztlich nur ihre eigenen linksideologischen Ziele. Zudem unterliegen jene, die aufgrund der aktuellen Umfrageergebnisse eine einseitige Fokussierung auf Arbeiter fordern, dem Survivorship Bias. Dieser führt in diesem Fall zu der Fehleinschätzung, dass der bisherige Erfolg der AfD bei Arbeitern automatisch bedeutet, dass ein weiterer Ausbau in genau diese Richtung den Gesamterfolg steigern würde. Tatsächlich sollten wir jedoch verstärkt darauf achten, unsere Erfolge bei den weiteren Leistungsträgern, also den Angestellten und (kleinen) Unternehmern weiter auszubauen.

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