Der geneigte Leser meiner Texte weiß: Ich bin ein Prophet der Dekadenz und des Niedergangs, ein grundsätzlich kulturpessimistischer Mensch. Erst gestern hatte ich eine Unterhaltung mit einem Kollegen, in der wir unsere gemeinsame Ansicht bezüglich des kulturellen Zerfalls zum Ausdruck brachten – und wie er sich in den kleinsten Details manifestiert: Sei es das schmucklose Treppengeländer oder die rein funktional gehaltene Bahnhofsinformation. Symptomatisch für diese Art von Leuten ist jedoch, dass sie aus ihren ja durchaus richtigen Beobachtungen nicht die weltanschaulichen und damit letzten Endes politischen Konsequenzen zu ziehen vermögen, wodurch sie ihren Teil zum Stillstand kultureller wie politischer Art beitragen – aber dazu später mehr.
Aufhänger der heutigen Kolumne sind die Sparmaßnahmen, die der Berliner Senat beschlossen hat und die zu einem großen Maße die Berliner Kulturszene betreffen. Rund 130 Millionen sollen eingespart werden, und zwar schon ab dem 1. Januar 2025. Verantwortlich für die Kürzungen ist der Kultursenator der Berliner Stadtregierung, Joe Chialo von der CDU (die Regierung selbst wird von seinem Parteikollegen Kai Wegner geführt); die Christdemokraten gedenken mit ihren Maßnahmen unter anderem die ramponierten Finanzen der Bundeshauptstadt aufzubessern.
Wie sinnvoll das ist? Vermutlich kaum: Der Kultursektor verursacht vergleichsweise geringe Kosten – laut der „taz“ gerade mal 2,6 Prozent des Gesamtetats –, soll aber rund ein Zehntel seines Budgets einsparen. Dass sich durch Einsparungen im Berliner Beamtenapparat und ähnlichen Ressorts mit allerhöchster Wahrscheinlichkeit viel mehr einsparen lässt, liegt auf der Hand, aber schließlich haben wir es mit Herren von der CDU zu tun, die von den schönen Dingen dieser Welt nur wenig verstehen. Die freischaffenden Künstler der Stadt sowie die großen, staatlich geförderten Opernhäuser, Theater und Ensembles sind jedenfalls empört.
Für mich ist es ein Dilemma. Auf der anderen Seite möchte ich natürlich keinesfalls, dass Geld bei den schönen Künsten und der Musik gespart wird: eher im Gegenteil, gerade in Hinblick darauf, dass man gleichzeitig einen überfetten Verwaltungsapparat und zig Millionen Kulturfremde durchfüttert. Die Folgen der Maßnahmen sind offensichtlich: Weniger Opern, weniger Konzerte, weniger Theater, mehr arbeitslose Künstler – kurz gesagt: ein Einschnitt in unsere ohnehin schon röchelnde Hochkultur.
Auf der anderen Seite weiß ich leider auch ganz genau, dass das Geld, welches man den Leuten in die Hand drückt, ohne Aufsicht auch für allerlei Unsinn verschwendet werden würde: Opern werden zu halben Orgien, deren einziger Sinn es ist, ein Publikum zu schockieren, wie jüngst bei einer Operninszenierung in Stuttgart, Theaterstücke werden zu linksextremen Werbe- oder gar Indoktrinierungsveranstaltungen, wie das Stück über die „Geheimkonferenz von Potsdam“ zeigte, oder in den Konzertsälen werden (post‑) moderne Kakofonien aufgeführt – meist zwischen zwei bekannten oder zumindest ästhetisch ansprechenden Werken, damit der Zuhörer keine Chance hat, zu früh zu gehen oder zu spät zu kommen. Von diesem Betrachtungspunkt aus kann ich jeden Rechten und jeden Konservativen zumindest ein wenig verstehen, der die Kürzungen des Senats mit Häme betrachten sollte – denn auch mein Mitleid mit explizit linken Künstlern hält sich eher in Grenzen.
Womit wir wieder am Anfangspunkt der Kolumne und dem Gespräch mit meinem Kollegen wären: Es ist die Janusköpfigkeit vieler Kulturschaffender, die mich umtreibt und manchmal echt zur Verzweiflung bringt. Auf der einen Seite wissen viele um den Verfall (und damit meine ich explizit nicht diejenigen linken Künstler, die aus jedem Stück gleich ein satanisches Ritual machen müssen, um ihren „open mind“ der Weltöffentlichkeit zu demonstrieren) und lieben die Tradition, ob nun im Theater oder der Musik, ob sie nun auf den Barock oder die Romantik zurückgeht; auf der anderen Seite wiederum sind die meisten Künstler nun mal wie die meisten Menschen: verdammte Normies!
Normies, die nicht verstehen, dass es sehr wohl einen Zusammenhang zwischen der Abflachung der Kultur und der kulturellen Bildung und dem aktuellen politischen System gibt, dass die von ihnen so geliebten liberalen und/oder linken politischen und philosophischen Ideen den von ihnen beklagten Zerfall mit verursacht haben, dass der kulturelle Zerfall tiefere Wurzeln hat als ein Einschnitt im Budget. Das sieht man daran, wie man sich im „Deutschlandfunk“ über die Pläne des Berliner Senats beklagt:
„Die Kürzungen laufen darauf hinaus, dass Programme konservativer und weniger vielfältig werden.“
Zum Verzweifeln! Angenommen, eine rechte Regierung käme hier irgendwann an die Macht: Wie damit umgehen? Stupide Kürzungen führen zu weniger Kultur, das sollte nicht das Ziel sein, wenn man das Abendland retten will. Ein Kulturkommissar vielleicht, der schaut, was wie inszeniert wird? Hat zwar leichte Zentral-Komitee-Schwingungen, aber es wäre eine denkbare Übergangslösung. Ein linker Kollege scherzte mal, dass bei einer AfD-Regierung nur noch Wagner in den Opernhäusern gespielt würde. Darauf sollte es nicht hinauslaufen, man bräuchte schon einen umfassenderen Blick, aber so könnte sichergestellt werden, dass kein Cent für weltanschaulichen Unsinn ausgegeben wird. Also, ich würd’s so machen. Die einzige Alternative wäre ja, die linken Künstler weiter schalten und walten zu lassen, wie sie wollen…
Ich kann da Paul nur zustimmen. Das Problem ist, dass wir indirekt über den Staat gezwungen werden Leuten, die nichts können, Geld geben um etwas aufzuführen, das wir nicht mögen. Natürlich kommt da nur Mist raus!
Dieselben Leute die momentan unser Geld als Staatsbeamte mishandeln sind oft auch nicht grade privat arm, und wie der Artikel rausstellt geht es in diesem Fall nicht mal um Unmengen an Geld. Wer gerne politische Kunst sehen möchte, soll das bitte selber mit eigenem Geld unterstützen. Ich finde es dahingehend auch sehr bezeichnend, dass von links dann immer so getan wird, als ob jetzt alles außer Wagner verboten ist; Es zeigt, dass es ihnen selber nicht das Geld wert ist.
Warum überhaupt zenzralistische Kulturförderung mit Steuergeld? Staatsquote auf 10% runterschrauben, dann kann sich auch eine Reinigungskraft eine Opernkarte leisten, die dann zwar nicht subventioniert und damit teurer als heute ist, dafür entscheidet der mündige Bürger frei, was er sehen möchte. Die Nachfrage reguliert dann unverzerrt das Angebot, welches dann politisch ausgewogen sein muss, will es konservative Kunden nicht verprellen.