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Eine kurze Geschichte der stolzen Nation Ungarn

2. Juli 2021
in 5 min lesen

In den letzten Tagen und Wochen wurden die Deutschen, sofern sie unklug genug waren, um sich der Propaganda der Mainstream-Medien aussetzten, mit Nachrichten über Ungarn regelrecht bombardiert.

Und natürlich – wer hätte es anders gedacht – stand in der Berichterstattung das „Homosexuellengesetz“ Viktor Orbans im Mittelpunkt: Es sei eine Schande für die Europäische Union, man trete in Ungarn die Menschenrechte mit Füßen usw.

Im Zuge der Fußballeuropameisterschaft erreichte die Hetze ein neues Level der Peinlichkeit. Dass Orbans Gesetz ziemlich harmlos ist – es richtet sich vor allem an den Schutz von Kindern und Jugendlichen, Erwachsene sind können ihre Sexualität weiterhin ausleben –, wird seitens unserer Presse natürlich verschwiegen. Brüssel will derweil den Störenfried der EU so gut es geht kleinhalten, doch es scheint, als ließe sich die ungarische Regierung nicht beirren…

Die Ungarn waren schon immer ein rebellisches Volk, das sich ihrer Identität bewusst war. Wer sich einmal ihre Sprache angeschaut hat, wird jedoch schnell merken: indoeuropäisch ist sie nicht. Bis auf einige deutsche und slawische Lehnwörter deutet nichts auf eine europäische Sprache hin, vielmehr verrät sie die ursprüngliche Heimat der Ungarn jenseits des Uralgebirges, im heutigen Westsibirien.

Wie die Finnen und Esten sprechen auch die Ungarn eine finno-ugrische Sprache, die sie als Reiternomaden im 9. Jahrhundert mit nach Europa brachten. Die ungarischen Stämme wurden von ihrem späteren Großfürsten Árpád vereint, der die erste ungarische Herrscherdynastie gründete und die Magyaren – so bezeichnen sich die Ungarn selbst – in ihr heutiges Siedlungsgebiet, das Karpatenbecken im Osten Mitteleuropas, führte.

Von dort aus unternahmen sie Raubzüge gegen ihre Nachbarn, so überfielen sie auch jenes junge Reichsgebilde, welches später zum Heiligen Römischen Reich avancieren sollte, solange, bis sie schließlich auf dem Lechfeld bei Augsburg von Otto dem Großen zurückgedrängt wurden.

Árpáds Nachfahre Stephan I. gilt heute als Nationalheiliger Ungarns – so sie die Hauptkirche in Budapest nach ihm benannt. Er christianisierte die heidnischen Magyaren und gründete im Jahre 1000 das Königreich Ungarn nach karolingischem Vorbild, ein Staatsgebilde, welches bis 1918/1946 bestand und damit eine ähnlich lange Lebensdauer hatte wie das Heilige Römische Reich.

Papst Silvester II. verlieh ihm den Titel Apostolischer König – die Könige in Ungarn wurden bis 1918 so bezeichnet – und sandte ihm die sogenannte Stephanskrone, welche bis heute, nach dem Untergang der Monarchie, Staatsymbol Ungarns ist.

Der Mongolensturm im 13. Jahrhundert führte zur ersten großen Katastrophe für das Königreich Ungarn. Als 1241 die Horden Batu Khans einfielen, verheerten sie das ganze Land. Hier wüteten die Mongolen schlimmer als in den meisten Teilen Europas, ca. die Hälfte (!) der ungarischen Bevölkerung kam durch direkte Gewalteinwirkung und die darauffolgende Hungersnot ums Leben, ganze Landstriche waren menschenleer.

Als König Béla IV. den Wiederaufbau in Angriff nahm, warb er unter anderem Siedler aus Schwaben an, womit die Geschichte der Deutschen in Ungarn begann. Im 14. Jahrhundert starb die Dynastie der Árpáden aus, seitdem regierten ausländische Herrscher das Land. 1444 beteiligte sich Ungarn an einem Kreuzzug gegen die Türken, der in der Schlacht von Warna scheiterte und der König Wladislaus – dieser herrschte gleichzeitig über Polen-Litauen – fiel im Kampf.

Legitimer Nachfolger wurde der minderjährige Habsburger Ladislaus Postumus. Es war die Hoffnung des benachbarten österreichischen Erzherzogs und Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, Friedrich III., Ungarn zum Teil der Habsburger Erblande zu machen. Ungarischer Reichsverweser war in dieser Zeit der Feldherr Janos (Johann) Hunyadi, der unter König Wladislaus gegen die Türken gekämpft hatte und von seinen Zeitgenossen für seinen ritterlichen Charakter bewundert wurde.

Er wehrte 1456 die Osmanen bei Belgrad ab und sicherte damit Ungarns Unabhängigkeit – fürs Erste. Den Sieg bezahlte Hunyadi mit einer Pesterkrankung, die er nicht überlebte. Ein Jahr später starb Ladislaus Postumus mit 17 Jahren – womit die Hoffnung Habsburgs auf den ungarischen Thron (erstmal) erlosch. Daraufhin konnte sich Johann Hunyadis Sohn, Mátyás – genannt Matthias Corvinus –, zum König krönen.

Gegner war dabei Kaiser Friedrich, dieser konnte sich aber nicht durchsetzen. Matthias konnte dabei Teile des heutigen Österreichs, darunter auch Wien, besetzen und Ungarn zur regionalen Hegemonie aufbauen. Unter ihm wurde das Land auch zu einem kulturellen Zentrum in Ostmitteleuropa.

Matthias‘ Reich zerfiel nach seinem Tod im Jahre 1490 und schrumpfte auf die ungarischen Kernländer zurück – dazu zählten neben den heutigen Ungarn auch die Slowakei, Siebenbürgern und Kroatien. Beerbt wurde er von der polnischen Königsdynastie der Jagiellonen. Im Laufe des 16. Jahrhunderts stieg die Bedrohung durch die Türken stetig an.

Dramatischer Höhepunkt wurde 1526 die Schlacht bei Mohács; sie endete in einer katastrophalen Niederlage für die Ungarn, König Ludwig II. fiel in der Schlacht, ohne einen Erben hinterlassen zu haben. Für die Osmanen unter Süleyman den Prächtigen bedeute dies nicht nur die Eroberung Ungarns, sondern auch eine freie Bahn nach Wien: 1529 standen die Janitscharen vor den Toren der Kaiserstadt.

Nach der Niederlage der Türken wurde Ungarn geteilt: Im Norden herrschte der Habsburgerkaiser Ferdinand I. – seine Schwester war die Ehefrau des gefallenen Königs; Ferdinands Ehefrau wiederum die Schwester Ludwigs II. –, der Süden wurde Teil des Osmanischen Reiches. Erst nachdem die Türken ein zweites Mal vor Wien scheiterten, konnten die Habsburger zum Gegenschlag ausholen: Unter dem General Prinz Eugen von Savoyen entrissen sie den Osmanen Ungarn Stück für Stück, bis es im Frieden von Karlowitz endgültig Österreich zugeschlagen wurde.

Damit sollte das ganze Königreich Ungarn für die nächsten 200 Jahre Teil der Habsburger Monarchie sein. Das Verhältnis zwischen den Österreichern und Ungarn war immer wieder von Spannungen und Aufständen geprägt, erst mit dem Österreichisch-Ungarischen Ausgleich 1866/67 konnten die Konflikte beigelegt werden.

Ungarn war damit ein gleichberechtigtes Königreich neben dem Kaisertum Österreich, erst ab diesem Zeitpunkt sprach man von „Österreich-Ungarn“ und der K. u. k.-, also der „kaiserlich und königlichen“ Doppelmonarchie.

Der verlorengegangene Erste Weltkrieg hatte den Zerfall Österreich-Ungarns zur Folge. Wer glaubt, Versailles wäre eine Demütigung gewesen, der halte sich den Vertrag von Trianon vor Augen: Das Königreich Ungarn verlor zwei Drittel (!) seines Territoriums an die Nachbarstaaten. Ähnlich wie in Österreich und Deutschland wurde auch hier die Monarchie abgeschafft, im März 1919 wurde die ungarische Räterepublik ausgerufen.

Sie geriet bald in einen Krieg mit den nach Siebenbürgen greifenden Rumänien. Diesen Konflikt überlebte die neue Republik nicht. Bald darauf übernahm Miklós Horthy die Macht; er gründete das Königreich als „Königreich ohne König“ wieder und fungierte dabei als Truchsess. Um die Gebietsverluste zu revidieren, näherte er sich im Vorfeld des Zweiten Weltkrieges dem Dritten Reich an.

Mithilfe Deutschlands konnte er Teile der Slowakei und Siebenbürgens wieder einverleiben. Als Preis dafür ließ er sich auf Hitlers Krieg ein; Ungarn nahm am Überfall auf Jugoslawien und dem Angriff auf die Sowjetunion teil. Der Versuch, sich rechtzeitig aus der Achse zu lösen, scheiterte, und Horthy wurde von den Deutschen 1944 gestürzt; der Krieg wurde von einer Marionettenregierung fortgeführt.

Wie die anderen Staaten Osteuropas geriet auch Ungarn unter die Herrschaft der Sowjets. Die Folgen des stalinistischen Kurses entluden sich im ungarischen Volksaufstand – ein Ereignis, dessen Beginn heute Nationalfeiertag ist, und welches, ähnlich wieder Volksaufstand in der DDR oder der Prager Frühling, auf den Westen Eindruck machte.

Im antikommunistischen Lied „Avanti ragazzi di Buda“ („Vorwärts, ihr jungen Männer von Buda“) aus Italien wurde die Bewunderung für die Ungarn zum Ausdruck gebracht. 1989, in der Wendezeit, waren die Ungarn das erste Land Osteuropas, welches den Eisernen Vorhang öffnete und damit einen entscheiden Anteil am Fall des Sowjetimperiums hatte.

Die Erfahrung mit Fremdherrschaft und Kommunismus macht die Ungarn misstrauisch gegen jegliche Zentralisierungsversuche seitens der EU, der rebellische Charakter liegt ihnen quasi im Blut.

Inwiefern Viktor Orban auf „unserer“ Seite ist? Fraglich, ich denke, in den entscheidenden Fragen wird er schwach sein. Fakt ist jedoch, dass er einen nützlichen Stachel im Fleische der Brüsseler Globalisten darstellt. Doch wie lange und effektiv dieser Widerstand hält – das ist fraglich…

Fridericus Vesargo

Aufgewachsen in der heilen Welt der ostdeutschen Provinz, studiert Vesargo jetzt irgendwas mit Musik in einer der schönsten und kulturträchtigsten Städte des zu Asche verfallenen Reiches. Da er als Bewahrer einer traditionsreichen, aber in der Moderne brotlos gewordenen Kunst am finanziellen Hungertuch nagen muss, sieht er sich gezwungen, jede Woche Texte für die Ausbeuter von der Krautzone zu schreiben. Immerhin bleiben ihm noch die Liebesgrüße linker Mitstudenten erspart…

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