Liberale Demokratie – Das Ende vom Ende der Geschichte

17. Mai 2024
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Von A. M. Berger

Die westlich geprägte liberale Demokratie stelle das Ende, im Sinne eines Zenith, der Geschichte dar, schrieb Fukuyama bekanntlich nach dem Fall des eisernen Vorhangs. Diese Form der gesellschaftspolitische Ordnung sei der höchste Ausdruck menschlicher Zivilisation und politischer Entwicklung. Inzwischen scheint allerdings genau diese Ordnung an der Vorfront des zivilisatorischen Zerfalls zu sein.

Die liberale Demokratie, welche im Ersatz der konventionellen Religion zu einem geradezu religiösem Heiligtum erhoben worden ist, wird im Diskurs gegenüber den unfreien Autokratien bevorzugt, allen voran Russland und China, aber auch erlesene andere Staaten, welche ad hoc zu solchen Autokratien verklärt werden, sobald ein unliebsames Regime die Macht halten sollte. Grundwerte dieser liberalen Demokratie sollen der freie Diskurs, die individuelle Mitbestimmung und die gegenseitige Toleranz sein – was inzwischen fast schon wie eine Verhöhnung klingt, wenn man sich den Zustand dieser liberalen Demokratie aus der Nähe anschaut.

Der Diskurs in den meisten dieser liberalen Demokratien zeigt eine klare Tendenz gegen alles, was ursprünglich als Grundstein der liberalen Demokratie galt – das hindert die „Postdemokratie“ nicht daran sich auf unverschämte Art mit diesen Tugenden zu schmücken. Der freie Diskurs gilt so lange, bis eine Ideologie proklamiert wird, welche der faktischen Macht wahrhaftig unbequem erscheint, und kurzerhand ist das Verlangen, politische Parteien zu ächten oder gar zu verbieten wieder im Mainstream angekommen.

Mitbestimmung ist wohl schön und gut, nicht aber wenn es um angebliche „wissenschaftlich Tatsachen“ wie z.B. der Klimakrise bzw. Klimakatastrophe bzw. Klimaapokalypse geht. Eine solche kritische Situationen steht eindeutig über der Demokratie als Konzept der Mitbestimmung der Bürger. Eine der Klägerinnen, die das fehlende Handeln der Schweiz bezüglich des Klimas vor das Europäische Menschenrechtsgericht brachte, bringt es auf den Punkt:

„Es ist der Konflikt zwischen dieser Idee der Demokratie als nur das, was die Leute wählen, und Demokratie die einige wesentliche universelle Rechte beinhaltet, welche unabhängig dessen gelten, was die Mehrheit entscheidet.“

Der Begriff der Demokratie wird völlig seiner Bedeutung entleert und mit einer gänzlich anderen befüllt. Walter Ulbricht mit seinem berühmten Zitat „Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben“, war dagegen ein Amateur, denn er stimmte immerhin noch der gängig akzeptierten Definition einer Demokratie zu.

So schwer es nämlich ist, den Begriff der Demokratie zu definieren – der kleinste gemeinsame Nenner dürfte die Einsicht sein, dass ein demokratisches System durch den Willen des Volkes legitimiert wird, und das diesem über unterschiedliche Mechanismen auch ein Niveau an Mitbestimmung zugestanden wird. Die Definition dieser Aktivistin negiert diese vollkommen essenziellen Eigenschaft der Demokratie und stellt stattdessen sehr konkrete und willkürliche Werte darüber. Hiermit wird klar die inzwischen gängige Tendenz des Diskurses der liberalen Demokratien markiert.

Indem alles mögliche nun zu diesen „universellen Rechten“ erhoben wird (sei es die Klimapolitik, Gender-Ideologie, Masseneinwanderung, Unterbindung rechter Ideologien, usw.), hat die Demokratie letztlich keine Bedeutung mehr. Das Korsett der zulässigen Ideologien und Ansichten ist dermaßen eng, dass es schlussendlich völlig gleichgültig ist, wer oder was gewählt wird. Die umzusetzende Politik der grossen Themen ist bereits durch diese technokratische Betrachtung im Vorhinein entschieden. Nebst dem pathetischen Schauspiel, alle paar Jahre einen Fetzen Papier in einen verherrlichten Mülleimer zu werfen, unterscheidet sich dieses System nicht mehr merkbar von den bösen Autokratien.

Die Stagnation, welche westliche Staaten erleben, wird nicht mal mehr geleugnet. Es wird nicht einmal so getan, als gäbe es eine optimistische Zukunft zu erwarten. Stattdessen spricht man von Selbsteinschränkung und „de-growth“, weniger Autofahren, weniger Reisen, weniger Fleisch, kleinere Wohnungen, weniger von allem was irgendwie Freude macht, dafür aber mehr Einwanderung, mehr Kriminalität, mehr ineffiziente „erneuerbare“ Energien und mehr Steuern, um all das zu bezahlen.

Allerdings ist dieser Verfall nicht wirklich selbstauferlegt, sondern scheint eher dieser postmodernen Neudefinierung der Demokratie zu folgen. Eine klare Mehrheit meint, dass es zu viel Einwanderung gibt, ebenso war eine Mehrheit gegen den Atomausstieg, und eine grosse Mehrheit der Bevölkerung will weiterhin Fleisch essen, Auto fahren und hin und wieder verreisen. Zumindest erschliesst sich das daraus, dass sie es ja ungeniert tut, sofern sie die Mittel dafür hat. Wahrscheinlich kann man sogar auch davon ausgehen, dass ein Großteil der Bevölkerung die eigene Kultur bewahren (und auch als solche bezeichnen) will und überzeugt ist, dass es nur zwei Geschlechter gibt.

Was also auch immer diese Art von Demokratie sein soll, die hier wirkt, es ist klar, dass sie nicht den mehrheitlichen Willen politisch umsetzt. Das Problem liegt weniger dem alteingesessenen Konzept der Demokratie zu Grunde, sondern dieser postmodernen Pseudodemokratie, welche mit dem, was man früher Demokratie nannte, offenbar kaum noch etwas gemeinsam hat.

Es scheinen gerade die Staaten, die uns immerzu als Autokratien vorgeführt werden, viel mehr nach dem Willen der Bevölkerung zu handeln, als die Demokratien am „Ende der Geschichte“. Viele dieser Autokratien schaffen einen mehr oder weniger wachsenden Wohlstand, verfügen über ein vernünftiges Maß an öffentlicher Sicherheit und versuchen nicht krampfhaft die Kultur und Ethnie ihres eigenen Landes zu bekämpfen.

All das, was uns von Autokratien unterscheidet – der Verzicht auf aggressive Rhetorik, wirtschaftliche Isolation oder das Führen von Kriegen – ist bei näherer Betrachtung Tagesgeschäft unserer Regierungen: Demokratie, die mit Partizipation der Bürger nichts mehr am Hut hat; freie Meinungsäußerung, welche bekanntlich nicht Freiheit von Konsequenzen bedeutet; und eine freie Politik, welche darauf aus ist, Oppositionsparteien zu delegitimieren oder zu verbieten (oder, wie in den USA, den Oppositionsführer hinter Gitter zu bringen).

Das, was das Ende der Geschichte hätte sein sollen, hat sein eigenes Ende erreicht. Es existiert nur noch als Simulation, als leere Hülle von dem, was einstmals vielleicht gar keine so schlechte Idee war. Obgleich das Prinzip, dass „der Zweck eines Systems ist, was es tut“ besagt, dass dieser unvermeidbare Endzustand es nun doch für unbrauchbar erklärt. Ironischerweise ist die Tendenz völlig konvergent in Richtung Autokratie bzw. Technokratie, wenn man über diese Maskerade hinweg schaut. Doch gerade die Maske ist das einzige, was von der liberalen Demokratie bleibt. Sie wird umso vehementer verteidigt werden, um keinesfalls die tatsächlichen Zustände anerkennen zu müssen. Daher auch der alte Sinnspruch: Nichts passiert jemals.

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