Macht Sauerkraut, Leute!

12. November 2024
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„Immer weniger junge Menschen essen Sauerkraut…“ Ich drehe das Radio lauter, um zu prüfen, ob ich das gerade wirklich richtig verstanden habe. Der Reporter spricht weiter und berichtet von einer Straßenumfrage, in der die Befragte angaben, Sauerkraut sei „matschig“ oder gar „eklig“. Zur Einordnung – es lief ein Sender des ÖRR, befragt wurden Berliner. Dass diese Kulturbanausen das Sauerkraut nicht zu schätzen wissen, wundert mich nun weniger. Ich stelle das Radio aus und fahre zurück und mache mich auf den Heimweg. Raus aus der Stadt, zurück in mein Dorf. Dort habe ich nur eines zu erledigen – Sauerkraut machen! Denn anders, als die dem natürlichen Geschmack entfremdete Stadtbevölkerung, kenne ich den Wert eines leckeren, frisch zubereiteten Krauts.

Die Sauerkraut-Herstellung hat bei uns eine lange Tradition. Einmal jährlich wird sich getroffen, mitten im Walde auf einem alten Hof, um dann ab dem frühen Nachmittag bis spät in die Nacht Krautköpfe zu reiben, einzustampfen und den ein oder anderen Schnaps zu trinken. Jeder der Anwesenden hat Folgendes im Schlepptau: Weißkrautköpfe (mindestens 20 Kilo), Gewürze, Wannen zum Rühren, Tonkrüge mitsamt Steinen und einen Holzstampfer.

Dann geht es auch schon los: Die Köpfe werden von den äußeren Blättern befreit, der Strunk wird herausgeschnitten und die halbierten Krautköpfe landen in der Wanne. Danach wird alles gewogen, um die genaue Menge an Salz zu bestimmen, die später hinzugegeben werden muss. Es folgt einer der Hauptarbeitsschritte: das Reiben. Man kann das alles per Hand reiben, das geht aber auf Dauer und bei mehr als zwei Kilo ganz schön in die Arme und macht einen nicht froh. Daher wird beim Sauerkrautfest immer eine größere Standreibe verwendet. Einer kurbelt und der Andere schiebt die Krautkopfhälften gegen die Schneide. Das geschnittene Kraut fällt in die Mengenwanne.

Im Nebenraum brutzeln derweil selbstgemachte Kartoffelpuffer in Leinöl auf dem Herd. Dazu wird Apfelmus, sowie Butter und Zucker gereicht. Wahrlich ein Gedicht.

Nachdem ich mich mit vier, fünf Kartoffelpuffern gestärkt habe, geht es wieder zurück zum geraspelten Kraut. Dieses wird nun mit Salz, Piment, Lorbeerblätter, Kümmel und Senfkörner gewürzt. Nach Belieben können auch fein geraspelte Möhren hinzugegeben und das ein oder andere Gewürz (außer Salz) weggelassen werden.

Nun heißt es Ärmel hochkrempeln, Hände waschen und alles in der Wanne gut miteinander vermengen. Ist dies erledigt, folgt ein weiterer bedeutender Schritt, wenn nicht sogar der Wichtigste. Man nimmt sich einen Tonkrug, stellt diesen auf einen gepolsterten Untergrund, greift sich aus der Wanne etwas Kraut. Dieses fügt man in den Krug und stampft es behutsam, aber dennoch mit Kraft. Dieser Vorgang dauert so lange, bis jedes rohe Stückchen angedrückt wurde. Das wiederholt man bei jeder Schicht Sauerkraut, die man neu hinzufügt. Wichtig dabei ist, dass das Kraut gut verdichtet wird und der ausdringende Saft im Tonkrug aufsteigt. Es ist von Vorteil, wenn man zwischendurch das Kraut immer wieder mit der Faust fest in den Krug drückt.

Sind alle Krüge gefüllt, wird der Überlaufrand gereinigt, Beschwerungssteine werden auf die oberste Krautschicht gelegt, der Deckel wird aufgesetzt und Wasser wird in den Rand eingefüllt. Dies verhindert das Eindringen der Luft von außen nach innen, ermöglicht aber das Entweichen der Luft aus dem Krug – zu hören als leises blupp. Dieses Geräusch tritt meist nach ein paar Stunden bis Tagen auf und ist ein Zeichen dafür, dass die Fermentation, besser gesagt die Milchsäuregärung, begonnen hat. Die Tonkrüge müssen anfangs an einem wärmeren Ort, etwa in der Küche, gelagert werden. Später werden sie in den kühlen Keller getragen. Wichtig ist es darauf zu achten, dass das Wasser im Überlaufrand stets frisch ist, sprich regelmäßig gewechselt wird. Die Sauerkraut -Entnahme aus dem Topf am besten mit großem Holzbesteck durchführen und niemals direkt hineingreifen, da dies zum Umschlagen des Krauts führt.

Aber bis dahin müssen wir uns noch gedulden. Ein erfolgreicher Tag neigt sich dem Ende entgegen. Sauerkraut machen kann in meinen Augen jeder, wenn er es nur will. Lasst Euch das von der KRAUTZONE gesagt sein: Vergesst diverse Superfoods aus aller Welt und besinnt euch wieder auf unsere einheimischen Köstlichkeiten!

Und hier nun das beste Rezept für DEN Sauerkrautsalat schlechthin. Stifte raus und mitgeschrieben:

Man nehme frisches, rohes Sauerkraut, einen knackigen Apfel, eine feine Porreestange, eine Möhre, Salz, Pfeffer und Leinöl.

Die Möhre wird geraspelt, der Apfel in kleine Stücke und der Porree in Ringe geschnitten. Diese Zutaten werden unter das Sauerkraut gehoben, im Verhältnis von 2:1. Abschließend Salz, Pfeffer und einen ordentlichen Schluck Leinöl hinzugeben und alles miteinander vermischen. Fertig.

Fantastisch schmeckt Sauerkraut auch gekocht zu Grützwurst und Kartoffeln. Ganz egal, wie Ihr euer Kraut esst, die Hauptsache ist, dass ihr es esst.

Guten Appetit!

Klara Fall

Irgendwo im ostdeutschen Hinterland versucht sie zwischen Waldspaziergängen und Mopedschrauberei, den Sinn des Lebens zu finden. Wenn das mal nicht ganz glückt, wird der Kummer in Bier ertränkt und rumphilosophiert, während im Hintergrund die besten Hits der 80er laufen. Natürlich immer mit dem Ziel vor Augen am nächsten Katersonntag einen neuen Artikel zu schreiben.

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  1. Auf Arte lief neulich ein toller Film rund ums Fermetieren (ausnahmsweise mal was echt Gutes im ÖRR) und eine Solawi: „Zu Tisch – Mittelfranken, Deutschland“.
    https: //www. arte. tv/de/videos/109007-014-A/zu-tisch/
    (Habe mal Leerzeichen in den Link gesetzt, falls Algo oder so)
    Ist total spannend, was man noch Allwa fermentieren kann und wie.

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