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„Meine Nacktbilder im Profil“ – Was Lustboomer über unsere Parteiendemokratie verraten

28. März 2024

Auf Twitter machen derzeit vermehrt Bot-Accounts die Runde, die unter alle möglichen Tweets „Meine Nacktbilder im Profil“ oder Abwandlungen davon schreiben, etwa „Fotos in Bio“ oder, für unsere angloamerikanischen Freunde, „MY CRAZY TITS IN BIO. LOOK NOW!“, oftmals begleitet von einer Palette romantischer Emojis. Geht ein Tweet reichweitenmäßig steil, tun das auch die Nacktbilder-Offerten darunter, mein bisheriger Rekord ist sieben. Vielleicht würde sich das als eine neue Erfolgsmetrik auf Social Blade anbieten, Likes, Retweets und Hurenbot-Kommentare.

Klickt man auf diese Profile, wird man jedoch bitter enttäuscht: Um sich Zugang zu besagten Aktfotografien zu verschaffen, ist es nötig, auf einen etwas dubios wirkenden Link zu klicken, den eine „Molly“ etwa mit den Worten „Ich habe gehört, hier gibt es einige Deutsche die auf nackte Haut stehen?“ anpreist.

https://twitter.com/breasivswimaj/status/1770491639703691567

Tiefer wollte ich in die Materie aus Gründen des Selbstschutzes nicht eindringen, es drängt sich zumindest mir als argwöhnischem Zeitgenossen der Verdacht auf, dass „Mollys“ Kontaktaufnahme überhaupt kein ehrliches Interesse an mir als Person zugrunde liegt.

Ob der humoristischen Qualität der Stumpfheit dieser Abzockversuche hat sich auf Rechtstwitter in den letzten Tagen ein daran angelehntes Meme breitgemacht. Kurz gesagt postet man einfach, wie hier etwa der Parodie-Account von Annalena Baerbock mit knapp 80.000 Followern, …

… selbst den Standardtext „Meine Nacktbilder im Profil“, oder man lehnt Tweets, bei deren Inhalt sich das anbietet, an die neue Grußformel an.

https://twitter.com/shlomo96/status/1772719627224658073

Gott verhüte, dass X sich in allzu plumper Manier gegen die Botwelle wehrt und einfach alle sperrt, die diese Standardphrase gepostet haben – es würde Rechtstwitter schlimmer dezimieren als der ausgeklügeltste Algorithmus, der eigens zu diesem Zweck geschaffen wurde. Eine Gefahr, die vielleicht sogar nicht nur als Scherz existiert: Die Bot-Accounts liken sich nämlich auch gegenseitig hoch, ein Genuss, in den man ebenfalls kommt, wenn man dem „Im Profil“-Posting frönt. Auch scheint man die Profile damit schwarmähnlich in seinen Umkreis zu ziehen, so dass es vorkommen kann, dass zufällige Bemerkungen Dritter in einer Diskussion, die man auf Twitter führt, auf einmal mit Herzchen von ihnen überschwemmt werden.

https://twitter.com/shlomo96/status/1772726522748555443

Es ist fast etwas gruselig.

Allein die inflationäre Flutung Twitters mit diesen Bots legt jedoch nahe, dass nicht alle das Ganze als lustiges Randphänomen bekichern, sondern dass es arme Seelen gibt, die der Masche tatsächlich auf den Leim gehen, auf die Phishing-Links klicken oder gar im Glauben, man kommuniziere mit einer echten, verfügbaren Frau, aus freien Stücken sensible Informationen von sich preisgeben. Schon vor der aktuellen, besonders witzlosen Welle dieser auf eine Phrase reduzierten Bots war zu beobachten, wie weniger Internet-erfahrene ältere Nutzer aus der sogenannten „Klarnamen-Bubble“ auf offensichtliche Fake-Profile mit eigenen Flirtversuchen reagieren. Eine „Ang3lsForev3r“, die sich häufiger mit sexuellen Fantasien Lustboomer-Kommentare farmt, kriegt darunter von Mittfünfzigern mit Klarnamen und etwas unbeholfen wirkenden Selfies als Profilbild Kommentare wie „Wurde dich knallhart von hinten aufn fruehstuckstisch mitn gesicht in die butter oder Wurst nehmen auf dass derr frass auf dein korper schmiert“.

https://twitter.com/SusanneFlyHigh/status/1759528108753862985

Eine Grundhaltung, die der Nutzer des Öfteren zum Ausdruck bringt; einem weiteren Fake-Profil schrieb er vor wenigen Tagen: „Wurd dich gern wenn du dich auf ein buffet rakeln wurdest“. In anderen Posts bringt er seine altersbedingte Unkenntnis des Begriffs „Choker“ für das Halsbändchen eines weiteren Hurenbot-Accounts zum Ausdruck oder bekundet Liebe zu seinem Heimatort.

Ein weiterer Klarnamen-Account postet unter eine geschmackvolle Softcore-Aktfotografie einer „Anke Fischer“, die mit dem Text „plz retweet + like dann zeige mehr Nacktfoto ok“ versehen ist: Ich wäre jetzt gerne bei dir. Das kannst du mir glauben, begleitet von seiner Postleitzahl. Einem weiteren Hurenbot, der sich erkundigt, welche Musik laufen solle, während man ihn ficke, schreibt er schlicht: Schönes Wochenende wünsche ich dir.

Man kann ja auch nicht immer gleich mit der Tür ins Haus fallen. Eine ähnliche Strategie verfolgt ein Herr mit grauem Schnäuzer und natürlich ebenfalls Klarnamen im Profil, der auf die Frage eines Hurenbots, ob man dessen Muschi schmecken wolle, klarstellt, dass er bereits eine große Portion Gulasch und einen Joghurt gegessen habe.

Man will bei solchen Accounts immer am liebsten von einem Satireprojekt oder einem die Sexbots ergänzenden Fake-Profil ausgehen, das dazu dient, diese weiter zu pushen, aber irgendwelche echten, menschlichen Opfer müssen diese Bots ja tatsächlich finden, ansonsten gäbe es sie ja gar nicht. Das Beuteschema scheint im stereotypischsten aller Boomer zu bestehen, der sein Lebtag mit dem stetigen Lechzen nach dem nächsten hedonistischen Leckerli verbringt und zeitgleich derart blauäugig durch die Welt geht, dass Roboter, die nur eine einzige Phrase von sich geben können, ihn zum Rausrücken seiner Kreditkarteninformationen verleiten können.

Wer sich darüber wundert, wie das Wahlvolk jemals in so offensichtlicher Weise dazu verleitet werden konnte, in seinen eigenen Untergang zu steuern, der vergegenwärtige sich die Existenz dieser Personengruppe und noch weit größerer Zahlen in weniger krasser Ausprägung ähnlich verdrahteter Individuen.

Shlomo Finkelstein

Shlomo Finkelstein wollte immer schon irgendwas mit Hass machen. Seit 2015 erstellt er als "Die vulgäre Analyse" Videos, und seit 2019 zusammen mit Idiotenwatch den Podcast "Honigwabe".

Belltower News schreibt über ihn: "Da er vorgibt, sein Hass sei rational begründet, sind besonders junge Menschen der Gefahr ausgesetzt, die Thesen für bare Münze zu nehmen und sich so zu radikalisieren."


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