Die Sonne scheint wieder, dafür ist es noch bitterkalt. Aber egal! Muss man sich nur dicker anziehen, denn es ist wieder so weit. Am 1.3. startete die neue Moped-Saison. Die Hardcore-Idioten, mich eingeschlossen, düsten selbstverständlich schon vor dem Stichtag übers Acker. Im Hintergrund geht die Sonne auf oder schon wieder unter. Der Wind weht durch die Haare, man fühlt sich frei und eins mit der Welt. So habe ich mir das vorgestellt.
Doch auch dieses Jahr bedarf es eines neuen Versicherungskennzeichens. Dies ist kein richtiges Kennzeichen, aber zumindest ein Schild, dass im Fall der Fälle bezeugt, dass ich eine Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung habe. Neumodisch, wie ich der Tage unterwegs bin, bestelle ich bei meinem Versicherungs-Typ über die hippe App ein neues Kennzeichen, bezahle und warte freudig, bis es endlich ankommt.
Kurz nach der Bestellung trudelte eine E-Mail ein. Erst dachte ich, es sei ein Witz, als ich die Überschrift „So bringen Sie Ihr Kennzeichen richtig an“ las. Na sag mal, geht’s denen noch gut? Ich mach den Spaß doch nicht zum ersten Mal in meinem Leben und das Anschrauben schafft ja wohl wirklich jeder mit links und 40 Fieber. Allerdings ging ich kleines Dummchen davon aus, dass es das gleiche Schild sei, wie all die Jahre zuvor. Drei Buchstaben und drei Zahlen, gestanzt in ein Blechschild. Aber weit gefehlt! Die neuen „Schilder“, welche der Bezeichnung eigentlich gar nicht mehr würdig sind, sind jetzt zum AUFKLEBEN! Eine glitzernde Klebefolie ersetzt nun mein heißgeliebtes Blechschild. Ich bin nicht nur traurig, sondern auch enttäuscht. Aufgebracht werden soll die Folie auf eine mitgelieferte Plastik-Trägerplatte.
Der Irrsinn hat also seinen Höhepunkt erreicht. Ausgedacht hat sich diese Sinnlosigkeit natürlich das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMVI). Das „Projekt Klebefolie“, wie ich es ab sofort nenne, läuft vorerst in einer dreijährigen Testphase. Danach soll entschieden werden, ob man doch wieder zu den bösen Blechschildern zurückkehrt, oder bei der neuen Alternative bleibt.
Begründet wird die Verwendung einer Folie übrigens so: „Durch die Produktion einer Kennzeichenfolie entstehen weniger Treibhausgasemissionen als bei der Produktion eines herkömmlichen Versicherungskennzeichens aus Blech.“
Selbst, wenn man annimmt, dass diese Aussage der Wahrheit entspricht, ist der innere Schmerz, den ich davontrage, kaum zu verkraften. Ich habe am Ende einer Saison rein GAR NICHTS davon, wenn ich die bekloppte Klebefolie einfach mit einer neuen überklebe (was übrigens das vorgeschriebene Verfahren ist). Denn normalerweise wird das Schild neben all seinen Vorgängern an der Wand platziert. Stolz blickt man dann darauf zurück und sieht, ab wann man aufgehört hat, illegal mit dem Moped herum zu düsen und angefangen hat, legal am Straßenverkehr teilzunehmen.
Jedes Mal freu ich mich darüber. Und diese Freude wird mir jetzt genommen, dank der bahnbrechenden Erfindung der Klebefolie. Der ganze Spaß gilt, nach ausführlicher Recherche, schon seit 2021. Es sei mir verziehen, dass ich diese unnütze Information erst gar nicht aufgenommen habe. Doch ich bin nicht die Einzige, die sich über den neuen Klebespaß aufregt. Auf sämtlichen Seiten häufen sich die Kommentare der empörten Mopedfahrer:
„Die haben doch alle ne Macke… vor allem der Scheuer“
Und auch, als in unserer Mopedgruppe die Jungs fragte, ob sie schon ihr neues Schild hätten und ihnen im gleichen Zug von Projekt Klebefolie erzählte, erntete ich nur Empörung und Gelächter. Einige von ihnen bekamen übrigens weiterhin ihr Blechschild. Wieso ich nicht?!
Wieso wird zunehmend alles, was in irgendeiner Form Beständigkeit aufweist, nach und nach durch wertlosen Schrott ersetzt…
Worauf ich hinaus will, ist Folgendes: Das Blechschild war und ist in seiner Form beständig. Erst am Moped, dann später im Schuppen oder in der Scheune. Egal wie viele Jahrzehnte es irgendwo rumliegt, man erkennt, dass es ein Schild ist. Am Rand ist die Jahreszahl noch ersichtlich. Man hat etwas Bleibendes in der Hand und damit auch die Erinnerungen an die Zeit, in der man unbeschwert durch die Walachei gegurkt ist, nur um in irgendeiner verlassenen Kiesgrube nackig baden zu gehen. Man weiß genau, wann und wo wieder der Sprit alle war und man dann schieben durfte, weil man dachte, wenn man auf Reserve umstellt, würde man noch locker 50 Kilometer weit kommen.
Genau wie die Touren, die bei strahlendem Sonnenschein starteten und wider Erwarten im strömenden Regen endeten. Das Wasser stand einem in den Schuhen, aber das war nebensächlich. Ganz gleich, wie anstrengend dieses oder jenes Erlebnis auch war, ich werde sie vermutlich auf ewig romantisieren. Die Zukunft sehe ich im Gegenteil dazu allerdings nicht mehr so rosig. Jedenfalls nicht, wenn Projekt Klebefolie sich bewährt und ich nichts mehr an die Wand hängen kann, um zu beweisen, dass ich ANNO XX wirklich mit dem Moped unterwegs war.
Wie dem auch sei, ich werde wohl einige Zeit mit dem Folienmüll leben müssen, auch wenn es mir nicht gefällt. Bis dahin suche ich mir noch jemanden, der mir die Buchstaben-Zahlen-Kombination in Blech stanzt, damit sich in ein paar Monaten ein neues Schild neben meine bisherigen gesellt. Ich wäre sogar bereit, eine Boomer-mäßige Petition zu starten à la „Das Blechschild bleibt!“. Jedenfalls habe ich nicht vor, den Quatsch lange mitzumachen. Und sollten sie mir mein heißgeliebtes Blechschild doch auf ewig verwehren, bleiben zumindest die Erinnerungen an unzähligen Moped-Ausflüge.