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Remigration – Nicht nur das Wort des Jahres 2023

17. Januar 2024
in 2 min lesen

Seit letztem Sonntag haben wir endlich das Unwort des Jahres 2023: „Remigration“. Absolut berechtigt, nachdem das Wort in weiten Teilen der Gesellschaft letzte Woche (das zählt ja quasi noch zu letztem Jahr) bekannt wurde. „Unabhängige Faktenchecker“ konnten nämlich letzte Woche mit geheimdienstlichen Methoden ein privates Treffen deutscher Patrioten unterwandern und meinen dort irgendwas von Abschiebungen deutscher Staatsbürger vernommen zu haben. Nun gut, weder die Beteiligten noch der Beschuldigte stimmen mit dem Bericht überein, aber die „Tagesschau“ sprang auf den Anti-Abschiebezug auf und sammelte fleißig Gründe, eine gewisse pro-deutsche Partei verbieten zu können.

Apropos „Lügenpresse“: Schon sind wir wieder beim Unwort des Jahres, konnte der Begriff doch 2014 vor allen anderen diesen Titel ergattern. 2014… ein schönes Jahr: Es wurden die heißesten Temperaturen seit Wetteraufzeichnung gemessen, der pädophile Sebastian Edathy wurde seiner schändlichen Taten bezichtigt (im Gegensatz zu Sarrazin aber nicht aus der SPD geworfen), und der Lügenbaron Claas Relotius wurde von CNN als „Journalist of the year“ ausgezeichnet. Aber deshalb „Lügenpresse“ zu rufen, ist eben unsachlich. Ein jeder dürfte sich noch an die Bilder der Wutbürger (Wort des Jahres 2010!) erinnern, die diese menschenverachtende Parole riefen. Jener zum Beispiel bei PEGIDA, der von „Panorama“ interviewt wurde, lautstark über Ausländer herzog und sich später als ein Mitarbeiter von RTL herausstellte. Nun ja, vielleicht auch ein schlechtes Beispiel. Wer checkt in diesem Land eigentlich die Fakten der Faktenchecker?

Wie dem auch sei. Das „Unwort des Jahres“ reiht sich in eine lange, linksmotivierte Tradition ein. So gewann 2022 „Klimaterroristen“, 2021 „Pushback“, 2020 „Rückführungspatenschaften“, 2019 „Klimahysterie“, 2018 „Anti-Abschiebe-Industrie“, und so weiter und so fort. 1991 wurde das „Unwort des Jahres“ erstmals gewählt, in den ersten drei Jahren gelang es übrigens den Worten „ausländer­frei“, „ethnische Säuberung“ und „Über­fremdung“, sich vor allen anderen Begriffen durchzusetzen. Applaus, Applaus!

Dieses Jahr verkündete Gastjuror Ruprecht Polenz (CDU) stolz:

„Der harmlos daherkommende Begriff Remigration wird von den völkischen Nationalisten der AfD und der Identitären Bewegung benutzt, um ihre wahren Absichten zu verschleiern: die Deportation aller Menschen mit vermeintlich falscher Hautfarbe oder Herkunft, selbst dann, wenn sie deutsche Staatsbürger sind. Nach der Wahl zum ‚Unwort des Jahres‘ sollte diese Täuschung mit Remigration nicht mehr so leicht gelingen.“

Was Herr Polenz natürlich unausgesprochen ließ, ist, dass die CDU, ähnlich wie FDP, Linke und Grüne, noch vor ein paar Monaten deutschen Bürgern die Staatsbürgerschaft entziehen und sie dadurch abschiebefähig machen wollte, insofern diese sich antisemitisch äußern. Aber diese Aussage erzeugt nun mal nicht das Bild einer AfD, die in SA-Manier die Tür eines assimilierten christlichen Japaners der dritten Generation eintritt, um ihn in einen Güterzug zu verfrachten.

Und bevor jetzt wieder irgendein Hetzer auf die Idee kommen könnte, dass die ganzen Unworte überhaupt nichts mit Sprache, sondern nur mit Politik zu tun hätten: Auf ihrer Website weisen die Verantwortlichen explizit darauf hin, dass sie keine Sprachschützer sind.

„Die Jurymitglieder beteiligen sich ehrenamtlich und aus Interesse und verstehen sich als Vermittler:innen öffentlichen Unbehagens an bestimmten Sprachgebrauchsweisen, nicht aber – ein häufiges Missverstehen – als ‚Sprachschützer:innen‘.“

„Sprachschützer:innen“, was für ein Wort – definitiv jetzt schon mein Favorit für das Unwort des Jahres 2024, löst es in mir doch – wie in einem Großteil der deutschen Bevölkerung – reichlich Unbehagen aus. Aber Sprache zu schützen ist nun mal rechts und Gendern links. Der Begriff erfüllt damit nur 50 Prozent der Kriterien eines „Unworts des Jahres“. Stattdessen tippe ich auf etwas Anrüchiges wie „Bauernproteste“ oder „Zigeunerschnitzel“, lösen diese Worte bei der entsprechenden Zielgruppe doch ein ungeheuerliches Unbehagen aus.

Bitte verurteilen Sie mich nicht. Gleich an dieser Stelle möchte ich zurückrudern und mich von diesem Begriff distanzieren: Ist mir doch klar, dass das Unbehagen bei einem solchen Wort so groß ist, dass es in eine neue Liste aufgenommen werden sollte. Mein Vorschlag: das „Böse-Nazis-Umerziehungswort des Jahres“. Allein wer solch ein Wort nur denkt, soll die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen bekommen. Ob diese Liste ehrlicher wäre als die der Unwort-Juroren?

Ohne Faktenchecker, die das für mich einordnen, ist das leider sehr schwer festzustellen…

PhrasenDrescher

Der Phrasendrescher - wie könnte es anders sein - promoviert derzeit interdisziplinär in der Philosophie und der Politikwissenschaft. Als glühender Verehrer von Friedrich Nietzsche weiß er, dass man auch Untergänge akzeptieren muss und arbeitet bereits an der Heraufkunft neuer, stärkerer Werte.

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