Es war alles andere als ein guter Tag für Wolodymyr Selenskyj. Dass die neue US-Administration kein Interesse mehr daran hat, war klar, bevor sie überhaupt ins Amt gewählt wurde; Trump wurde nicht zuletzt auch deswegen ins Amt gewählt. Seit seiner Amtseinführung fährt er einen russlandfreundlichen Kurs, bemüht sich, den Krieg schnellstmöglich zu beenden – was zu Gebietsverlusten im Osten führen und der Westbindung der Ukraine ein Ende bereiten würde –, und möchte gleichzeitig ein Rohstoffabkommen mit der Ukraine vereinbaren.
Als Selenskyj am 28. Februar Washington besuchte, sollten genau diese Dinge besprochen werden, doch es kam während der Pressekonferenz zum Eklat: Die beiden Staatsoberhäupter gerieten aneinander; der US-Präsident sprach davon, dass sein ukrainischer Gegenpart mit dem Ausbruch eines Dritten Weltkrieges spiele, JD Vance brachte die Undankbarkeit der Ukrainer ins Spiel. Dass Selenskyj nicht seinen Willen bekommen würde, wie es noch unter Joe Biden der Fall war, war abzusehen, doch diese Stufe der Eskalation haben wohl nur wenige kommen sehen.
Nun, man muss eines festhalten: Die Ukrainer sind wirklich alles andere als gute Diplomaten. Ich erinnere da nur allzu gern an Andrij Melnyk, den ukrainischen Botschafter in Berlin. Was für ein ungesitteter Pöbler dieser Mann doch war! Wäre unsere Regierung eine ernst zu nehmende Regierung, so hätte Melnyk schon nach der ersten Aktion nach Kiew zurückfliegen müssen. Seine ständigen Rückgriffe auf die NS-Zeit, um die deutsche Regierung moralisch zu erpressen, seine verbalen Ausfälle gegenüber deutschen Politikern machten ein Leben mit ihm alles andere als einfach.
Selenskyj ist zwar weniger melodramatisch und frech, aber es muss schon was bedeuten, dass er Melnyk nach dessen Abberufung aus Deutschland im Herbst 2022 für kurze Zeit zum Außenminister machte – was schon mal darauf hinweist, dass die ukrainischen Politiker wirklich kein Feingefühl besitzen. Bei Trump hatte Selenskyj jedenfalls einen ähnlich fordernden Tonfall wie schon bei Biden und seinen europäischen Verbündeten – ohne zu merken, dass Trump ein anderes Kaliber ist.
Dazu kommt sein optisches Auftreten: typisch die schlichte, schwarze Hose und sein dunkler Pulli mit dem Ukrainewappen. Man könnte meinen, bei einem so ernsten Thema, bei dem so viele Menschenleben auf dem Spiel stehen, da darf so etwas nicht entscheidend sein? Vielleicht, die Amerikaner scheint das aber nicht zu interessieren. Ein Journalist fragte Selenskyj tatsächlich, warum er nicht im Anzug gekommen sei – woraufhin dieser nur mit irritiertem Blick eine stammelnde Antwort gab.
Aber die Frage ist schon irgendwo berechtigt: Der Kleidungsstil (inklusive des Dreitagebartes) soll natürlich Volks- und vor allem Frontnähe suggerieren, aber jeder weiß, dass Selenskyj nicht kämpft. Wenn er schon nicht gepflegt zivil auftritt, warum nicht eine richtige (Parade‑) Uniform? Das hätte Ausstrahlungskraft, auch bei Trump. Die Inszenierung als Oberbefehlshaber eines stolzen Volkes, das ums Überleben kämpft, wäre auf jeden Fall ein besserer Eindruck als die eines Bettlers, der einen übers Mitleid moralisch einzunehmen versucht.
Apropos Mitleid: Der nächste Punkt, mit dem sich Selenskyj keine Freunde machte, war das Zeigen von Fotos, die die Brutalität der Russen darstellen sollten. Er zeigte sie Trump vor laufender Kamera, und dieser reagierte… eher genervt. Es war ein verzweifelter Versuch, jemanden umzustimmen, dessen Entscheidung schon längst gefallen war.
Fünf Tage später musste er es einsehen: Auf Twitter verkündete er die Bereitschaft der Ukraine zum Frieden und zum Waffenstillstand – unter „Trumps starker Führung“.
Damit scheint es vorbei zu sein mit jeglichen Kriegsbemühungen und Rachefantasien, die er in Washington noch auszuleben gedachte. Game over. Dem Waffenstillstand steht nun vermutlich kaum noch etwas im Wege. Selenskyj, der die Gunst Trumps schon vor dem Vorfall vom 28. Februar verloren hatte (Trump bezeichnete ihn schon als „Diktator“), wird sich kaum in Kiew halten können. Der frühere Komiker wird wohl als tragische Figur in die Geschichte eingehen: Sein Niedergang war von Anfang an beschlossene Sache, hätte ein vollständiger Sieg über die Russen doch nur mit einer tatsächlichen Eskalation – also dem offenen Krieg der NATO mit Russland – erreicht werden können. Die ureigensten Eigenschaften seiner Kamarilla und auch seiner selbst – die fordernde Haltung, die Mitleidstour und nicht zuletzt die Korruption in seinem Land – haben den Kampf alles andere als erleichtert.
Und was kommt nach Selenskyj? Ein Bürgerkrieg, ein prorussisches oder ein neutrales Regime? Putin jedenfalls hat seinen Sieg teuer erkauft: Er hat nicht die ganze Ukraine gewonnen, sein Militär hat alles andere als geglänzt, und zwei bisher neutrale Staaten traten der NATO bei. Das Einzige, das Putin – neben einer kampferfahrenen Armee – zugutekommen dürfte, ist die Verlegung des amerikanischen Augenmerks nach Asien. Auch das dürfte bei Trumps Außenpolitik eine Rolle spielen: das Verhindern eines möglichen russisch-chinesischen Bündnisses. Wenn das heißt, einen Teil der Ukraine zu opfern: So sei es. Und wir in Europa? Ein europäischer Machtblock (unter deutscher Führung natürlich) wäre etwas Feines, jetzt, da die Amerikaner weniger Interesse an uns haben, die Russen aber dafür umso mehr; mit unseren Eliten ist das aber kaum zu unserem Wohlgefallen vorstellbar. Ach, hätten wir doch nur die Zügel in der Hand…