Sellner in Berlin

10. März 2025
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Ich bin ein bisschen naiv. Ich komme aus einem Bundesland, in dem die Welt tolerant ist. Tolerant gegenüber denjenigen, die im Rest von Deutschland als böse gelten. Dort braucht man kaum Angst zu haben, wenn man zu Veranstaltungen geht, die keinen Gefallen bei Linken finden. Ich würde sogar so weit gehen, mich manchmal als gratismutig zu bezeichnen, weil ich wegen meiner politischen Einstellung wenig Repressionen erlebe. Ein paar Leute mögen mich vielleicht nicht, aber damit kann ich eigentlich ganz gut leben. Dementsprechend naiv meldete ich mich bei einer Sellner-Lesung in Berlin als Teilnehmerin an.

Martin Sellner gilt bekanntermaßen im linken Mainstream als der Antichrist persönlich. Mit Demos „Gegen Rechts“ und Einreiseverbot dürfte er sich bestens auskennen. Trotz bekannter Schwierigkeiten finden mancherorts trotzdem Lesungen statt – in diesem Fall auch hier, in Berlin. Beinahe wäre sie abgesagt worden, aber in den letzten Stunden vor Beginn fand sich noch eine geeignete Location. Relativ spontan fahre ich mit der Bahn zum Treffpunkt. Weil ich doch ein bisschen aufgeregt bin, spreche ich mich mit einer Freundin ab, damit wir zusammen am Veranstaltungsort ankommen. Allein würde ich mich dann doch etwas unwohl fühlen.

Meine Aufregung gilt in erster Linie Sellner und in zweiter Linie den Antifa-Fotografen. Sie sind dafür bekannt, Teilnehmer solcher Veranstaltungen ohne ihre Erlaubnis abzulichten. Wir wollen nicht fotografiert werden – und falls doch, bitte wenigstens gut aussehen. So weit, so naiv. Ich erwarte zwei bis drei Fotografen, die auf der anderen Straßenseite lauern, um unsere Gesichter für die Nachwelt festzuhalten. Als wir ankommen, ist nichts los. Die Helfer sind noch dabei, die Fenster abzukleben, damit wir während des Vortrags nicht auf dem Präsentierteller sitzen. Die Straßen liegen friedlich da – wie es eben in Berlin möglich ist. Ich denke mir: Wenn die Location so spontan gefunden war, was sollte sich denn eine linke Bedrohung so schnell organisieren? Vielleicht würden sie es ja gar nicht mitbekommen.

Wir betreten den Veranstaltungsraum und werden von Martin Sellner mit einem freundlichen Händeschütteln begrüßt. Sellner verhält sich nicht wie der gefürchtete Neonazi, sondern eher wie ein netter Typ von nebenan. Er ist wohl etwas überrascht, dass auch junge Frauen anwesend sind, und sagt uns, dass es mutig von uns sei, dass wir hergekommen sind. Ich lache und winke ab. Ich habe tatsächlich gedacht, er wollte uns nur ein nettes Kompliment machen.

Der Moment der Vorfreude dauert nicht lang an. Inzwischen sind noch einige andere eingetroffen, als plötzlich Tumult an der Tür losbricht. Ich fahre mit dem Kopf zur Seite und sehe, dass ein oder zwei Personen versuchen, sich Zugang zu verschaffen. Irgendetwas wird gerufen, was ich nicht verstehe. Zum Glück blockieren einige mutige Männer die Tür. Doch bevor sie zufällt, sprüht jemand eine große Ladung Pfefferspray in den Raum.

Es fühlte sich an, als hätte ab jetzt eine Simulation begonnen. Martin Sellner fordert uns auf, dass irgendjemand die Polizei alarmiert, damit sie uns vor den Linksextremen schützt. Die Fenster der Toiletten auf der hinteren Seite des Gebäudes werden aufgerissen, damit wir wieder atmen können, und die verschiedenen Eingänge werden gesichert, bis die 23. Hundertschaft der Berliner Polizei eintrifft, die beim Anblick Sellners ein wenig verwundert aussieht.

Auch wenn wir durch die abgeklebten Fenster nicht sehen können, was draußen tatsächlich vor sich geht, so können wir die Antifa inklusive der Omas gegen Rechts sehr gut hören. Aufgrund der Tatsache, dass die lauten Rufe, Ansagen und die Musik während Sellners Vortrag irgendwann zu einem störenden Hintergrundgeräusch werden, kann ich sie nicht deutlich verstehen.

Obwohl die Situation schon recht beängstigend ist, die Veranstaltung zweimal von der Polizei unterbrochen wird und der Wirt zur Eile mahnt, ist die Stimmung gar nicht so schlecht. So ein Schockmoment scheint zusammenzuschweißen und uns zu einer unfreiwilligen Schicksalsgemeinschaft zu machen. Ich habe zwar ein unschönes Bauchgefühl, als ich an den Rückweg denke, aber ich versuche mich zu beruhigen. Es wird schon alles gut gehen. Immer wieder dringt Blitzlicht durch die oberen Fenster, wenn von draußen versucht wird, hereinzufotografieren. Sellner warnt uns, nicht zu Fuß zu laufen oder öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Die Antifa könnte uns auflauern.

Nach der Veranstaltung ist zum Glück noch genug Zeit, mit Sellner Fotos zu machen und von ihm Bücher signieren zu lassen. Wir verlassen das Gebäude vorsichtshalber über den Hinterausgang.

Ich bin froh, als unser Taxifahrer in den Hof fährt, um uns abzuholen. Als wir an den Antifa-Anhängern vorbeifahren, versuchen sie, durch die Scheiben zu fotografieren, wir drehen uns weg. Ich fühle mich wie ein unbeliebter Promi, der gerade einen Skandal ausgelöst hat. Der Großteil der Antifa ist vermummt und blickt uns aus bösen und kalten Augen an. Ich habe noch nie so viel Hass gesehen.

Als der Taxifahrer mich absetzt, bedanke ich mich noch einmal überschwänglich bei ihm, dass er sich den Stress angetan hat. Er lacht: „Ich habe euch gerettet!“ Ja, das hat er wirklich.

Marikka Wiemann

Marikka Wiemann ist eigentlich ein richtiges Landei. Trotzdem zieht es sie regelmäßig in die Großstadt, die auf sie einen unerklärlichen Reiz ausübt. Mit Feminismus und anderem Gedöns kann sie nichts anfangen, die Möchtegern-Tradwife träumt lieber von eigenen Kindern, Blümchenkleidern und einem Leben am Herd. Bis dahin vertreibt sie sich ihre Zeit in hübschen Cafés und mit Jane Austen Romanen.

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  1. Sehr eindrückliche Schilderung. Man fragt sich ernsthaft, wie die verblendeten Antifanten nicht merken können, auf welcher Seite der Geschichte sie stehen. Ein kultivierter österreichischer Patriot und junge Frauen, die einer Lesung beiwohnen versus ein gewalttätiger Mob vermummter Extremisten. So hat es damals auch angefangen, nur genau anders die Rotfaschisten es sich einbilden.

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